Berliner Verkehr

Eine moderne Verkehrsinfrastruktur für Berlin

Ausbau für die Zukunft

Berliner Wirtschaft • Juli 1996

Voraussichtliche Lesezeit rund 12 Minuten.

Mit der Standortentscheidung für den neuen Flughafen sind knapp sechs Jahre nach der Wiedervereinigung die Weichen für die wichtigsten Berliner Verkehrsprojekte gestellt. Nicht nur die Beendigung der jahrelangen Insellösung der Stadt, sondern auch die Öffnung der Grenzen in Europa machte für die Stadt ein neues Verkehrskonzept notwendig. Das vereinigte Berlin fand sich so in der Mitte Europas wieder, am Kreuzungspunkt der Achsen Skandinavien–Berlin–Prag–Wien–Budapest und Paris–London–Brüssel–Berlin–Posen–Warschau–Moskau. Wegen der großen Bedeutung des Ausbaus der Infrastruktur für die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Stadt, hat die IHK Berlin seit 1990 in enger Zusammenarbeit mit den Industrie- und Handelskammern in Brandenburg eine Vielzahl von Vorschlägen gemacht und zukunftsweisende Projekte unterstützt, die heute im Wesentlichen Teil der Planung sind oder sich schon in der Realisierung befinden.

Die Verkehrsplanung für Berlin musste 1990 nicht bei null anfangen, sondern konnte an die zu großen Teilen vorbildliche und großzügige Vorkriegsinfrastruktur und den Ergänzungen der Nachkriegszeit anknüpfen. Dies gilt insbesondere für die Fernanbindungen der Stadt. Bei Schiene und Straße konnten die Planungen meist die vorhandenen Ferntrassen übernehmen, die in der Regel aber grundlegend erneuert und an moderne Standards angepasst werden mussten. Bahnhof Zoologischer GartenFoto: Hans-Joachim Kirsche/Deutsche Bahn AGAusgangspunkt für den ICE-Verkehr nach Westen ist während der Sanierung der Stadtbahntrasse der Bahnhof Zoologischer Garten, der gut in das Berliner ÖPNV-Netz eingebunden ist. Finanziert werden diese Maßnahmen von der Bundesregierung, die von 1990 bis heute 48 Mrd. DM in die Fernverkehrswege in den neuen Bundesländern investiert hat. Dabei sind die 1991 von dem damaligen Bundesverkehrsminister, Prof. Dr. Günther Krause, als vorrangige Maßnahmen konzipierten 17 Verkehrsprojekte Deutsche Einheit (VDE) für den schnellen Ausbau wichtiger Verkehrsachsen zwischen West und Ost gerade für Berlin von herausragender Bedeutung. Neun Schienen-, sieben Autobahnprojekte und ein Wasserstraßenvorhaben ergeben ein Investitionsvolumen von über 67 Mrd. DM, von denen bereits heute über 17 Mrd. DM, also rund 25 %, verbaut sind. Alle Projekte sind in der Umsetzung, drei Schienenprojekte fertiggestellt.

Die Industrie- und Handelskammern von Berlin und Brandenburg setzten sich bei der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplanes 1992 gemeinsam dafür ein, die Fernverbindungen nicht nur in Richtung Westen, sondern auch nach Norden, Osten und Süden bevorzugt auszubauen. Inzwischen ist auch der Ausbau der Verkehrsachsen Berlin–Warschau und Berlin–Prag mit den Nachbarländern vereinbart und eingeleitet. Die Verbindung nach Warschau ist Teil des Anfang 1995 vereinbarten Verkehrskorridors Berlin–Moskau.

