VerkehrNahverkehr

Die schiefe Ebene von Pittsburgh

Das Neue Universum • 1881

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.
schiefen Ebene von PittsburghDrahtseilbahn auf der schiefen Ebene von Pittsburgh.

Die Stadt Pittsburgh im nordamerikanischen Unionsstaate Pennsylvanien liegt auf einer Landzunge zwischen zwei Flüssen, dem Alleghany und dem Monongahela, welche sich hier vereinigen, um den Ohio zu bilden. Schon durch diese günstige geografische Lage, welche den Wasserweg nach dem Herzen der Vereinigten Staaten öffnet, hat Pittsburgh für den Handelsverkehr ganz besondere Vorteile. Dazu kommt, dass die Stadt in einem der reichsten Kohlenreviere der Union und am südlichen Rand eines sehr mächtigen Petroleumdistrikts liegt. Dadurch ist Pittsburgh das Zentrum einer sehr ausgedehnten Industrie geworden und die Stadt verdient den Spottnamen Smoke-City, Rauchstadt, ähnlich wie Cincinnati im Staat Ohio, Porkopolis (Schweinestadt) genannt wird, wegen der vielen daselbst geschlachteten Schweine, deren Fleisch und Fett über die ganze Erde verbreitet wird. Doch heißt Pittsburgh auch die Eisenstadt, weil fast 600 Hochöfen für die Gewinnung dieses Metalls in Betrieb sind; Eisenbahnmaterial und Maschinen werden in ungeheuren Mengen hergestellt und 20 000 Arbeiter finden dabei Beschäftigung; außerdem sind über 34 000 Arbeiter in Hunderten von anderen Fabriken tätig.

Als hier Fulton 1816 sein erstes Dampfboot vom Stapel ließ, war Pittsburgh nur ein kleines Dorf, aber selbst für amerikanische Zustände ist sein Anwachsen außerordentlich rasch, da es jetzt etwa 100 000 Einwohner zählt. Diese Zahl wird noch wesentlich größer, wenn man die Bewohner von Alleghany dazu zählt, das nur durch den Fluss von Pittsburgh getrennt ist. Unter denselben sind sehr zahlreiche Deutsche.

Da das Flusstal in kleiner Entfernung von der Stadt durch den 120 m hohen Washingtonberg eingeengt wird, so war sie genötigt, sich selbst auf diesem weiter auszudehnen. Aber die Seiten gegen die älteren Stadtteile sind sehr steil abfallend und es wurde deshalb erforderlich, mechanische Vorkehrungen zur Erleichterung des Verkehrs zwischen beiden Stadtteilen zu ersinnen und auszuführen. Unsere Abbildung zeigt eine der vier schiefen Ebenen, durch welche die steilen Abstürze des Mount Washington überwunden wurden. Sie bildet eine ganz gerade Linie auf eine Länge von 241 m und hat die beträchtliche Neigung von 30,5 Grad.

Oberen HaltestelleAnkunft des Wagens an der oberen Haltestelle der Drahtseilbahn.

Der Aufzug wird durch eine stehende Maschine auf der oberen Plattform mit Hilfe eines Drahtseils bewirkt; während ein Wagen aufwärts gezogen wird, bewegt sich ein anderer abwärts. Dadurch wird natürlich wesentlich an Kraft gespart. Die schiefe Ebene ruht teilweise auf Stützen, welche teils in den übersteilen Abhang, teils in den Talboden eingelassen sind. Daneben bleibt genügender Raum für einen Viadukt, der von einer Eisenbahn benutzt wird. Doch sind die Waggons, die auf diesem eigentümlichen Verkehrsweg auf und ab befördert werden, noch viel eigentümlicher und von den in anderen Ländern üblichen ganz verschieden. So schmiegt sich z. B. der Wagen, der die  Vesuvbahn befährt, in seiner Gestalt der geneigten Ebene an und ist auch schief gebaut. Anders aber bei der Pittsburgher schiefen Ebene. Er ist, ganz horizontal gebaut, und nur das Untergestell für die Räder richtet sich nach der Neigung der zu befahrenden schiefen Ebene. Dadurch entsteht aber zwischen dem Wagen und den Rädern ein großer freier Raum, welcher dazu dient, das Gepäck unterzubringen. In jedem Wagen sind 25 Sitzplätze.

Das Seil, an welchem die Wagen hängen, ist aus Stahldraht und 274 m lang. Ohne dass es zerreißt, könnte die angehängte Last zehnmal so groß sein, als sie wirklich ist. Aber sollte durch irgendeinen unvorhergesehenen Unglücksfall das Seil doch zerreißen, oder sich nur außergewöhnlich stark in die Länge ziehen, so ist ein zweites Sicherheitskabel vorhanden, welches sich mit dem eigentlichen Lastseil abwickelt und welches augenblicklich in Tätigkeit treten würde, wenn das Hauptseil seine Schuldigkeit zu tun versagte. Es ist also für hinreichende Sicherheit gesorgt.

Die stehende Maschine an dem oberen Ende der schiefen Ebene wickelt das Seil auf eine Walze von 50 cm. Durchmesser, deren Umfang mit Rinnen versehen ist. Natürlich wird auch unterwegs auf der schiefen Ebene das Seil von Rollen getragen.

Kein Beamter begleitet den Wagen; er behält seinen Platz im Büro am oberen Ende der schiefen Ebene, von welchem aus er dieselbe vollkommen übersehen kann; durch eine einfache Hebelbewegung hält er das Rollen des Wagens auf, oder veranlasst die entgegengesetzte Bewegung. Diese wird überhaupt durch eine Dampfmaschine von 70 PS hervorgebracht.

In zwei Minuten ist der Weg zurückgelegt und die Fahrt kostet 24 Pfennig. In zwei Jahren wurden 50 000 Menschen damit befördert, aber niemals ist bis jetzt irgendwelches Unglück vorgekommen.

• Auf epilog.de am 26. Februar 2023 veröffentlicht

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