Verkehr – Fernmeldewesen
Über eine der interessantesten Erfindungen in der elektrischen Telegrafie
von Adolf Paalzow
Westermanns Monatshefte • Oktober 1857
Seitdem es dem Scharfsinn und dem unermüdlichen Fleiß mehrerer ausgezeichneter Männer gelungen ist, die schwierige Aufgabe zu lösen, zwischen zwei Orten, die nur durch einen Drahtweg verbunden sind, gleichzeitig, also durcheinander von einem Orte zum andern zu telegrafieren, hat sich das Interesse des größeren Publikums wiederum den Fortschritten der Telegrafie zugewendet, und der Naturforscher kommt dadurch in die angenehme Lage, sich auch mit Laien über seine Lieblingswissenschaft unterhalten zu können. Die Freude darüber fließt aus dem Gedanken, dass er dadurch beiträgt, die Hauptresultate der Naturwissenschaften zu einem Gemeingut aller zu machen, so dass auch jeder Gebildete eine Übersicht behält, wie reich die Natur an Schätzen und Kräften ist, und welche Fortschritte gemacht werden, um sie zum Wohle aller zweckmäßig zu verwenden. In der angegebenen Absicht ist der nachfolgende Aufsatz geschrieben.
Ein einfacher Kupferdraht, wie man sie scheinbar harmlos und von ihrer eigenen Last gebeugt an Eisenbahnen über Mauern und Ströme aufgespannt sieht, hört aus harmlos zu sein und wird ein mit höheren Kräften ausgerüstetes Wesen, wenn man seine Enden, das eine mit einem Stückchen Kohle das andere mit Zink, die beide in verdünnte Schwefelsäure tauchen, in Verbindung bringt. Im Bunde mit diesen an und für sich ebenso unschuldigen Gesellen wie er selbst, kann er zünden wie der Blitz, leuchten wie die Sonne, Elemente, innig miteinander verbunden, trennen, Riesen umwerfen, Gelähmte wieder aufrichten, die Magnetnadel aus ihrer gewohnten Lage ablenken, und ein unwirksames Stück weichen Eisens zu einem kräftigen Magneten machn.
Die Kraft, diesen ähnliche Wirkungen hervorzubringen, scheint ihm von der Batterie, wie man die Verbindung von Kohle, Zink und Schwefelsäure nennt, zuzufließen; denn von ihr getrennt hört augenblicklich jede Wirkung auf, im Moment der Verbindung verbreitet sie sich fast augenblicklich durch den wenn auch Hunderte von Meilen langen Draht, so dass er an jeder Stelle fähig ist, die angegebenen Erscheinungen zu zeigen. Auch in Nebendrähte lässt er sich verzweigen, und jede Nebenleitung erhält einen ihr angemessenen Teil des Ganzen. Wie durch den Schlag des Herzens das Blut in die Adern in vorbestimmter Menge hin und wieder zurückgetrieben wird, oder besser, da das Herz dem Willen nicht unterworfen ist, wie wenn der Wille gebeut, ein Etwas die Nerven durchströmt, so dass die Organe sich bewegen müssen, so lässt sich der elektrische Strom regieren, es bedarf nur eines Herabsenkens des Schlüssels, so nennt der Telegrafist ein Stückchen Metall, und im Nu geschieht die vorbereitete Wirkung, und wieder eines Hebens desselben und unbewegt bleibt alles.
Die Geschwindigkeit der Fortpflanzung hat der elektrische Strom zwar mit dem Licht gemein, aber dieses verbreitet sich nach allen Richtungen im Raum und wird gehemmt durch Einflüsse, die nicht in des Menschen Gewalt stehen; dem galvanischen Strom kann sein Bett auf das Genaueste angewiesen werden, nur wo der Metalldraht ist, da kann er seinen Weg nehmen, aber hier ist er auch sicher eingebettet. Außer dem Metall ist es auch hier wieder die gütige Mutter Erde, welche einen großen Dienst leistet; man senkt die Enden des durchschnittenen Drahtes mittelst großer Kupferplatten in ihre Tiefe und sie besorgt ohne Widerstand seine Beförderung.