Ausbau der Schienenstrecken

Von den vier VDE-Schienenprojekten, die unmittelbar Berlin betreffen, ist als erste die Strecke Berlin–Magdeburg–Helmstedt im Dezember 1995 durchgehend elektrifiziert und für eine Geschwindigkeit von 160 km/h freigegeben worden. Die künftige Hochgeschwindigkeitsstrecke Berlin–Stendal–Hannover wird jetzt erst, ein Jahr später als vorgesehen, im Mai 1998, in Betrieb gehen. Grund ist die Siedlung einer größeren Zahl der unter Naturschutz gestellten Großtrappen in der Nähe der Bahntrasse. Bei diesem und anderen Projekten stellt sich die Frage, ob der notwendige Ausgleich von Ökonomie und Ökologie gewahrt ist. Berlin–Büchen–Hamburg wird im Herbst nächsten Jahres vollständig elektrifiziert und mit 160 km/h befahrbar sein. Für eine höhere Geschwindigkeit ist diese Strecke nicht vorgesehen, da der Transrapid vom Jahr 2005 an den Schnellverkehr zwischen Berlin und Hamburg übernehmen soll.

Beim vierten VDE-Projekt der Aus- und Neubaustrecke Berlin–Halle/Leipzig–Erfurt–Nürnberg sind zwischen Berlin und Halle/Leipzig bereits 80 % der Streckengleise für 160 km/h umgebaut. Dieses VDE-Projekt ist Teil der künftigen Hochgeschwindigkeitsverbindung Berlin - Verona, eines von 14 Vorhaben der Europäischen Union, die im Rahmen der Transeuropäischen Netze vorrangig realisiert werden. Aber auch auf anderen Strecken sind deutliche Fortschritte erkennbar: So verkehren die Züge zwischen Berlin und Dresden schon seit 1992 mit einer Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h. Jetzt kann die Bahn auch in den kommenden Jahren ihr Angebot an komfortablen, schnellen Zügen in allen Richtungen erweitern. Aus Sicht der Wirtschaft unbefriedigend ist die ungeklärte Planung für die Strecke nach Rostock, die nur mit 120 km/h befahren werden kann. Angesichts der zunehmenden Bedeutung des Hafens Rostock, insbesondere für den Fährverkehr nach Skandinavien, wird der Ausbau der Strecke Berlin–Rostock für beide Städte immer wichtiger.

Pilzkonzept sichert kurze Reisezeiten

Nicht von dem Ausbau der Fernstrecken zu trennen ist der Neuaufbau des Eisenbahnknotens Berlin. Das Vorkriegssystem mit den Kopfbahnhöfen ist weder wiederherstellbar noch sinnvoll. Bei den Untersuchungen für eine effektive Neugestaltung des Berliner Eisenbahnknotens machte das sogenannte Pilzkonzept das Rennen, für das sich auch die IHK von Anfang an eingesetzt hatte.

Pilzkonzept

Kernstück dieses Konzeptes ist ein 3,4 km langer Nord-Süd-Tunnel in der Stadtmitte mit dem Lehrter Bahnhof [seit 2002: Hauptbahnhof] als zentralen Umsteigepunkt an der Stadtbahn. Über die Radialstrecken, die zum Teil wieder aufgebaut werden müssen, können die Fern- und Regionalzüge in Nord-Süd-Richtung durch den Tunnel und in Ost-West-Richtung über die Stadtbahn auf direktem Weg in die Stadtmitte gelangen. Für die Bahnreisenden ergeben sich dadurch kürzere Reisezeiten, da u. a. die bisherigen Umwegfahrten auf dem Außenring entfallen.

Der Lehrter Bahnhof wird ergänzt durch die heute bereits vorhandenen Stationen Zoologischer Garten und Hauptbahnhof. Neu hinzu kommen die Fernbahnhöfe Spandau (Klosterstraße), Gesundbrunnen und Papestraße. Auch Lichtenberg soll jetzt in das Pilzkonzept integriert werden. Allerdings erlangt der Lehrter Bahnhof nur seine volle Attraktivität für die Reisenden, wenn die vorgesehenen Nahverkehrslinien, die Nord-Süd-S-Bahn-Linie 21 und die U-Bahn-Linie 5, realisiert werden. Der im Süden der Stadt gut erreichbare Bahnhof Papestraße dürfte dagegen besonders gefragt sein. 2002 sollen die ersten Züge durch den Nord-Süd-Tunnel fahren. Der Ausbau des Berliner Bahnknotens wird rund 10 Mrd. DM kosten.

