Handel & Industrie

Gesundbrunnen

Quer durch und ringsum Berlin • 1883

Voraussichtliche Lesezeit rund 5 Minuten.

Wie viele Leser wissen heute wohl noch etwas vom ›Friedrichs-Gesundbrunnen‹ und vom ›Luisenbade‹? Die Brunnen- und Badstraße ist ihnen, wenn sie Berliner sind, schon bekannter. Dass beide aber von einem einst berühmten märkischen Bad ihren Namen empfingen, dass das Luisenbad heute noch ein sehenswertes, hübsches Gartenetablissement ist, dürfte ihnen unbekannt sein.

Vor dreihundert Jahren bestand hier an der Panke eine einsame Wassermühle und daneben ein mächtiges Jagdrevier. Dann später wurde noch eine zweite Mühle gebaut.

Die eine lag auf dem linken Ufer der Panke, da, wo jetzt die Restauration neben dem Brunnenhaus steht. Die andere stand und steht heute noch auf der kleinen Pankeinsel, die etwa 15 Morgen groß, damals mit vielen Erlen bewachsen war. In der Nähe der ersten Mühle lag das fürstliche Jagdrevier, 60 Morgen groß, ringsum eingehegt. Hier wurden damals wilde Kaninchen, Fasanen, Hasen und Hühner gehalten.

Wie seine Vorgänger, so liebte es auch König Friedrich I. hier zu jagen, und so kam er 1701, ermüdet von der Jagd, bei der Mühle an und forderte ein Glas Wasser zur Erfrischung.

Im Müllergarten sprudelte eine Quelle, wild, uneingefasst, der dem Müller den Brunnen ersparte. Aus dieser Quelle erhielt der König den begehrten Trunk. Er fand das Wasser trefflich an Geschmack und bemerkte seinen Eisengehalt, ließ das Wasser chemisch untersuchen und die Quelle einfassen.

Die ›Heilquelle‹ wurde bekannt und berühmt, und man trank sein Wasser. Die unscheinbare Quelle an der Panke war über Nacht ein ›Gesundbrunnen‹ geworden. Doch Bäder haben zu allen Zeiten, wenn sie gedeihen wollten, die richtige Reklame nötig gehabt, und so kam auch der Panke-Gesundbrunnen erst dann recht in Blüte, als ein tüchtiger Regisseur sich seiner annahm. Etwas gesund ist ja – mit einziger Ausnahme des magisträtlichen Tegeler Wasserleitungs-Wassers – am Ende jedes Wasser, heilkräftig, kohlensäuerlich, Sool-, Eisen- und Fichtennadelbad wird es immer erst durch den Badearzt.

So auch der ›Gesundbrunnen‹.

Der Arzt Dr. Heinrich Wilhelm Behm, der von fremd her unter dem Alten Fritz nach Berlin gekommen war, gab dem Bad das rechte Ansehen. Er ließ durch das ›Oberkollegium Medikum‹ den Quell untersuchen und konstatieren, dass der Berliner Gesundbrunnen durch seinen Eisengehalt und sein Mittelsalz, dem Glaubersalze ähnlich, einem schwachen Egerbrunnen gleichkomme. Er erbat sich auf dieses Gutachten hin vom König das Land, das nötige Bauholz und die Kalksteine, alles gratis, und baute all das auf, was zu einem rechten Bad nötig ist. Unser Bild auf Seite 80 zeigt uns das Bad in seiner damaligen Gestalt, das Brunnenhaus, das Brunneninspektorhaus, das Bademeisterhaus etc. Ein Garten wurde angelegt und die ganze Gegend mit 120 000 Frucht- und wilden Bäumen bepflanzt, von denen heute noch ein großer Teil in prächtigstem Wuchse blüht und grünt.

Gesundbrunnen bei BerlinDer Gesundbrunnen bei Berlin im Jahr 1760.

Der unternehmende Arzt steckte ein Kapital von 22 000 Taler in seinen Gesundbrunnen, schrieb eine Broschüre 1760, war befreundet mit vielen Ärzten des preußischen Vaterlandes und brachte darum sein Bad in Schwung. In den Jahren 1760 bis 1780 hatte es seine Blütezeit und zu Ehren Friedrichs II. wurde die Anlage ›Friedrichs-Gesundbrunnen‹ getauft.

