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Die Bereitung des Leuchtgases

Das Buch für Alle • 1866

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.

Da die Verwendung des Leuchtgases nicht bloß in Fabriken, wo sie den ersten Eingang gefunden, sondern auch in den Läden, in den gewöhnlichen Wohnräumlichkeiten und namentlich zu Erhellung der Straßen immer weiter greift, so erweisen wir vielleicht dem Leser einen Dienst, wenn wir in kurzen Zügen ihm die leitenden Grundsätze und die Art, wie dieses Beleuchtungsmaterial bereitet wird, auseinandersetzen.

Innere einer GasfabrikAbb. 1. Das Innere einer Gasfabrik.

Es war schon im 17. Jahrhundert eine bekannte Tatsache, dass Steinkohlen, wenn sie in einem geschlossenen Gefäß erhitzt werden, ein brennbares Gas entwickeln; doch wurde dieses Erzeugnis erst 1789 von dem Ingenieur Murdock in den Arbeitslokalen des berühmten Watt als lichtschaffendes Medium zur Nutzung gebracht. Eine größere Ausdehnung gewann die Gasbereitung durch den Deutschen Winsor ab 1804, dessen unter dem Schutz Georg III. stehende Gesellschaft allein in London gegen 190 km mit unter dem Pflaster geführten Leitröhren belegte. Der Versuch dieses Technikers, seine Industrie 1815 auch in Paris zur Geltung zu bringen, scheiterte in dem Kampf mit bedrohten Interessen; doch nahm schon einige Jahre später unter Ludwig XVIII. die Idee auch in Frankreich ihren siegreichen Fortgang, um nachgerade sich Über die ganze zivilisierte Welt zu verbreiten.

Das Leuchtgas besteht im Wesentlichen aus Doppel-Kohlenwasserstoff oder einer chemischen Verbindung von zwei Mischungsgewichten Kohle und einem Mischungsgewicht Wasserstoff. Alle Substanzen, welche eine ansehnliche Menge Kohlenstoff und Wasserstoff enthalten, liefern, wenn man sie stark erhitzt, mit Leuchtkraft versehene Gase, und man kann zu ihrer Gewinnung Öl, Fett, Torf, Holz, Teer usw. benutzen; indes gibt man den Steinkohlen den Vorzug, weil auch der Rückstand, der Koks, als Brennmaterial gut verkäuflich ist und sonach die Herstellungskosten gemindert werden.

Um das Gas zu gewinnen, bringt man die Steinkohlen in Röhren von Gusseisen oder nicht schmelzbarer Erde, die in einen Backsteinofen eingesetzt und darin stark erhitzt werden. Abb. 1 gibt das Innere einer Gasfabrik mit zwei Reihen solcher Öfen. Durch die Hitze scheiden sich die Elemente, welche die Steinkohle zusammensetzen, und es bilden sich außerdem Koksrückstand Teer, brennbare Öle, Ammoniaksalze und verschiedene Gase, von denen wir den reinen Wasserstoff, Ammoniak, den Doppel-Kohlenwasserstoff, den Schwefelwasserstoff und die Kohlensäure besonders hervorheben. Dieses unreine Gemenge gibt nur ein schlechtes Licht, wirkt erstickend auf die Atmungswerkzeuge, verändert die Farben der Kleiderstoffe, greift die Metalle an und verdirbt in Gemälden alle mit Blei gemengten Farben. Solche unangenehmen Wirkungen rühren hauptsächlich von dem Ammoniak, von den brennbaren Ölen und dem Schwefelwasserstoff her, weshalb man sie nebst der Kohlensäure zu entfernen sucht.

Zu diesem Ende leitet man das unreine Gas vermittelst nach unten offenen Röhren, die in eine Wasserschicht tauchen, in einen luftdicht geschlossenen, gusseisernen Behälter. Die Ammoniaksalze und die Teerdämpfe bleiben in der Wasserschicht; das übrige Gas aber gelangt durch eine von dem Behälter ausgehende Endröhre (Abb. 2) in den sogenannten Reiniger, in welchem es durch angefeuchteten gebrannten Kalk zu streichen hat und an diesen die Kohlensäure und das Schwefelwasserstoffgas abgibt. Trotzdem behält indes das Gas noch immer einen unangenehmen Geruch, der sich bei dem Entweichen gut bemerklich macht.

Apparate zur GasfabrikationAbb. 2. Apparate zur Gasfabrikation: Gasofen, Gasreiniger und Gasometer.

Von dem Reiniger aus gelangt das Gas in den sogenannten Gasometer, einen Apparat, welcher aus der zur Aufnahme von Wasser bestimmten Kufe und der zur Aufbewahrung des Gases dienenden Glocke besteht. Die Kufen sind in den Boden eingelassene Gruben, welche durch hydraulischen Kalk wasserdicht gemacht werden; die Glocke besteht aus starkem, mit einer Teerschicht überkleidetem Eisenblech. Am oberen Teil der Glocke ist eine Kette angebracht, die über zwei Rollen läuft und an ihrem Ende zur Herstellung des Gleichgewichts im Gasometer Gewichte trägt. In Folge dieser Einrichtung kann die Glocke in der Kufe sich heben oder fallen, ohne auf das Gas einen zu starken Druck auszuüben, der eine Entweichung des Gases bewirken oder die Zersetzung der Steinkohlen in den dem Heizfeuer ausgesetzten Röhren beeinträchtigen würde.

Von dem Gasometer aus führt ein weites Rohr das Gas in die gleichfalls gusseisernen größeren Verteilungsröhren, in welche die kleineren, die in die Häuser usw. gehen, einmünden.

Bereits hat man in England und Nordamerika die Nachtzüge der Eisenbahnen statt des Öls mit Gas zu beleuchten begonnen. Die Einrichtung dabei ist folgende: Jeder Wagen ist mit einem gusseisernen Zylinder versehen, der als Gasometer dient und am Bahnhof gefüllt wird. Dieser Zylinder hat im Inneren eine Scheidewand von Kautschuk, die durch das unter Druck bewirkte Einströmen des Gases gegen die Wand des Zylinders gedrängt wird. Pumpt man nun in den Raum zwischen Kautschuk- und Zylinderwand Luft, so treibt diese das Gas nach den Brennern hin.

Dr. C. Kolb

• Auf epilog.de am 25. Januar 2024 veröffentlicht

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