Verkehr – Nahverkehr
Zur Ausbildung des Vorortverkehrs
Von Hans Dominik
Die Woche • 29.9.1906
Vor einigen Wochen hat der preußische Eisenbahnminister einer Deputation der Berliner Vorortgemeinden eine Antwort gegeben, die vielfach große Überraschung hervorrief. Er führte aus, dass die Behörden nicht willens wären, den Vorortverkehr in der bisherigen Weise weiter auszubauen, da der Fiskus dabei nur Geldverluste haben würde, und stellte den weiteren Ausbau der privaten Unternehmertätigkeit anheim.
Diese Antwort behauptet also zunächst einmal, dass der Berliner Vorortverkehr mit Unterbilanz arbeitet. Sie stellt aber diese Tatsache keineswegs als eine unvermeidliche Eigentümlichkeit des Vorortverkehrs selbst hin, sondern als eine solche der fiskalischen Verwaltung. Andernfalls hätte ja der Hinweis auf die private Unternehmungslust wenig Sinn, da diese doch nur durch zuversichtliche Aussicht auf gute Dividenden sich mit Kapital beteiligt. Es wäre nun einmal Stück für Stück zu überlegen, auf welche Weise das geschehen kann und ob es überhaupt geschehen kann.
Da bietet uns die Hauptstadt Berlin einige bemerkenswerte praktische Beispiele. Wir haben in Berlin zwei sehr ähnliche Unternehmungen, nämlich die Stadtbahn und die elektrische Hochbahn. Beide sind ziemlich genau gleich lang und beide führen quer durch Berlin. Die wirtschaftlichen Ergebnisse beider sind aber völlig verschieden. Während man für die Stadtbahn nur eine Verzinsung von etwa 2 % herausrechnet, gibt die Hochbahn 4 % und wird voraussichtlich in absehbarer Zeit noch mehr geben. Als ein drittes Unternehmen können wir die Große Berliner Straßenbahn heranziehen, die ihr Kapital sogar mit 10 % verzinst. Daraus ergibt sich jedenfalls sehr deutlich, dass unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen der Privatbetrieb mit gutem Gewinn, der Staatsbetrieb mit Verlusten arbeiten kann.
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