VerkehrNahverkehr

S- und Regionalbahn in Berlin

Das Netz wird Zug um Zug attraktiver

Berliner Wirtschaft • Juni 1995

Voraussichtliche Lesezeit rund 5 Minuten.

Mit dem Fahrplanwechsel Ende Mai hat das schienengebundene Nahverkehrsnetz in Berlin an Attraktivität gewonnen: Neben der  Erweiterung der Regional-Express-Linien von bisher einer auf insgesamt vier wurden auch zwei neue S-Bahn-Strecken wieder in Betrieb genommen. Außerdem konnte der Regionalverkehr ins Havelland mit der Wiederinbetriebnahme der Hamburger Bahntrasse ausgebaut werden. Neue Züge sollen zudem den Fahrkomfort und die Akzeptanz deutlich verbessern.

Das neue Regional-Express-Netz ist besonders für Berufspendler interessant, verbindet es doch Berlin mit den meisten Zentren auch außerhalb des sogenannten ›Speckgürtels‹. Neben den in der Zeit von 5 bis 22 Uhr von Berlin-Hauptbahnhof über Frankfurt/Oder nach Cottbus stündlich fahrenden Zügen ist vor allem die neue Verbindung im 60-Minuten-Takt von und nach Brandenburg besonders attraktiv, zumal diese Linie direkt bis ins westliche Zentrum zum Bahnhof Zoo geführt wird. Überhaupt ist es erklärtes Ziel der Bahn AG, den Regionalverkehr weiter in die Innenstadt zu führen. Hierzu gehört auch die Regionalbahnlinie von Templin über Oranienburg, Hennigsdorf, Falkenhagen und Falkensee, die wie die Linien aus Wustermark bzw. Wittenberge bis Westkreuz geführt wird. Andererseits werden beispielsweise Regional-Express-Züge von Schwedt nach Cottbus und von Berlin-Hohenschönhausen nach Cottbus im Zwei-Stunden-Takt über Lichtenberg und Schöneweide geführt, anstatt durch die Stadtmitte bzw. über den östlichen S-Bahnring. Sobald der Nord-Süd-Tunnel fertig ist, werden dann aber Züge aus der Region unterirdisch durch das Stadtzentrum fahren.

Mit den derzeit vier Regional-Express-Linien können heute rund 60 % der Brandenburger schnell in den Wirtschaftsraum Berlin gelangen. Die Züge erreichen in 35 bis 50 Minuten von der Berliner Innenstadt aus den ›Brandenburger Städtekranz‹. Im ›Zielnetz 2000‹ sollen dabei die Regional-Express-Züge im 30-Minuten-Takt fahren. In Berlin selbst wird der Stadtexpress die S-Bahn ergänzen bzw. teilweise parallel zu ihr fahren. Die Züge sind auch für den Ausflugsverkehr gedacht, wofür sie besondere Fahrradabteile erhalten werden. Premiere für den Stadtexpress soll 1997 mit einer Linie von Nauen über Falkensee, Spandau, Westkreuz bis zum Flughafen Schönefeld sein. Auf Tangentialverbindungen werden vor allem Regionalbahnen verkehren, wie dies heute schon z. T. der Fall ist. Auf den Regional-Express-Linien kommen neue Züge zum Einsatz. Auf den Tangentiallinien will die Bahn AG kleine, leichte und preiswerte Fahrzeuge fahrenlassen.

Neue Züge für die S-Bahn

Endlich ausgemustert werden sollen auch die Alt-Fahrzeuge der Berliner S-Bahn. Für sie hat die Deutsche Bahn AG (DB AG) weitere 400 Viertelzüge der Baureihe 481/482 ergänzend zu den bereits im vergangenen Jahr bestellten 100 Einheiten im Gesamtwert von rund 2,1 Mrd. DM bestellt. Mit dem Konsortium Deutsche Waggonbau AG (DWA) und AEG Schienenfahrzeuge GmbH unterzeichnete die DB AG hierzu einen entsprechenden Vertrag im Rahmen einer Option des 1994 abgeschlossenen Vertrages. Baureihe 481Foto: DWA/AEGMitte Mai 1995 wurden die neuen S-Bahnzüge der Baureihe 481 in Bohnsdorf der Öffentlichkeit vorgestellt. Bereits im 1. Quartal des nächsten Jahres sollen die ersten zehn S-Bahnviertelzüge ausgeliefert werden. Ende 2004 kommen die letzten der insgesamt 500 S-Bahn-Züge aus der Fertigung. Damit wird die 100 %ige Bahntochter, die S-Bahn Berlin GmbH, in die Lage versetzt, die Züge der Baureihe 475, 476 und 477 aus den Baujahren 1927 bis 1941 schrittweise zu ersetzen und ihre Marktposition entscheidend zu stärken.

