Daseinsvorsorge – Energieversorgung
Ausnutzung der Windkraft
Prometheus • 16.11.1892
In einer bei Dümmler in Berlin erschienenen Schrift Die Dienstbarmachung der Windkraft für den elektrischen Motorenbetrieb macht der Verfasser, Hauptmann a. D. Plessner, den Vorschlag, die wenig leistungsfähigen vertikalen Windräder durch horizontale Windgöpel zu ersetzen. Ein solcher Windgöpel besteht aus einer ringförmigen, viergleisigen Eisenbahn von etwa 1000 m Länge, die auf Pfosten ruht, so dass der Bodenerwerb wegfällt. Auf dieser Bahn verkehren beispielsweise 48 Wagen mit je zwei in einem Winkel von 45° zu einander stehenden, segelartigen Flügeln, welche den Wind auffangen und damit die Wagen vorwärtstreiben. Diese sind untereinander durch Gestänge derart verkuppelt, dass sie ein Ganzes bilden. Somit kann der Wind sie nicht zum Umkippen bringen, um so weniger, als die Segelfläche sich bei Überschreiten eines gewissen Winddruckes von selbst verkleinert. Dies, sowie überhaupt das Stellen der Segel besorgen an jedem Wagen angeordnete Windfahnen selbsttätig. Der Zug ist so lang, dass er den ganzen Ring bedeckt. Weht der Wind z. B. von Süden, bewegt sich der Zug von links nach rechts, und denken wir uns die Sache so, dass der Wagen Nr. 1 der Windrichtung am nächsten steht, so kommt, soll der Zug sich fortbewegen, der linke Flügel dieses Wagens selbsttätig außer Betrieb, während der rechte Flügel den Wind empfängt. Der Wagen fährt also mit halbem Winde. Sobald sich der Wagen und die folgenden dem Westen des Ringes nähern, wo beide Flügel den Wind von hinten empfangen können, kommt die ganze Segelfläche zur Wirkung. Sie vermindert sich entsprechend durch Einziehen des rechten Flügels, wenn der Zug sich dem Norden des Ringes nähert. Ist dieser Punkt überschritten und etwa der Nordosten des Rings erreicht, wo der Wind dem Zug gerade entgegen zu wehen beginnt, so schließen sich beide Flügel. Sobald endlich der Zug den Südosten erreicht, öffnet sich der rechte Flügel und das Spiel beginnt von neuem.
Selbstverständlich denkt sich der Verfasser die Sache weiter so, dass der Windgöpel eine oder mehrere Dynamomaschinen betätigt, die ihrerseits Akkumulatoren laden. Diese übernehmen die Ausgleichung zwischen den wenigen windstillen Tagen und den Tagen, wo es mehr oder weniger frisch weht, was ja auch bei den bisherigen Windrädern geschieht, welche elektrische Ströme erzeugen. Das Weitere, d. h. die Fortleitung und Nutzbarmachung der gewonnenen elektromotorischen Kraft ist Sache der Elektrotechnik. Der Verfasser glaubt, dass es ein Leichtes wäre, Windgöpel mit einer durchschnittlichen Nutzwirkung von 1200 PS zu bauen. Als Ort der Aufstellung derselben denkt er sich zunächst Bodenerhebungen, sowie hauptsächlich die Seeküste, wo die Winde eine größere Regelmäßigkeit besitzen. Mit Hilfe solcher nahezu kostenlos arbeitenden Windgöpel könnte man vielleicht an die Riesenaufgabe der Trockenlegung der Wattenmeere zwischen den Inseln der Nordseeküste und dem Festland herangehen, auch Kanäle ausgraben und Häfen, Flüsse ausbaggern und vertiefen.