Berliner Bauwerke

Der Neubau der
Kgl. Kunst- und Gewerk-Schule

Klosterstraße 75
Architekten Gropius & Schmieden

Deutsche Bauzeitung • 1.1.1881

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.

Der 1878 begonnene Bau der Kunst- und Gewerkschule hat für dieses bisher in dem Gebäude der Kgl. Kunst-Akademie mit untergebrachte Institut einen eigenen Sitz geschaffen und enthält überdies Atelier-Räume für mehre Bildhauer und Maler. Er ist auf dem zunächst an das Grundstück des Kloster-Gymnasiums angrenzenden Teil vom Terrain des sogenannten Lagerhauses und somit auf einer Baustelle errichtet, die aller Wahrscheinlichkeit nach ehemals den Hof der markgräflichen Landesherren, das ›Hohe Haus‹, zuletzt untergeordnete (Magazin-)Baulichkeiten aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts enthielt; bei der Fundamentierung ist ein Gewirr alter Grundbauten aufgedeckt und beseitigt, ein bemerkenswerter Fund jedoch nicht gemacht worden.

Kunst- und Gewerk-SchuleGrundriss vom Erdgeschoss: 1. Vorraum. | 2. Haupt-Treppenhaus. | 3. Pförtner. | 4. Amtszimmer der Kunstschule. | 5. Wohnung des Hausdieners. | 6. Modellierklasse, daneben Lehrer-Zimmer. | 7. Abend-Modellierklasse. | 8. Bildhauer-Ateliers.

Das dreigeschossige Gebäude besteht aus einem 31,13 m langen, 16,85 m tiefen Vorderhaus an der Klosterstr., welchem sich an der Nordfront des bis zur Neuen Friedrichstr. durchgehenden Hofs ein 47,81 m langes und 19,65 m tiefes Hintergebäude anschließt. Der Grundriss des Hauses bietet nichts Besonderes. Das zum Teil in geringeren Stockwerkhöhen gehaltene Vordergebäude enthält verschiedene Dienstwohnungen, Lehrer- und Konferenz-Zimmer etc., zu denen an der Nordfront noch mehrere Zeichensäle treten. Das durch einen Mittel-Korridor geteilte Hintergebäude enthält im Erdgeschoss fünf Schüler- und zwei Bildhauer-Ateliers (letztere durch große Öffnungen mit dem Hof verbunden, so dass ein zeitweises Arbeiten im Freien ermöglicht ist), im 1. Stock fünf Zeichensäle, Bibliothek, Garderobe etc., im 2. Stock drei Schüler- und zwei Lehrer-Ateliers. Die Decken der Räume sind nach französischem System aus eisernen Balken mit massiver Füllung (ein 10 cm starker Gips-Beton auf dünnen Winkeleisen und einem Drahtnetz ruhend) hergestellt; die Heizung soll durch Schüttöfen erfolgen, die von außerhalb bedient werden.

Kunst- und Gewerk-SchuleAnsicht aus der Klosterstraße.

Die Fassade, ein sehr charakteristisches Beispiel für die Anordnung und Ausbildung der aus dem Atelier von Gropius & Schmieden hervor gegangenen einfachen Monumentalbauten, erstrebt ihre Wirkung nicht durch eine bewegte Silhouette und ein kräftiges Relief, sondern durch den Adel ihrer klassischen Formen und die Zusammenstellung farbiger Materialien. Zu dem matten Hellrot der Verblendsteine gesellt sich in den Streifen des glatten Mauerwerks, den Sandstein-Konsolen des Erkers und den Terrakotten ein feuriges Gelb – in den Palmetten-Friesen und den Pilasterfüllungen belebt durch einen grünblauen Grund. Die Sgraffitos der Seiten-Front und die sgrafitoartig behandelten Terrakotten-Tafeln im Fries des Vordergebäudes sind in Gelb und einem dunklen Grünbraun ausgeführt. Natürlich steht der figurale Schmuck des Hauses in engster Beziehung zu der Bestimmung desselben. Die soeben erwähnten Friestafeln zeigen an der Straßenfront des Vordergebäudes vier von reichem Ornament eingefasste Schilder mit den Namen von P. Vischer, Schlüter, Schinkel und C. Bötticher, dazwischen je ein Schild mit einem Pallas-Kopf – an der Seitenfront die Medaillon-Portraits von Cellini, Sansovino, Ghiberti, Robbia. Der durch die großen Atelier-Fenster als Lehrgebäude charakterisierte hintere Teil der Seitenfront zeigt in den Nischen zwischen den Fenstern des 2. Obergeschosses die in ganzer Figur ausgeführten Sgraffito-Bilder von Polyklet, Lionardo d. V., Dürer und Schadow, in den Skudellen des Erdgeschosses die Relief-Köpfe von Michel Angelo, Rafael, Rubens und Holbein.

Sämtliche Terrakotten sind aus der Marchschen Fabrik hervorgegangen; die roten, für die Farbenwirkung des Ganzen vielleicht etwas zu stumpfen, Verblendsteine stammen aus der Augustinschen Ziegelei in Lauban. Die Sgraffitos sind von dem Maler Estorff hergestellt, die großen Erker-Konsolen von dem Bildhauer R. Zion modelliert. Erwähnung verdient noch die in Eichenholz mit eingelegten Bronzestreifen und schmiedeeisernen Gitterfüllungen hergestellte Haustür.

Erheblich einfacher ist das Innere des Hauses gestaltet, dessen Räume zu reicher Dekoration auch keine Gelegenheit gaben. Einfache Malereien in den Zimmern und Vorräumen, die in dem durch Oberlicht beleuchteten, im obersten Geschoss mit Arkaden nach dem Korridor sich öffnenden Treppenhaus später vielleicht durch einige bildliche Darstellungen ersetzt werden könnten, ein Muster von Mettlacher Fliesen in den Korridoren, ein schmiedeeisernes Treppengeländer, sind der ganze Schmuck des Hauses, das trotzdem jedoch nirgends der Würde entbehrt.

Ob die geplante Fortsetzung des Baus bis zur Neuen Friedrichstraße, welche dem Rauch-Museum ein würdigeres Lokal schaffen würde, Aussicht auf Verwirklichung in kürzerer Zeit hat, ist gegenwärtig wohl sehr fraglich.

• Auf epilog.de am 8. Januar 2023 veröffentlicht

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