Berliner Bauwerke

Das Gebäude des Reichs-Justizamtes in Berlin

Voßstraße 4/5

Deutsche Bauzeitung • 5.9.1881

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.

Das im Frühjahr 1880 in Benutzung genommene Haus, ein dreigeschossiger Bau von 17 Achsen Frontlänge, besteht aus einem Vorder- und einem Hintergebäude, die durch zwei Flügel derart verbunden werden, dass neben zwei kleineren, seitlichen Höfen ein mittlerer quadratischer Hof sich ergeben hat. Das Erdgeschoss und das 1. Obergeschoss enthalten Geschäftsräume (die des Erdgeschosses werden interimistisch von dem preußischen Handels-Ministerium benutzt); das 2. Obergeschoss ist in seiner ganzen Ausdehnung zu einer etwa 30 Räume umfassenden Dienstwohnung des an der Spitze des Reichs-Justiz-Amts stehenden Unterstaats-Sekretärs eingerichtet worden. Wenn letzteres bekanntlich das besondere Missfallen des Reichskanzlers erregt und ihn zu den herbsten Anklagen gegen den leitenden Architekten des Baues veranlasst hat, so dürfte unsererseits nach der Besichtigung des Baues die sachliche Berechtigung dieser Kritik kaum Anfechtung erfahren, wenn es auch seltsam bleibt, dass diese allein gegen den in Bezug auf die Feststellung des Bauprogramms gewiss nicht selbstständigen Baubeamten gerichtet werden konnte.

Die Ausgestaltung des Hauses im Äußeren und Inneren steht in Bezug auf Monumentalität und künstlerische Durchführung durchaus auf der Höhe dessen, was man in neuerer Zeit wiederum als eines zur Repräsentation des Staates bestimmten Gebäudes würdig erkannt hat und trotz des Widerspruchs von mancher Seite hoffentlich auch festhalten wird.

Die in echtem Werkstein-Material und in sicherer Beherrschung des Details ausgeführte imposante Fassade an der Voßstraße schließt sich eng an das Vorbild italienischer Palastfronten der Hochrenaissance an. Sehr glücklich für die Gesamtwirkung ist die aus dem Grundriss abgeleitete Gruppierung der Front in einen mittleren Hauptteil von etwas größerer Höhe und zwei schmale (im oberen Teil vielleicht etwas zu kleinlich detaillierte) Seitenbauten, welche letztere die mit prachtvollen schmiedeeisernen Gittern geschmückten Portale des Hauses enthalten. Die Fronten des mittleren Schmuckhofes sind in einer Kombination von Werkstein und gelben Greppiner Ziegeln, die Fronten der Seitenhöfe ganz in letzterem Material durchgeführt.

Im Inneren sind zunächst die zugleich als Durchfahrten nach den beiden Seitenhöfen dienenden Vestibüle und die an sie anschließenden Haupt-Treppenhäuser zu erwähnen. Die Ausbildung derselben in strengen architektonischen Formen unter reicher Verwendung echten Werkstein-Materials und kunstvoller Schmiedearbeiten, jedoch unter Verzicht auf farbige Dekoration ist eine sehr vornehme. Die westliche als Hauptzugang zur Wohnung des Unterstaats-Sekretärs dienende seitlich beleuchtete Treppe, durch offene Bogenstellungen auf je zwei Säulen mit dem hinter ihr liegenden Flur verbunden, erscheint äußerlich ganz massiv ausgeführt mit steinernem Geländer auf steinernen Wangen, die mit der Wand durch einhüftige Tonnen verbunden sind; die Flächen der letzteren sowie der Flur- und Deckengewölbe sind von Otto Lessing mit dem reizvollen Schmuck von Flachornamenten im Stil der Früh-Renaissance versehen worden, die nach Weise der alten Meister an Ort und Stelle aus dem Stuck modelliert wurden; leider scheint das technische Verfahren nicht das richtige gewesen zu sein, da schon umfangreiche Reparaturen notwendig geworden sind. Die östliche durch Oberlicht beleuchtete Treppe ist wesentlich einfacher, aber nicht minder stattlich auf sichtbaren Eisenwangen mit schmiedeeisernem Geländer durchgeführt.

