DaseinsvorsorgeEnergieversorgung

Moore als Energiequelle

Berliner Tageblatt - Technische Rundschau • 21.8.1907

Die Siemens-Schluckert-Werke beabsichtigen in der Gegend von Aurich, auf dem Mareardmoor, eine große elektrische Zentrale zu errichten, um Aurich, Norden, Wilhelmshaven usw. mit elektrischer Kraft zu versorgen. Damit ist das erste große Unternehmen auf deutschem Boden geplant, das die in unseren Hochmooren brachliegenden Energiequellen auszubeuten gedenkt. Die Moore der norddeutschen Tiefebene sind bekanntlich das Produkt der unter Luftabschluss erfolgenden Fäulnis der Torfmoore, die nach oben fortwachsend in dem unten absterbenden lockeren Gefüge ihrer Verästelungen das Regenwasser wie ein Schwamm festgesogen halten, so dass eine stetig mächtiger werdende Schicht der toten Pflanzen mit oft über 90 % Wasser entsteht.

Zur Gewinnung eines brennfähigen Torfes ist Austrocknung des Produktes an der Luft erforderlich. 100 kg Brenntorf mit 25 % Wassergehalt erfordern 750 kg 90 prozentigen Rohtorf; es sind also 650 kg Wasser zu verdunsten, was rund 400 000 Kalorien erfordert, entsprechend etwa 110 kg eines guten 25  prozentigen Torfes; an eine direkte künstliche Trocknung ist also schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht zu denken. Anderseits ist auch eine Auspressung des Wassers nicht auszuführen, da die den Torf bildenden humosen Pflanzenreste eine derartig große Anziehungskraft für Wasser haben, dass eher der ganze Torfbrei durch das Presstuch gehen würde, als dass er nennenswerte Menge Flüssigkeit fahrenließe. Vielleicht hat das Vorfahren der Höchster Farbwerke, die elektroosmotische Trocknung des Torfes, für Gegenden mit billiger elektrischer Kraft eine Zukunft. Schickt man nämlich durch den zwischen zwei siebartig ausgebildeten Elektroden befindlichen Torfbrei einen Strom, so sammelt sich das Wasser kontinuierlich am negativen Pol und kann von dort leicht, z. B. durch gelinde Pressung, entfernt werden. Von diesem Projekt abgesehen, bleibt somit das einzig rationelle Trockenverfahren die Verdunstung des Wassers durch den Wind an freier Luft. Der so erzielte sogenannte Maschinentorf hat jedoch nur etwa ein Fünftel des Heizwerts mittlerer Steinkohlesorten, so dass insbesondere auch in Rücksicht auf sein großes Volumen ein weiterer Transport unrationell ist. Diesem Übelstand ist entweder durch Brikettierung oder durch Verkokung abzuhelfen. Die Brikettierungsversuche sind bisher noch nicht von Erfolg begleitet gewesen. Die auf die übliche Weise durch Pressen von extra vorgetrocknetem Torf erhaltenen Briketts haben einen nur wenig höheren Wert als bester Maschinentorf und den Nachteil, in der Wärme wieder zu Pulver zu zerfallen. Bedeutend erfolgreicher waren die Verkokungsversuche. Mit dem Zieglerschen verfahren hat die preußische Regierung vor einigen Jahren in Oldenburg große Versuchsreihen ausführen lassen, wobei das Resultat ein sehr gutes war. Der Torf wurde in stehenden Schachtöfen durch Außenheizung verkohlt; dabei erhielt man 35 prozentigen schönen, zu metallurgischen Zwecken brauchbaren festen Koks von 7000 Kalorien, Teerdestillate, Essigsäure, Ammoniak und ein Heizgas mit 14 % Methan, 24 % Wasserstoff, 9 % Kohlenoxid, das zum Heizen der Öfen diente. Das Haupterzeugnis bildet somit der Koks, der in Bezug auf Güte, Verkaufs- und Transportfähigkeit etwa der Holzkohle gleichkommt; in seiner Wirtschaftlichkeit bleibt aber das Verfahren doch an die Gewinnung der Destillate gebunden, wodurch wieder die Apparaturkosten stark steigen.

Das aussichtsreichste Verfahren der Torfverwertung ist die von Professor Frank in Charlottenburg angestrebte Torfvergasung. Diese liegt auch dem oben genannten Projekt zugrunde, wobei die Kraftmaschinen durch Torfgas betrieben werden sollen.

Verbrennt man lufttrockenen Torf in geeigneten Generatoren, ähnlich denen, die die Mansfelder Braunkohlenindustrie zu gleichem Zweck im Betrieb hat, so entsteht nach Auswaschen des Teers und Ammoniaks ein Gas von etwa 1300 Kalorien Heizwert. Der Gasmotorenfabrik Deutz sowohl als auch Gebr. Körting ist es nach eingehenden Versuchen gelungen, brauchbare Generatoren und Motoren für Torfgas herzustellen, auch arbeiten in Holland und in Schweden schon elektrische Anlagen damit. Professor Frank denkt sich die ganze Anlage derart, dass die erzeugte Elektrizität, so weit angängig, für Licht- und Kraftzwecke in die naheliegenden Ortschaften geleitet werden soll, die überschüssige Kraft jedoch im eigenen Betrieb zu verwerten sei. Hierfür kommt als ein solcher die Fabrikation von Kalziumkarbid in Betracht, da die Karbidöfen, intermittierend arbeitend, sehr leicht sich den Schwankungen des Kraftüberschusses anpassen können. Das gewonnene Karbid könnte man nach dem Frank-Caroschen Verfahren in ›Kalkstickstoff‹ überführen und so die selbst urbar gemachten Moore meliorieren. Bisher hat sich allerdings der Kalkstickstoff auf Moorboden nicht bewahrt.

• Dr. Wilmanns

• Auf epilog.de am 13. November 2023 veröffentlicht

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