Weniger konkret sind die Pläne der Bahn für den Güterverkehr von und nach Berlin, was seine Ursache vor allem in der noch bestehenden Unsicherheit über die künftige Struktur der Wirtschaft hat. Eine Stärkung der Position der Bahn im Gütertransport wird von den im Aufbau befindlichen Güterverkehrszentren (GVZ) Großbeeren und Wustermark erwartet, die künftig als besonders leistungsfähige Schnittstelle zwischen Fern- und Nahtransport, Schiene/Wasserweg und Straße der Ansiedlung von Speditionen und Transportunternehmen dienen sollen. Allerdings hat die Bahn in Großbeeren noch immer nicht mit der zugesagten Errichtung des Terminals für den kombinierten Verkehr begonnen. Die Bahn will in Zukunft mit 20 Logistikstandorten unterschiedlicher Funktion im Stadtgebiet vertreten sein. Darunter sollen »Subzentren«, in Ergänzung der beiden GVZ, innerstädtische Verteilzentren für den Nahbereich werden. Pilotprojekt ist das Subzentrum Neukölln, dessen Realisierung von der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr und der IHK unterstützt wird.

Autobahnen werden sechsspurig

Bei der Planung für die Autobahnen und Fernstraßen von und nach Berlin musste man berücksichtigen, dass die jahrelange ungenügende Wartung, unterlassene Modernisierung und unzureichende Standards unübersehbare Spuren hinterlassen haben. Weder quantitativ noch qualitativ waren die Straßen in der Lage, den aktuellen und künftigen Belastungen des Verkehrs gerecht zu werden. Zu den Forderungen der Industrie- und Handelskammern von Berlin und Brandenburg gehörten schon 1991 vor allem der sechsspurige Ausbau der A 2 (Berlin–Hannover), der A 9 (Berlin–Nürnberg) und des Berliner Ringes (A 10) sowie die Grunderneuerung der übrigen Autobahnen und Fernstraßen. Auch die Beseitigung von Engpässen, insbesondere von Ortsdurchfahrten gehört dazu. Der entsprechende Ausbau der A 2, A 9 und A 10 (abgesehen vom westlichen Teil, der vierstreifig bleibt) findet inzwischen im Rahmen der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit statt. Einzelne Abschnitte, wie große Teile der A 10 südlich Berlins sind bereits fertiggestellt. Die Arbeiten an den VDE-Straßenprojekten in Brandenburg sollen bis 2000 abgeschlossen sein.

Da aufgrund der Haushaltskürzungen des Bundes die Investitionsmittel für den Straßenbau gekürzt wurden, muss bei den übrigen Autobahnen und Bundesstraßen mit einer Verlangsamung des Ausbaus gerechnet werden. Immerhin ist die A 15 Lübbenau–Cottbus-Forst jetzt mit vier Spuren fertiggestellt, wenn auch die zwei Fahrbahnen aus der Vorkriegszeit dringend erneuert werden müssen. Bei der A 12 ist der Grenzabschnitt vierspurig fertig und die zweite Brücke über die Oder im Bau; ihre Weiterführung nach Warschau innerhalb der nächsten 15 Jahre geplant. Die Autobahn nach Dresden (A 13) wird Richtung Prag weitergebaut.