Die neuen Viertelzüge zeichnen sich durch modernste, besonders umweltfreundliche Technik, sparsamen Energieverbrauch und zeitgemäßes Design aus. Mit ihnen können flexibel Viertelzüge aus 2 Wagen, Halb-, und Vollzüge entsprechend der Nachfrage zusammengestellt werden. Die 100 Stundenkilometer schnellen S-Bahnen bieten den Fahrgästen im Viertelzug 94 Sitz- und 200 Stehplätze. Bereits die Durchgänge zwischen den Wagen sichern Blickkontakt durch den ganzen Zug und über ein Notrufsystem ist der Fahrgast direkt mit dem Zugführer verbunden.

Attraktiver wird die S-Bahn aber auch durch mehr Sicherheit. Hierzu trägt auch das neue Sicherheitskonzept der S-Bahn Berlin GmbH bei, das im 1. Quartal dieses Jahres spürbare Erfolge verzeichnet. So ging die Zahl der Straftaten deutlich zurück: Während in dem 1. Quartal 1994 noch 282 Delikte zu verzeichnen waren, sank die Zahl im 1. Quartal 1995 auf 131. Um dieses Sicherheitskonzept weiterhin erfolgreich umzusetzen, ist die Zusammenarbeit mit privaten Sicherheitsdiensten, dem Bundesgrenzschutz und der Landespolizei von Berlin und Brandenburg intensiviert worden.

S-Bahn-Netz im Ausbau

Die neuen Viertelzüge werden nicht nur für den Ersatz alter Fahrzeuge benötigt, sondern auch für das größer werdende S-Bahnnetz. Ende dieses Monats wurden wieder neue Strecken nach Tegel auf der sog. ›Kremmener Bahn‹ und auf der Anhalter Bahn nach Lichterfelde eröffnet. Während jedoch die Strecke nach Lichterfelde von Grund auf saniert worden ist, entschied man sich in Richtung Tegel für einen provisorischen Aufbau. Ihre alte Bedeutung werden die Strecken jedoch erst wieder erlangen, wenn die Verbindungen ins Umland, d. h. nach Hennigsdorf und Teltow, bzw. Ludwigsfelde wieder hergestellt sind. Während die Züge von Priesterweg nach Lichterfelde im Zehn-Minuten-Takt fahren, ist auf der eingleisigen Tegeler Strecke nur ein Verkehr im Abstand von 20 Minuten möglich. Immerhin sorgen die neuen S-Bahnstrecken für eine Vielzahl neuer Anschluss- und Umsteige-Verbindungen für Fahrgäste in Berlin und aus Brandenburg. So bestehen Umsteigemöglichkeiten zu elf weiteren S-Bahn-Linien, vier U-Bahn-Strecken, sieben Tram- und 49 Bus-Linien.

Weitere Lücken werden geschlossen

In den kommenden Jahren sollen weitere Strecken ausgebaut und in Betrieb genommen werden. Hierzu zählt der Lückenschluss auf dem S-Bahnring im Südosten im Bereich Neukölln–Treptower Park im Jahre 1997. Im gleichen Jahr soll auch eine Regionalbahn von Lichterfelde Ost nach Teltow fahren. 1998 ist die Inbetriebnahme der Strecke Tegel–Hennigsdorf vorgesehen, auf der Züge der Gleichstrom-S-Bahn verkehren werden. Spandau wird vermutlich erst 1999 S-Bahn-Anschluss erhalten, wobei bereits 1997 Züge von Westkreuz bis Pichelsberg fahren sollen. Für eine Weiterführung der S-Bahn nach Falkensee gibt es noch keinen Termin. Bereits im Gange sind auch die Bauarbeiten auf dem S-Bahn-Nordring, wobei Streckenabschnitte Zug um Zug eröffnet werden sollen: 1997 von Westend nach Jungfernheide, 1998 dann weiter bis Gesundbrunnen. Vollständig wird der S-Bahnring mit dem Abschnitt Gesundbrunnen–Schönhauser Allee im Jahre 1999 werden.

• Thomas Ebelt

• Auf epilog.de am 1. Oktober 1997 veröffentlicht

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