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Stufenbahn in Chicago

Prometheus • 17.5.1893

Vor einem Jahr wurde die Stufenbahn oder Plattformbahn auf dem Platz der Chicagoer Ausstellung  beschrieben und die den Besuchern die Besichtigung eines Teils der Sehenswürdigkeiten derselben erleichtern soll. Diese Bahn besteht, wie vielleicht erinnerlich, aus zwei Plattformen oder endlosen Wagen, die sich nebeneinander mit verschiedener Geschwindigkeit im Kreise fortbewegen.

Als der Urheber des Gedankens der Plattformbahnen darf der deutsche Baumeister Rettig angesehen werden. Die oben erwähnte Bahn rührt jedoch von den Amerikanern Silsbee und Schmidt her, welchen das Verdienst zukommt, den Differentialmechanismus der Plattformgestelle erfunden zu haben.

Stufenbahn in ChicagoStufenbahn in Chicago.

Sie hegen die Absicht, eine derartige Bahn in einer langen geraden Straße Chicagos anzulegen. Wie aus der Abbildung ersichtlich, soll diese Hochbahn aus vier Plattformen bestehen, was die Erzielung einer Geschwindigkeit von 20 km/h ermöglichen würde, aber die Benutzung erschweren dürfte, weil den Passagieren vier, wenn auch leichte Sprünge zugemutet werden. Groß sind auch die Schwierigkeiten an den beiden Endkurven der Schleife, weil die äußeren Räder und Plattformen hier einen längeren Weg zu beschreiben haben als die inneren. Bezüglich der Plattformen selbst wird die Schwierigkeit einigermaßen dadurch gemildert, dass sie aus vielen kleinen Teilen bestehen, die sich bei den Kurven übereinander schieben. Dies nötigte aber bereits bei der Probebahn auf dem Ausstellungsplatz zu Schutzvorrichtungen, die es verhüten, dass die Passagiere mit den Füßen in die verschiebbaren Teile geraten. Als Triebkraft soll auch bei der Straßen-Stufenbahn Elektrizität zur Anwendung gelangen, und zwar in der Weise, dass der größere Teil der Achsen mit Elektromotoren versehen wird. Den absoluten Synchronismus der vielen Motoren zu erzielen, dürfte indessen nicht so leicht sein, und ihre Instandhaltung Schwierigkeiten bieten.

Als ein großer Fehler der Stufenbahn darf, falls sie in der Weise ausgeführt wird, wie die Abbildung lehrt, der Umstand angesehen werden, dass die Fahrgäste den Unbilden der Witterung schutzlos preisgegeben sind. In warmen Ländern mag es gehen; in Chicago aber, wo es furchtbar schneit und stürmt und das Thermometer sehr tief sinkt, dürfte eine Fahrt auf der offenen Bahn, deren Sitze überdies bei Regen oder Schnee nicht zu benutzen sind, kaum zu den Annehmlichkeiten gehören. Selbstverständlich kann es sich bei dem Bau von Stufenbahnen nur um kurze, möglichst gerade Strecken handeln. Die Reibung der vielen Räder und der Widerstand bei Krümmungen legen der Anlage längerer Strecken, ebenso wie der Anlage von Kabelbahnen, unüberwindliche Hindernisse in den Weg. Der Viadukt der Stufenbahn würde, wenn er auf die Weise ausgeführt wird, wie die Abbildung zeigt, der Straße nicht gerade zur Zierde gereichen. Doch haben die Amerikaner dergleichen Bedenken längst überwunden.

Entnommen aus dem Buch:
Die Aufbruchstimmung und der technische Fortschritt im 19. Jahrhundert führten zu immer neuen Erfindungen, die den Verkehr beschleunigen und die Antriebe optimieren sollten. Dabei wurde oft das System von mit Dampflokomotiven bespannten Zügen auf zwei Schienen grundlegend in Frage gestellt. Manche dieser Ideen sind heute wieder aktuell, und so lohnt sich ein unverfälschter Blick auf dieses interessante Kapitel der Verkehrsgeschichte.
  PDF-Leseprobe € 18,90 | 148 Seiten | ISBN: 9-783-7583-7184-4

• Auf epilog.de am 17. Januar 2024 veröffentlicht

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