Forschung & TechnikTechnik

Vom Gebrauch der Taschenuhren

Taschenbuch zum Nutzen und Vergnügen • 1792

Der Gang eines so subtilen Werkes, wie eine Taschenuhr, kann nicht allein durch starke Bewegungen der Person, die sie bei sich trägt, z. B. Reiten, Fahren, Laufen, unrichtig werden, sondern auch das Öl, das zum Verhindern des Reibens der Uhr notwendig ist, unterwirft sie der Witterung und dem Wechsel der Wärme und Kälte. Am Tage macht die Wärme der Tasche das Öl flüssig; es fällt Staub hinein, und man muss deswegen eine Uhr alle Jahr einmal ausputzen lassen. Tut man sie des Nachts von sich, und legt oder hängt sie an einen kälteren Ort, so geht sie geschwinder, weil das Öl steifer wird, und der Uhr die Kraft benimmt, den Perpendikel weit auszuwerfen, der also eine kürzere Zeit zum Hin- und Widergehen braucht. Eine Uhr, die man des Tages geführt hat, muss man deswegen des Abends an einem temperierten Ort aufhängen; ja nicht legen. Hängt die Uhr, so liegen alle Zapfen im Futter, und tun keinen Schaden; liegt sie aber, so stehen alle Zapfen in den Futtern, und bohren, welches einer Uhr, und besonders dem Perpendikel äußerst nachteilig ist.

Hatten wir aber auch Taschenuhren, die von allen Mängeln befreit wären, auf die weder Bewegung, noch Wärme noch Kälte wirken, so dürften wir uns doch nicht einbilden, dass sie beständig mit der Sonne gehen, und uns die scheinbare Zeit zeigen könnten, weil die gleiche und scheinbare Zeit bisweilen in einem Monat um eine ganze Viertelstunde verschieden sind. Man muss demnach eine Taschenuhr wenigstens alle Wochen einmal nach der Sonne oder einer richtigen Wanduhr stellen, damit sie von·der scheinbaren Zeit nicht zu weit abweicht. Bei der Stellung muss man den Minutenweiser mit dem Schlüssel und nicht mit den Fingern umdrehen, um das Zifferblatt nicht zu beschmutzen, oder den Weiser zu verbiegen. Manche stehen in dem Gedanken, man dürfe den Minutenweiser nicht links herumdrehen, weil sonst die Uhr Schaden leide; allein es gilt der Achse und Hülse gleich viel, ob man rechts oder links herumdreht, weil in den Weisewerken der Taschenuhren keine Aushebe-Wippe zum Schlagen ist, wie bei den Schlag-Wanduhren. Über das Aufziehen muss man nicht zu lange zu bringen, und sich merken, dass alle Taschenuhren von der Rechten zur Linken, die Jagduhren allein aber, welche auf dem Ziffernblatt aufgezogen werden, von der Linken zur Rechten aufzuziehen sind. Ohne Not mache man keine Taschenuhr auf, nehme sie aus dem Gehäuse, oder ziehe sie in freier Luft auf, besonders wenn es windig ist. Im letzteren Fall muss man sich wenigstens so stellen, dass der Wind im Rücken ist, und nicht durch das Schlüsselloch in die Uhr blasen könne. Denn starke Luft vertrocknet das Öl; es kann auch leicht etwas hineingestäubt werden, und eine Uhr kann einen hineinfallenden Körper so wenig vertragen, als ein Auge. Dass man die Uhr bei sich so trägt, dass das Glas stets inwendig gegen das Bein gekehrt ist, dient dazu, damit beim unversehenen Anstoßen die Uhr nicht so leicht beschädigt werde. Lederne Uhrtaschen haben einen großen Vorzug vor barchentnen und leinwandnen. Denn Barchent und Leinwand stäubt, und der Staub zieht sich leicht in die Uhr.

Entnommen aus dem Buch:
Die ›Zeitreisen‹ knüpfen an die Tradition der Jahrbücher und Zeitschriften ›zur Bildung und Erbauung‹ aus dem 19. Jahrhundert an. Eine bunte Auswahl von Originalartikeln begleitet den authentischen und oft überraschend aktuellen Ausflug in die Geschichte.Kultur- und Technikgeschichte aus erster Hand, behutsam redigiert, in aktueller Rechtschreibung und reichhaltig illustriert.
  PDF-Leseprobe € 14,90 | 148 Seiten | ISBN: 978-3-7562-0128-0

• Auf epilog.de am 19. November 2021 veröffentlicht

Reklame