Bau & ArchitekturÖffentliche Bauten

Volksbrausebad

Zentralblatt der Bauverwaltung • 15.6.1889

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.

Wie in neuerer Zeit die Sorge für die Wohlfahrt der arbeitenden Bevölkerungsklassen eine der Hauptbestrebungen aller gebildeten Völker ausmacht, so spielt dieselbe insbesondere beim inneren Ausbau Deutschlands eine große Rolle. Und wie man bestrebt ist, das Einkommen des Arbeiters auf eine angemessene Höhe zu bringen, wie man ihn vor den Gefahren seines Berufes zu schützen und ihm die Sorgen des Alters zu erleichtern sich bemüht, so ist nicht zum wenigsten das Augenmerk auch auf die Pflege seiner Gesundheit gerichtet.

Der Wert regelmäßiger Reinigungsbäder ist in dieser Beziehung längst erkannt und allgemein anerkannt, und unter den verschiedenen einschlägigen Einrichtungen ist es vornehmlich das ›Volksbrausebad‹, welches dem gesteckten Ziel sehr nahe kommt. Zweck dieser Zeilen ist nicht, das Wesen dieses Badeverfahrens zu erläutern und seine Vorzüge vor den für öffentliche Bäder überhaupt in Betracht kommenden verschiedenen Arten des Bades hervorzuheben. Es darf beides als hinlänglich bekannt vorausgesetzt und auf die reichhaltige einschlägige Literatur des letzten Jahrzehnts verwiesen werden.

Durch die Abbildungen und hier folgenden Erläuterungen soll dem Fachmann vielmehr eine bauliche Anlage vorgeführt werden, welche in einfacher und zweckmäßiger Weise die Aufgabe löst, eine Reihe von Einzelzellen zu einer städtischen Volksbrausebade-Anstalt zu vereinigen. Der Entwurf rührt von der auf diesem Gebiet unermüdlich tätigen Firma David Grove her und bildet das Muster für eine Reihe von Anlagen, die sowohl für deutsche wie außerdeutsche Orte geplant sind.

Nach den für dergleichen Anstalten geltenden Hauptgrundsätzen, mit möglichst geringem Raum- und Kostenaufwand die Herrichtung einer tunlichst großen Anzahl Badezellen zu erzielen und dabei die Abteilungen für Männer und Frauen völlig getrennt zu halten, sind bei dem schlichten, aufs einfachste ausgestatteten Gebäude die Flure und Verbindungsräume auf ein geringstes Maß beschränkt und beginnt die Scheidung beider Geschlechter gleich beim Betreten des Hauses. Zwei in dem Mittelteile des Gebäudes nebeneinanderliegende Eingänge führen in getrennte Eingangsflure, zugleich Warteräume für Männer und Frauen, jeder mit einer Ruhebank versehen. In der Mitte liegt die für beide Abteilungen gemeinsame Kasse. Von ihren Seitenfenstern aus hat man – und dies ist ein Hauptvorzug der Grundrissanordnung – einen freien Überblick über die Flurgänge, zu deren beiden Seiten in den Gebäudeflügeln die Badezellen liegen.

