DaseinsvorsorgeWasserwirtschaft

Die Wasserleitung der Stadt Leipzig

Von Wilhelm Hamm

Die Gartenlaube • 1866

Voraussichtliche Lesezeit rund 13 Minuten.

Am 1. Januar 1866 hat die Stadt Leipzig ein Geschenk erhalten, auf welches sie stolz sein darf: es ist ihr an diesem Tage die neue Wasserleitung übergeben worden. Zwar fehlte und fehlt es der Stadt keineswegs an Wasser, sie liegt mitten in einem engmaschigen Flussnetz, welches ihr nicht selten mehr davon zukommen lässt, als sie gebrauchen kann, besitzt viele vortreffliche Brunnen und außerdem zwei sogenannte Wasserkünste, welche, durch die Stromkraft betrieben, das Flusswasser der Pleiße in die Stadt verteilen. Nichtsdestoweniger waren Rat und Stadtverordnete Leipzigs einstimmig der Ansicht, dass die Beschaffung eines wirklich guten Wassers eine der ersten Aufgaben der Wohlfahrtspolizei und ein Zuviel in dieser Hinsicht gar nicht denkbar sei. So entstand mit Rücksicht auf das von Jahr zu Jahr in außergewöhnlichem Maße steigende Wachstum der Stadt und ihrer Bevölkerung die neue Wasserleitung. Sie ist so musterhaft angelegt und ausgeführt, dass ihre Beschreibung einen Ehrenplatz in der Gartenlaube verdient, anderen Städten und deren Behörden zur Beherzigung und Nacheiferung!

Den Segen guten Wassers in ausreichender Menge recht würdigen lernt nur der, welcher ihn längere Zeit hindurch hat entbehren müssen. In den starkbevölkerten Städten steht nur allzu häufig neben dem ›Tod in der Luft‹ der ›Tod im Wasser‹! Seit Jahrhunderten hat sich der Erdboden vollgesogen mit Fäulnisstoffen der Auswürfe, welche von der Feuchtigkeit der Niederschläge und dem Grundwasser weiter gespült werden, bis sie aus den durchlassenden Untergrundschichten in die Brunnen sickern, welche, von gewöhnlichen Handarbeitern ohne Kenntnis und Überlegung ausgeführt, sich meistens allzu nahe an den Herden jener Krankheitserreger befinden. Eine dauernde Brunnenvergiftung tritt ein, gegen die es kein Mittel gibt. Der Mensch isst und trinkt den Tod in dem Wasser, das er zum täglichen Gebrauche schöpft. Es ist durch die neuesten Forschungen bis zur Überzeugung erwiesen, dass das Grundwasser der Träger und Verbreiter der Krankheitsstoffe der Cholera, des Typhus ist; die Wenigsten wissen, dass auch die Eingeweidewürmer mit größter Wahrscheinlichkeit durch das Brunnenwasser in den menschlichen Körper gelangen. Das sicherste Mittel gegen den Tod im Wasser sind aber die Wasserleitungen. Das haben schon die Alten erkannt, vor allen Andern die Römer. Noch heute zeugen in Italien und Iberien, am Propontis und am Rhein mächtige Trümmer von der Großartigkeit ihrer Aquädukte.

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Im Januar 1866 wurde der Stadt Leipzig die neue Wasserleitung übergeben worden. Zwar fehlte es der Stadt keineswegs an Wasser. Rat und Stadtverordnete Leipzigs waren aber der Ansicht, dass die Beschaffung eines wirklich guten Trinkwassers eine der ersten Aufgaben der Wohlfahrtspolizei und ein Zuviel in dieser Hinsicht gar nicht denkbar sei. So entstand mit Rücksicht auf das von Jahr zu Jahr in außergewöhnlichem Maße steigende Wachstum der Stadt und ihrer Bevölkerung die neue Wasserleitung.
eBook € 0,99 | eISBN: 978-3-7431-1481-4

• Auf epilog.de am 10. März 2023 veröffentlicht

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