Fig. 1Wie man den Draht leitet und was man ihn tun lässt, um mit Blitzesschnelle zu all den Orten, die er berührt, Nachricht zu bringen, davon soll Fig. 1 eine ungefähre Idee geben.
A und A¹ stellen weiches Eisen dar, welches vom Draht umwunden zum Elektromagnet wird, darüber schwebt der Anker, ein Stück weiches Eisen an einem Hebelarm befestigt und durch eine Feder vom Elektromagnet ferngehalten. B und B¹ sind die Schlüssel am Brettchen mit zwei Metallkegeln und einem metallischen Hebel, C und C¹ die Batterien, E und E¹ die Kupferplatten, welche die Drahtenden zur Erde leiten.
Man sieht, dass der Strom jetzt nicht geschlossen ist; fallen aber die Schlüssel B und B¹, auf 1 und 2, so ist der Strom der Batterie C geschlossen, beide Anker werden angezogen, d. h. A gibt an A¹ ein Zeichen. Ließe man den Stift des Ankers gegen einen Streifen Papier drücken, so schriebe A an A¹, einen Punkt, wenn er nur einen Augenblick niederdrückt, einen Strich, wenn etwas länger. Punkt und Strich lassen sich beliebig oft und in beliebiger Reihenfolge wiederholen und können so die Stelle von Buchstaben vertreten. Fallen die Schlüssel auf 3 und 4, dann ist der Strom der Batterie C¹ geschlossen und A¹ schreibt an A.
Sie können aber nur nacheinander schreiben, würde bei B der Schlüssel mit 1 und 2 zusammenfallen und bei B¹ mit 3 und 4, dann würden beide Ströme durcheinandergehen und dabei eine Störung in der Wirkung jedes Einzelnen hervorgebracht werden.
Diese Störung zu beseitigen, benutzt man die uns schon bekannte Eigenschaft des Stroms, dass er sich verzweigen lässt, und die Tatsache, dass wenn man den Draht rechts um das weiche Eisen wickelt, der entgegengesetzte Magnetismus erregt wird, wie beim Umwinden links herum; geschieht beides zu gleicher Zeit, so bleibt das weiche Eisen ganz unmagnetisch und übt daher gar keine Wirkung aus.
Fig. 2Das Gleichgewicht an einer Waage wird bekanntlich nicht gestört, wenn man beide Waagschalen mit gleichen Gewichten belastet; und ein durch eineinseitiges Gewicht hervorgebrachter Ausschlag wird nicht geändert, wenn man nachher noch auf beide gleiche Gewichte legt.
Umwickelt man daher den Elektromagneten doppelt aber nach entgegengesetzten Richtungen und drückt nun in Fig. 2 A den Schlüssel von 1 auf 2 und A¹ auch von 1 auf 2, dann wird der Elektromagnet A gar nicht bewegt, da ihn zwei gleiche und entgegenwirkende Kräfte wirken, dagegen wird der Anker A1 angezogen, da bei ihm jetzt beide Umwindungen in demselben Sinn durchflossen werden. Umgekehrt würde es sein, wenn A¹ schlösse. Liegt aber nun in A der Schlüssel aus 1 und 2 und in A1 auf 3 und 4, dann gibt A seinem Magneten zwei gleiche aber sich aufhebende Kräfte, es wirkt aber der Teil von A¹, und A¹ gibt sich ebenfalls zwei gleiche aber entgegengesetzte Kräfte und erhält die Wirkung von A, und somit können also ungestört beide zugleich arbeiten. Wir schließen diese Mitteilung, indem wir die Männer nennen, denen die Ehre der Erfindung und praktischen Ausführung gebührt. Der K. K. österreichische Telegrafendirektor Dr. W. Gentl in Wien stellte und löste zuerst die Aufgabe im Jahr 1833. Vollkommenere Apparate wurden 1854 hergestellt vom Telegrafen-Ingenieur Frischen in Hannover und von den Herren Siemens und Halske in Berlin und gleichzeitig mit ihnen vom schwedischen Professor Edland.