FeuilletonReisen

Hospiz St. Christoph am Arlberg

Der Stein der Weisen • 1890

Die alte, durch Jahrhunderte begangene und befahrene Straße über den Arlberg ist seit der Eröffnung der Arlbergbahn ziemlich verödet. Das schwere Fuhrwerk braucht sich nicht mehr über die Höhe emporzuarbeiten, der Tourist wieder findet sich in die neue Lage und durcheilt im bequemen Coupé den langen Tunnel, welcher ihn durch etwa zwanzig Minuten in Finsternis einhüllt. Immerhin ist das Wandern über die nicht viel begangene Passhöhe ein Genuss, den man sich auch heute noch, trotz aller Hast, der Rundreisebilletts und anderer Einrichtungen, welche den Menschen in gleiche Linie mit dem Frachtcollo stellen, nicht entgehen zu lassen braucht.

Hospiz St. Christof am ArlbergHospiz St. Christoph am Arlberg.

Die alte Poststraße über den Arlberg führt von St. Anton (am Ostportal des großen Tunnels) in mehrfachen Windungen den Abhang hinan, anfangs genau über der Tunnelmündung. Sie wendet in der Folge nordwärts und erreicht das alte Hospiz mit seinem dürftigen Einkehrhaus. St. Christoph ist ein einsamer Hochgebirgsweiler von nur wenigen Häusern. Das Hospiz wurde 1586 auf Veranlassung und durch werktätige Mithilfe von dem armen Viehhirten Heinrich Findelkind gegründet und als solches 1780 aufgelassen. Die Kirche hat nichts Bemerkenswertes. Eine Viertelstunde südöstlich vom Hospiz befindet sich der kleine Majensee, an welchem sich auffallend viele Salamander tummeln. Von St. Christoph gelangt man in wenigen Minuten auf die Passhöhe, welche in 1797 Meter Seehöhe sich befindet. Nun geht es hinab in die Alfenzschlucht, in welcher die Poststraße an lotrecht aufragenden Felswänden hingeführt ist. Beim Weiler Rauz hat man den ersten Einblick ins schöne Klostertal. In etwa anderthalb Stunden ist man in Stuben (›des Kaisers größte Stuben‹), wo vordem im Postwirtshaus gute Rast war. Von hier zweigt nördlich eine Straße ins Lechtal ab, und zwar vorerst durch das felsige, durch seine vielen Wasserstürze ausgezeichnete Stubental, weiters über den Flexensattel ins obere Lechtal. Die Poststraße erreicht bald hinter Stuben die Station Langen am Westportal des großen Tunnels. Wir bemerken noch, dass St. Christoph genau über der Tunnelachse liegt, und zwar in einem vertikalen Abstand von 440 Metern.

• Auf epilog.de am 5. Februar 2023 veröffentlicht

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