Forschung & TechnikErfindungen & Patente

Der verbesserte Phonograph von Edison

Prometheus • 1889

Voraussichtliche Lesezeit rund 5 Minuten.

Zehn Jahre sind verflossen, seit Edison mit seiner epochemachenden Erfindung des Phonographen an die Öffentlichkeit trat. Schon in seiner ersten Form erregte dieses Instrument die allgemeinste Aufmerksamkeit und Bewunderung, indessen war es noch so unvollkommen, dass es keinen anderen Wert besaß, als den, den Beweis geführt zu haben, dass es möglich sei, Töne aller Art und auch die menschliche Stimme und Sprache auf mechanischem Wege zu fixieren und nach Willen aufs Neue hervorzubringen. Der alte Phonograph verschwand von der Bildfläche, nachdem er eine Zeit lang das Tagesgespräch gebildet hatte, und man war allgemein überzeugt, dass eine weitere Vervollkommnung unmöglich sei. Inzwischen arbeitete der große Amerikaner ruhig und unentwegt weiter, indem er alle Hilfsmittel seines großartigen Laboratoriums auch in den Dienst dieser Erfindung stellte. Jetzt endlich ist der verbesserte Phonograph eine vollendete Tatsache‚ und wir freuen uns, im Nachstehenden einige Nachrichten über seine Konstruktion unseren Lesern geben zu können.

Das Prinzip des neuen Phonographen ist genau dasselbe, welches auch bei dem alten Instrument zur Anwendung gekommen war. Zur Erklärung desselben sei hier kurz die Konstruktion des alten Phonographen aufs Neue beschrieben.

Eine elastische Membran, aus dünnem Stahlblech oder aus einer tierischen Haut gebildet, ist zur Aufnahme der von der Luft fortgetragenen Schallwellen bestimmt und trägt in ihrer Mitte einen kleinen Stift, welcher die Vibrationen der Membran natürlich mitmacht. Dieser Stift schleift auf einem aus weichem Material gebildeten Zylinder, welcher sich dreht und dabei gleichzeitig durch eine Schraube in der Richtung seiner Achse verschoben wird. Dieser Zylinder besteht bei der alten Konstruktion aus Stanniol, welches auf einem gekerbten Holzzylinder aufgewickelt ist. Der an der Membran befestigte Stift erzeugt bei seiner Bewegung Eindrücke verschiedener Stärke auf dem Zylinder. Lässt man nun später diesen Zylinder abermals unter der Membran durchrotieren, so wird diese in dieselben Schwingungen versetzt, welche sie ursprünglich bei der Aufnahme der Töne durch die Schallwellen erhalten hatte. Es kommen so die gleichen Töne wieder zum Vorschein oder mit anderen Worten: die ursprünglich aufgenommenen Laute werden von der Membran selbstständig wieder vorgetragen. Der alte Phonograph erzeugte auf diese Weise Töne, deren Klangfarbe allerdings den ursprünglich aufgenommenen sehr ähnlich war, welche aber viel schwächer und dabei von einem eigentümlichen quietschenden Ton begleitet waren. Dieser Letztere verdankte seine Entstehung dem Schleifen des Stiftes auf dem Stanniol.

Thomas A. EdisonEdison und der verbesserte Phonograph.

Die neue Konstruktion hat nun alle diese Übelstände überwunden. Zunächst hat sie zwar die Stärke der Töne nicht erhöht, aber zu ihrer Hörbarmachung ein Hilfsmittel herangezogen, welches zweifellos auch schon für die alte Konstruktion von großem Nutzen gewesen wäre, wenn man daran gedacht hätte, es in Anwendung zu bringen. Edison begnügt sich heute nicht mehr damit, die Töne seines Instrumentes frei in die umgebende Luft hinauszuschicken, sondern er fängt dieselben auf durch einen kleinen Metalltrichter, den er über der Membran angebracht hat, und leitet sie aus diesem Trichter fort durch verzweigte Gummischläuche zu den Ohren seiner Hörer. 5 – 6 Personen können gleichzeitig die von dem Instrument erzeugten Töne in sich aufnehmen, indem jede derselben in beide Ohren die gabelförmigen Enden des die Töne fortleitenden Gummischlauches hineinsteckt. Ohne diese Gummischläuche erzeugt auch der neue Phonograph nur ein undeutliches quietschendes Geräusch. Dass aber dieses Geräusch in der Tat eine höchst genaue Reproduktion dessen ist, was der Phonograph in sich aufgenommen hat, erfährt man alsbald, wenn man sich der Hörschläuche bedient. Reden, Gesänge mit Klavierbegleitung, ganze Orchestervorträge werden mit der größten Deutlichkeit wiedergegeben, so dass man jedes einzelne Instrument in naturnaher Klangfarbe wiedererkennt. Um nun diesen Zweck zu erreichen, war es vor allem notwendig, dem Instrument selbst eine solche Genauigkeit und Präzision der Wirkung zu erteilen, dass es jedem Eindrucke folgte und auch jeden Eindruck scharf wiedergab. Dieses wurde erreicht

