Verkehr – Straßenverkehr
Motorwagen der Kondor-Fahrradwerke
Allgemeine Automobil-Zeitung • 3.6.1900
Auf einer kürzlich in Leipzig abgehaltenen Ausstellung für Volkswohl erregte ein von der in Radsportkreisen bereits vorteilhaft bekannten Firma Kondor-Fahrradwerke AG in Brandenburg a. H. ausgestellter Motorwagen, der mancherlei Vorzüge aufweist, das Interesse der Ausstellungsbesucher. Der auf der genannten Ausstellung mit der goldenen Medaille und einem Ehrenpreise prämierte Motorwagen, von welchem wir eine Abbildung bringen, die den gefälligen Bau des Wagens veranschaulicht, ist derart praktisch eingerichtet, dass seine Bedienung durchaus nicht kompliziert ist.
Motorwagen der Kondor-Fahrradwerke.Die Tragfähigkeit des Wagens ist auf drei Erwachsene oder zwei Erwachsene und zwei Kinder berechnet. Mit dieser Belastung können Steigungen bis zu 15 % leicht überwunden werden. Die Steuerung wirkt auf die Vorderräder und man kann, bequem angelehnt, den Steuerungshebel vom Sitz aus dirigieren. Die Regulierung der Geschwindigkeit erfolgt in der gleichen bequemen Weise vermittels des unter dem Steuerungshebel befindlichen Handrades. In der normalen Stellung des Handrades läuft der Motor leer, so dass der Wagen stehenbleibt; durch einfache Drehung des Handrades nach links läuft der Wagen mit der langsamen Gangart und durch Drehung des Handrades nach rechts mit der schnellen Gangart. Außerdem kann die Gangart noch durch die Zündung reguliert werden, und zwar ebenfalls bequem vom Sitz aus durch einen kleinen unter dem Handrad befindlichen Hebel.
Der Motor entwickelt reichlich 3 PS und ist für Wasserkühlung eingerichtet. Das Kühlwasser zirkuliert durch einen vorn am Wagen angebrachten Kühlwasserapparat aus Rippenröhren, der genau so groß konstruiert ist, dass der Motor selbst bei stärkster Beanspruchung nicht zu heiß wird. Die Zündung erfolgt durch einen vom Motor selbst getriebenen magnetelektrischen Zündapparat. Hiedurch kommen Leitungskabel und die häufiger zu erneuernden Akkumulatoren in Wegfall. Das Ölen erfolgt für alle wichtigen Teile, wie Zylinder, Kolben, Schwungrad etc., selbsttätig. Der Benzinverbrauch ist per Stunde ca. 0,5 Liter pro PS; der Benzinbehälter reicht für rund 150 km Fahrt aus.
Der Antrieb wird bewirkt durch ein Friktionsgetriebe, welches direkt mit dem Motor verkuppelt ist und auf die Hinterräder wirkt. Alle beweglichen Teile des Friktionsgetriebes, des Motors und des Differentialwerkes sind durch Aluminiumgehäuse geschützt. Alle diese Teile werden durch den Rücksitz, in welchen sie eingebaut sind, verdeckt. Der Sitz kann umgelegt werden, wodurch wiederum alle Teile leicht und bequem zugänglich sind. Der Vordersitz ist herausnehmbar und zum Umdrehen eingerichtet, so dass man also auf demselben sowohl nach vorn, wie auch nach hinten gewendet sitzen kann. Eine doppelte Federung lässt die Insassen des Wagens vom Gang des Motors nichts verspüren.
Die Konstruktion des Wagens ist bis in die kleinsten Details derart durchgedacht, dass Betriebsstörungen möglichst vermieden werden; selbst die Acetylen-Wagenlaternen sind derart praktisch eingerichtet, dass sie auch gleichzeitig für Kerzen verwendet werden können. Die Ausstattung des Wagens ist gediegen und vornehm. Nach alledem haben die Kondor-Fahrradwerke einen Motorwagen auf den Markt gebracht, der Beachtung verdient, einen kleinen, bequemen Familienwagen für drei oder vier Personen, elegant und komfortabel ausgestattet, leicht zu bedienen und verhältnismäßig billig im Betrieb. Unsere Abbildung zeigt als Insassen des Wagens die Fabrikanten desselben, die Herren Liepe und Breest, welchen bereits sogar aus dem Ausland (Schweden) mehrfach Bestellungen auf ihren prämierten Motorwagen vorliegen.