Hinter der Kasse befindet sich die mit Waschkessel, Waschmaschine, Wringmaschine und sonstigem Zubehör ausgestattete Wäscherei, die auch den zylindrischen, mit einer dicken Isolierschicht bekleideten Badeofen aufnimmt. Der Behälter, von welchem aus sich das warme Wasser in einer Temperatur von 35° Celsius nach den einzelnen Brausen verteilt, steht über diesem Mittelteil des Hauses in einem Bodenraume, der sich über das in den übrigen Gebäudeteilen unmittelbar deckenbildende flache Dach erhebt. Für die zur Wäscherei gehörige Rollkammer, einen Trockenraum, die Aborte, Geräteverschläge usw. ist in den im übrigen lediglich für Badezellen ausgenutzten Seitenflügeln auf der Männerseite der Raum einer, auf der Frauenseite (die Anstalten werden erfahrungsgemäß von Frauen weniger benutzt als von Männern) der dreier Zellen ausgenutzt, so dass hier 5, dort 7 Badezellen verbleiben. Durch Anbau in der Längsachse des Gebäudes können übrigens – das sei gleich hier als ein Vorzug der Anlage angeführt – diese Badezellen in beliebiger Zahl je nach Bedarf vermehrt werden. Eine noch größere Raumausnutzung, und zwar die Mehrgewinnung je einer Zelle auf jeder Seite, ließe sich erzielen, wenn die Aborte in die Mitte des Gebäudes links und rechts neben die Kasse gelegt würden, dahin, wo im vorliegenden Entwurf sehr zweckmäßig Gelasse für schmutzige und reine Wäsche angeordnet sind. An manchen Orten, so in Berlin, würde sich dies zwar mit den baupolizeilichen Bestimmungen nicht vertragen, die Anlage dürfte aber – Wasserspülung als selbstverständlich vorausgesetzt – im allgemeinen bei dem hier unmittelbar von oben zu gebenden, reichlichen Licht und bei der kräftigen Lüftung, die teils durch diese Oberlichter, teils durch die benachbarten Haupt-Lüftungsschlote des Hauses erfolgen würde, kaum zu Bedenken Anlass geben.

Die 1,4 m breiten und 2,5 m langen Zellen haben die übliche Einrichtung mit schräg gestellter, fester Brause und einer Schlauchbrause, mit Auskleidesitz und Kleiderrechen, sowie mit Lattenbelag auf den Fußböden. Die Beheizung des Hauses erfolgt an den Enden der 1,20 m breiten Zellenflure durch je einen irischen Kokefüllofen, welche gleichzeitig zur Erwärmung der hier vom Freien durch kurze Kanäle einströmenden Frischluft dienen. Reichliches Licht wird dem Gebäude-Inneren zugeführt durch 2,20 m über Fußboden angebrachte Seitenfenster, je eines in jeder Zellenachse. Besondere Vorzüge der Anlage sind, dass das Aufsichts- und Dienstpersonal auf eine Mindestzahl beschränkt werden kann, indem der Markenverkäufer über beide Abteilungen freie und bequeme Übersicht hat. Mit derselben Leichtigkeit lässt sich auch die Wäsche überwachen, und wenn das auch nicht von dem Markenverkäufer allein geschieht, so kann dieser doch dabei behilflich sein. Der ganze Raum lässt sich auf einer angenehmen Temperatur erhalten und die Herstellung des warmen Wassers durch unmittelbare Feuerung mit sehr geringem Kostenaufwand bewerkstelligen. Nur 0,2 kg Steinkohlen werden zur Erwärmung der für ein Bad erforderlichen 20 Liter Wasser gebraucht. Bei einer Bausumme von rund 16 500 Mark* wird sich dabei das Bad einschließlich Wäsche und Seife für 10 Pfennig abgeben lassen, und die Anstalt mit ihrer behaglichen Gesamteinrichtung wird es selbst dem Ärmsten ermöglichen, seinem Körper eine Pflege zu gewähren, die der Gesundheit überaus förderlich ist und selbst in sittlicher Beziehung auf den ganzen Menschen nur sehr günstig einwirken kann.

*) Diese Gesamtsumme ergibt sich für Berliner Preise und ein massives Gebäude (Backsteinbau). Bei Ausführung in Holzfachwerk, unter Verwendung amerikanischer Zypresse, stellen sich die Kosten auf nur 12 500 Mark. In beiden Fällen sind die Ausgaben für die Badeeinrichtung mit 2000 Mark, für die Be- und Entwässerungsanlage, Wasch- und Trockeneinrichtung mit 1600 Mark, für die Heiz- und Lüftungsanlage mit 550 Mark und für die Gasbeleuchtung mit 350 Mark in den angeführten Gesamtsummen enthalten.

• Auf epilog.de am 2. November 2023 veröffentlicht

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