Damals lieferte die Quelle in jeder Stunde 10 Tonnen Wasser und wurde darum mehr zum Baden als zum Trinken benutzt. Dr. Behm machte gute Geschäfte, er nahm den ganzen Wedding in Erbpacht, verbesserte die Wege, befestigte durch Aussäen von Sandhafer den Flugsand, der stets aufs neue seine Äcker zu verschütten drohte und machte sich auch hierdurch um Berlin verdient.

Nach seinem Tod im Jahr 1780 verwaltete sein Schwiegersohn Derling das Bad, bis es 1795 vom Professor Pein gekauft wurde. Dieser überließ es noch im selben Jahr an Martin Fürstenberg, der es mit einer Unterbrechung bis 1807 besaß.

In dieser Zeit besuchte die Königin Louise den Brunnen häufig, was ganz natürlich einen neuen Aufschwung des Bades herbeiführte. Nach 1807 wechselten die Besitzer schnell, bis im Jahr 1809 Medizinalassessor, Apotheker Flittner den Brunnen kaufte.

Er bat die in Königsberg weilende Königin, dem Bad ihren Namen geben zu dürfen und so wurde denn der ›Friedrichs-Gesundbrunnen‹ ein ›Louisenbad‹.

Anno 1820 kaufte Professor Dr. Graßhof, Direktor des Taubstummen-Instituts, das Louisenbad, unter welchem sich dasselbe noch einmal erhob. 1830 wurde die ganze Besitzung ausgeschlachtet, und die Meierei mit den Ländereien von der Badeanstalt nebst Park und Wiesen getrennt. Das Bad übernahm Ernst Krakau.

Gegenwärtig besitzt Herr Galuschki die noch immer ausgedehnte Besitzung, welche die Nummern 36 – 39 der Badstraße führt.

Einst war das Louisenbad alles, die Umgebung eine dörfliche, jetzt hat der neu entstandene Stadtteil den Kernpunkt selbst etwas in den Hintergrund gedrängt. Über der Quelle im Garten steht noch heute der kleine durch den gegenwärtigen Besitzer mit aller Pietät sauber und geschmackvoll hergerichtete Brunnentempel, leise plätschert das eisenhaltige kühle Wasser in das Bassin und an den Wänden liest man die alten Inschriften, die dem jungen Besucher von früheren Tagen berichten.

Als König Friedrich Wilhelm III. in den Jahren 1832 – 35 die Berliner Vorstädte im Norden mit Kirchen bedachte, als die St. Elisabethkirche in der Invalidenstraße, die Nazarethkirche auf dem Wedding, die St. Johanniskirche in Moabit eingeweiht wurden, da empfing auch der Gesundbrunnen an der Ecke der Bad- und Pankstraße nach einem Plan Schinkels seine St. Paulskirche, und Bischof Dr. Neander hielt am 12. Juli 1835 die Einweihungsrede.

Und da im Sommer 1869 durch die Badstraße der unterirdische Kanal nach der Panke gestochen wurde, um der abschüssigen Straße bei Regen schnellen Abfluss zu schaffen, da sprudelten mit einem Male in dem tiefen Graben unzählige eisenhaltige Quellen empor, so dass man Pumpmaschinen anlegen musste und sich vor dem andringenden Wasser kaum retten konnte. Auch im Deutschen Garten (neben der Adlerbrauerei) floss ein Quell hervor, ebenso im früheren Park. Diese sind seitdem wieder versiegt. Quellklar aber sprudelt noch immer wie vor längstvergangenen Tagen der ›Gesundbrunnen‹ des ehrwürdigen Louisenbades, liefert noch heute 15 – 30 Kubikmeter Wasser in 24 Stunden und ist heute noch so heilkräftig wie vor alter Zeit.

Entnommen aus dem Buch:
Der Verleger und Publizist Emil Dominik reist 1883 mit seinem Freund, dem Künstler Lüders, auf der Berliner Stadt- und Ringbahn ›quer durch und rings um Berlin‹. Dabei werden viele interessante Begebenheiten und Anekdoten aus der Geschichte Berlins und seiner Vororte erzählt.
  PDF-Leseprobe € 14,90 | 118 Seiten | ISBN: 978-3-7562-0185-3

• Auf epilog.de am 13. November 2022 veröffentlicht

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