Verkehr – Nahverkehr
Verkehrsprobleme
Plauderei von Hans Dominik
Die Woche • 20.5.1911
Die letzten hundert Jahre sind für Deutschland ganz besonders durch ein Anwachsen der städtischen Bevölkerung gekennzeichnet. Während zur Zeit der Befreiungskriege etwa 20 % der Einwohner in Städten lebten, kommen gegenwärtig gut 60 % der Gesamtbevölkerung auf die Bewohner geschlossener Ortschaften.
Diese Entwicklung bedingte naturgemäß eine beträchtliche Vergrößerung des normalen städtischen Weichbildes und zeigte eine Fülle neuer technischer Probleme. Wir können von den Millionenstädten, wie Berlin und Hamburg, absehen, können sogar alle Großstädte auslassen und nur Mittelstädte in Betracht ziehen, und doch tritt uns eine der wichtigsten kommunaltechnischen Fragen, das Problem des innenstädtischen Verkehrs, allenthalben mit Sicherheit entgegen.
Solange eine Stadt nur eine Kreisfläche von rund einem Kilometer Durchmesser bedeckt, pflegt die Verkehrsfrage nicht brennend zu sein. Es genügen Schusters Rappen als Betriebsmittel vollauf, denn man erreicht auf ihnen in 10 Minuten von einem Ende der Stadt her das entgegengesetzte, kommt in 5 Minuten vom Mittelpunkt der Stadt bis zu jedem Punkt der Grenze. Aber diese Größenverhältnisse treffen nur für Ortschaften von etwa 15 000 Einwohnern zu. Sobald die Einwohnerzahl auch nur die 50 000 erreicht, müssen wir auf die Durchquerung der Stadt etwa eine halbe Stunde rechnen, bei 100 000 Einwohnern wird man vom Mittelpunkt der Stadt aus etwa 20 Minuten zu gehen haben, um zu den Grenzen der Vorstädte zu gelangen. Das ist wenig, wenn wir uns erinnern, dass die Durchquerung Groß-Berlins etwa von Britz bis Tegel oder von Lichterfelde bis Friedrichsfelde einen recht strammen Tagesmarsch bedeutet. Aber es wird viel, wenn man in Erwägung zieht, dass auch nur 10 000 von den 100 000 Einwohnern der Stadt gezwungen sein mögen, diesen Weg viermal am Tag zurückzulegen.
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