Forschung & Technik – Antriebe & Motoren
Ein selbstangehender Benzinmotor
Allgemeine Automobil-Zeitung • 7.1.1900
Das Ankurbeln der Benzinmotoren ist bekanntlich eine jener nicht gerade angenehmen Beigaben des Automobils, die wir Chauffeure resigniert unter die »prinzipiellen Unannehmlichkeiten des Benzinmotors« zu registrieren pflegen.
Unsere Leser werden daher mit zweifellosem Interesse die Nachricht vernehmen, dass es der in der Kleinmotorenbranche bestbekannten Firma Dawson in Canterbury gelungen ist, einen Automobilmotor – Viertaktsystem für Benzin – zu konstruieren, der von selbst angeht und obendrein sich noch in Verschiedenen anderen Punkten seiner Betriebsweise der Dampfmaschine nähert.
Der Dawson-MotorDas Wichtigste ist jedenfalls, dass der Motor ohne Ankurbelung angeht. Wie man das macht, hat vor rund sechs Jahren der bekannte Erfinder Diesel gelehrt und Dawson war gelehrig genug, dies nachzumachen; er erzeugt nämlich mit dem Arbeitskolben, der als Differentialkolben ausgebildet ist, in einem eigenen Kompressorzylinder Druckluft mit einer Pressung von drei bis ca. sieben Atmosphären, welche in einem eigenen Druckluftbehälter aufgespeichert wird. Mit dieser aufgespeicherten Kraft kann der Motor jederzeit durch einen Fingerdruck angelassen werden. Während der Fahrt kann die Leistung des Motors bedeutend erhöht werden, indem man die Druckluft im Arbeitszylinder mitarbeiten lässt. Ein normal sechspferdiger Motor kann dadurch leicht auf 8 und 10 Pferdekräfte gebracht werden, ja man will sogar schon 12 ½ Pferdekräfte gebremst haben. (Der Druckluftbehälter wiegt leer nur ca. 14 kg, inkl. Druckluft ca. 20 kg und ist in 1 bis 2 Minuten aufgepumpt.)
Die Kombination des Arbeitskolbens mit einem Kompressorkolben ermöglicht die wirksamste Motorbremse beim Bergabfahren; man lässt den letzteren einfach Luft pumpen. Dadurch wird Kraft zurückgewonnen, analog wie durch Rückladung in die Akkumulatorenbatterie beim Elektromobil, wobei der Elektromotor zum Dynamo wird.
Durch Anbringung eines umsteuerbaren Excenters für die Steuerung des Kompressorschiebers ist der Motor nach Belieben für Vorwärts- oder Rückwärtsfahrt anzulassen; dadurch ist seine Reversierbarkeit erreicht.
Es ist bei diesem Motor nicht nötig, ihn beim Anhalten ausgerückt fortlaufen zu lassen, er wird einfach abgestellt und zum Weiterfahren durch einen Fingerdruck aufs Druckluftventil wieder angelassen.
Die künstlich erhöhte, verdoppelte Luftmenge im Arbeitszylinder durch das Einpumpen vom Kompressor aus ermöglicht, eine entsprechend größere Benzinmenge zu verarbeiten und eine bedeutend höhere Leistung zu erzielen. Der Kompressionsdruck steigt dabei von normal 5 auf 8 Atmosphären und darüber.
Die Tourenzahl per Minute ist von 300 bis 800 variabel durch Regulierung der Benzinpumpe.
Das Benzin wird durch eine eigene kleine Pumpe in den Zylinder gespritzt, ein Vergaser ist nicht vorhanden. – Das Benzin bleibt bis zum Eintritt in den Zylinder von der Luft durchaus abgeschlossen. – Der Gang des Motors wird auch durch die Witterung oder die Temperatur in keiner Weise beeinflusst, ebenso nicht durch den Stand des Benzins im Reservoir.
Die Zündung ist eine magnetelektrische; der Magnetinduktor wiegt ca. 4 kg.
Wie schwer der Motor ist, wird nicht angegeben; jedenfalls ist sein Gewicht sowie seine Höhe (er ist vertikal angeordnet) bedeutend größer, als von gewöhnlichen Benzinmotoren gleicher Normalleistung; dazu kommt ein jedenfalls größerer Verbrauch an Kühlwasser durch den Kompressor.
Trotz alledem würde dieser Motor, wenn sich alle diese angeführten Vorteile wirklich sicher und dauernd einstellen, für automobile Zwecke geeignet, ja selbst der Dampfmaschine ein gefährlicher Konkurrent sein, denn er braucht keinen Dampfgenerator, für den eine betriebssicherere und dauerhaftere Konstruktion für Automobile überhaupt noch nicht gefunden ist.
• Professor Czischek