Die Errichtung der Geschäftsräume in den beiden Untergeschossen gibt zu besonderen Mitteilungen wenig Veranlassung. Gegenüber der sonstigen Opulenz des Baues fällt es allerdings auf, dass man im Vorderhaus einen schwach beleuchteten Mittelkorridor angelegt hat und dass es an Nebenräumen fehlt; dass z. B. 10 Kanzleidiener auf einen nur durch Gas zu beleuchtenden Raum von etwa 3 m im Quadrat angewiesen sind, dürfte als zulässig nicht betrachtet werden können. Die dekorative Ausstattung der Sitzungssäle ist eine durchaus angemessene, aber nicht gerade hervor tretende.

Desto bedeutsamer gestaltet sich dieselbe in den Repräsentations-Räumen der oberen Dienstwohnung, welche das gesamte Vorderhaus umfassen. Reich reliefierte und gemalte Stuckdecken, mehrfach auch echte Holz-Plafonds mit entsprechenden Paneelen, schöne Parkett-Fußböden, prächtige Kamine und kostbare Tapeten, endlich sogar vereinzelt der Schmuck künstlerisch hervor ragender Wandgemälde vereinen sich – mag das Einzelne auch nicht immer gleich gelungen sein – zu einem sehr ansprechenden, zugleich prunkvollen und behaglichen Ganzen, das die Hand eines gestaltenden Künstlers überall erkennen lässt – zu einem Ganzen freilich, das auch in Bezug auf die Möblierung der Räume Ansprüche stellt, denen nicht jeder zum Inhaber dieser Wohnung berufene Beamte nachzukommen im Stande sein dürfte. Dass man unter den Ausstattungs-Stücken so manchem begegnet, das bereits auf kunstgewerblichen Ausstellungen einen Ehrenplatz behauptete, ist eine nur erfreuliche Tatsache. Die erste Stelle unter den Räumen der Wohnung behauptet ohne Zweifel der Speisesaal, dessen Wände Paul Meyerheims Künstlerhand mit drei farbenprächtigen, durch eine Fülle des mannigfaltigsten Getiers belebte Park- und Gartenlandschaften geschmückt hat, die zu den besten Werken des Meisters gehören. Ein hohes Eichen-Paneel, eine kräftige Holzdecke, ein gewaltiger – wohl zu gewaltiger – Steinkamin vollenden den stimmungsvollen Eindruck des Raums. Erheblich weniger gelungen ist der benachbarte Tanzsaal, dessen schwere Stuckdecke zu der glatten mit figürlichen Gemälden geschmückten Stichkappen-Voute und dem flachen Relief der durch Stuckmarmor-Pilaster auf Marmorsockel geteilten Wände nicht recht stimmen will. Auch ist der Schöpfer jener Gemälde, Aug. von Heyden, nicht so glücklich gewesen, wie Meyerheim; die Figuren sind etwas hart in der Farbe ausgefallen und dem Rahmen nicht genügend angepasst.

Der Entwurf und die Ausführung des Baus ist unter der oberen Leitung des Geh. Regierungsrats von Mörner bewirkt worden. Letzterer stand Architekt Stroh vor, während der künstlerische Teil des Baues wesentlich der Mitwirkung des Architekten Herrmann Stiller, z. Z. Direktor der Kasseler Kunst- und Gewerbeschule, zu danken ist. Nach dessen Fortgang von Berlin hat an der Durchbildung des Inneren, namentlich an der Detaillierung der von Ed. Puls ausgeführten Schmiedearbeiten, noch Architekt H. Seeling teilgenommen.

• Auf epilog.de am 10. Februar 2024 veröffentlicht

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