  1. durch Anwendung eines abgeänderten Zylinders,
  2. durch Benutzung einer vollkommen elastischen und gleichmäßigen Membran,
  3. durch eigenartige Konstruktion des die Membranbewegungen übertragenden Stiftes und endlich
  4. durch einen höchst gleichmäßigen Bewegungsmechanismus.

Was diesen Letzteren anbelangt, so besteht derselbe aus einem kleinen Elektrometer, welcher von einer unter dem Tisch befindlichen Batterie gespeist wird und eine kleine Welle in sehr schnelle, gleichmäßig drehende Bewegung versetzt. In diese Welle ist ein feines Schraubengewinde eingeschnitten, so dass sie sich bei jeder Umdrehung um ein Geringes in der Achsenrichtung verschiebt. Auf diese Welle wird der empfängliche Zylinder aufgesteckt. Derselbe besteht nicht mehr aus mit Stanniol überzogenem Holz, sondern nur aus einer harten Masse, welche durch Zusammenschmelzen von Wachs, Seife und anderen Ingredienzien erhalten wird. Diese Masse ist gegen äußere Eindrücke ziemlich unempfindlich, die aus ihr bestehenden Zylinder können daher ziemlich energisch angefasst und auch versandt werden. Dagegen ist die Masse sehr empfindlich gegen schneidende Instrumente, sie nimmt äußerst feine Schnitte an und lässt sich auf der Drehbank zu sehr gleichmäßigen glatten Zylindern abdrehen. Auf diese Eigenschaften gegründet ist nun auch die Form des die Inschrift hervorbringenden Stiftes abgeändert worden. Derselbe ist nicht mehr eine bloße Spitze, die sich in das Material des Zylinders eindrückt, sondern ein den Bewegungen der Membran folgender sehr kleiner Grabstichel, der das Bild der Töne in den Zylinder hineinschneidet, was man schon daraus ersehen kann, dass bei edler Aufnahme der Töne große Mengen von Spänen von dem Zylinder abfallen. Ist die Aufnahme beendet, so werden die Späne mittelst eines Pinsels abgebürstet, gerade so, wie man dies von Zeit zu Zeit bei Herstellung einer gestochenen Kupferplatte zu tun pflegt. Die wichtigste Neuerung an dem Phonographen aber ist die die Töne aufnehmende Membran selbst. Für diese hat Edison jetzt das einzige Material in Anwendung gebracht, von dem wir sagen können, dass es durch und durch gleichmäßig und vollkommen elastisch ist, nämlich das Glas. Die neue Membran besteht aus einer sehr dünnen, tadellos ebenen und gleichmäßig gekühlten Glasplatte, in deren Mittelpunkt das erwähnte grabstichelartige Instrument aufgekittet ist.

Zehn Jahre sind erforderlich gewesen, um diese scheinbar kleinen Abänderungen zu erfinden. Chemie, Mechanik, Elektrotechnik haben ihre Hilfsmittel dazu hergeben müssen, aber der Erfolg ist auch kein geringer. Während das alte Instrument nur eine wissenschaftliche Spielerei war, bietet sich für das neue eine unabsehbare Fülle von Anwendungen. Am nächstliegenden ist der Gebrauch des neuen Phonographen im Geschäftsverkehr: Briefe können mittelst desselben gesprochen werden und mit der Stimme des Redners dem Empfänger zugehen. Die Vorträge großer Künstler sterben nicht mehr mit diesen, sondern sie können in unvergänglicher Form der Nachwelt aufbewahrt werden. Parlamentsdebatten und musikalische Vorstellungen können reproduziert werden, wobei selbst der Applaus und das Bravo der Hörer nicht vergessen wird. Kurz, der Anwendungen sind so viele, dass es genügt das Instrument zu sehen, um an immer neue zu denken. Bereits ist eine Gesellschaft im Entstehen, welche auch für Deutschland die Ausnutzung der Edisonschen Erfindung beabsichtigt, und die allgemeine Einführung des Phonographen ist nur noch eine Frage der Zeit.

• Auf epilog.de am 15. Januar 2023 veröffentlicht

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