Wasserstraßen nach Hannover

Das VDE-Projekt 17, der Ausbau der Wasserstraßen Berlin–Magdeburg–Hannover, entspricht langjährigen Forderungen der Berliner Wirtschaft. Der Binnenschiffsverkehr in Richtung Westen hat aufgrund der unzureichend ausgebauten (Stand 1920) und vernachlässigten Wasserstraßen sowie der fehlenden Elbe-Überquerung bei Magdeburg keine ausreichenden Entwicklungsmöglichkeiten. Das Projekt 17 sieht den Bau dieser Brücke und die Erweiterung und Modernisierung der Wasserstraßen für den Verkehr mit Großmotorgüterschiffen bis 2000 t und Schubverbänden bis 3500 t Ladung vor. Damit werden die Voraussetzungen für die Einbindung der Binnenschifffahrt in moderne Logistikketten und Containertransporte geschaffen. In Berlin endet der Ausbau im West- und Osthafen, wobei der Osthafen langfristig durch einen neuen Hafen in Späthsfelde ersetzt werden soll. Während Berlin grundsätzlich dem Projekt 17 zugestimmt hat, gibt es in Brandenburg erhebliche Widerstände, obwohl die Eingriffe in die Natur stark reduziert werden konnten. Das vom Land eingeleitete Raumordnungsverfahren, das den Planungsprozess verlangsamt, ist im Grunde überflüssig, da kein veränderter Verlauf der Wasserstraße geplant ist.

Umstritten ist in Berlin zurzeit noch der künftige Standort der neuen Schleuse Charlottenburg, weil das Gelände von Betrieben und Kleingärten genutzt wird. Alternativlösungen, z. B. ein Neubau am heutigen Standort, haben aber nur dann einen Sinn, wenn dadurch der ungehinderte Schiffsverkehr zum Westhafen nicht in Frage gestellt wird. Wichtig ist aus Sicht der Wirtschaft auch der Ausbau der Wasserstraßen nach Stettin, da der Binnenschiffsverkehr mit Polen immer mehr zunimmt.

Flughafenstandort entschieden

Nach jahrelangen Untersuchungen zum Flughafenstandort und über einjähriger kontroverser Diskussion einigten sich schließlich der Bundesverkehrsminister und die Länderchefs von Berlin und Brandenburg am 28. Mai dieses Jahres darauf, Schönefeld zu einem internationalen Flughafen mit zwei Landebahnen und einer Abfertigungskapazität von rund 20 Millionen Passagieren in 2010 auszubauen. Tegel und Tempelhof werden geschlossen. Der konkurrierende Standort Sperenberg für den sich die IHK als Zukunftslösung eingesetzt hatte, wurde als politisch nicht durchsetzbar und in der Anbindung zu teuer bezeichnet.

In den Jahren seit der Wende hat auf den drei Berliner Flughäfen die Zahl des Linienverkehrs deutlich zugenommen. Wegen fehlender Umsteigemöglichkeiten zwischen den Flughäfen ist das Angebot im Europaverkehr jedoch weiter überwiegend unbefriedigend und der interkontinentale Linienverkehr nur sehr schwach entwickelt. Vieles spricht dafür, dass durch die steigende Anzahl von Allianzen zwischen den Fluggesellschaften der interkontinentale Linienverkehr immer mehr auf die bestehenden Drehkreuzflughäfen konzentriert wird. Wenn es daher nicht gelingt, Schönefeld so bald wie möglich zu einem attraktiven Flughafen mit Umsteigefunktion für den Passagier- und Frachtverkehr auszubauen, besteht die große Gefahr, dass Berlin-Brandenburg auf Dauer international zweitklassig angebunden bleibt.

Ringstraßen verteilen den Verkehr

Da Berlin und sein Umland als ein Wirtschaftsraum anzusehen sind, haben die IHK’n von Berlin und Brandenburg bereits im Oktober 1991 Grundsätze für ein einheitliches Straßennetz im Berliner Raum formuliert. Sie sprachen sich für ausgebaute Ringstraßen (Berliner Ring A 10, Stadtring A 100 und Innenstadtring) zur großräumigen Verteilung des Verkehrs verbunden durch leistungsfähige Radialstraßen aus. Dieses Ring-Radialsystem ist heute fester Bestandteil der Verkehrsplanung für Berlin und Brandenburg. Einige innerstädtische Projekte werden zur Vervollständigung dieses Straßensystems schon umgesetzt, wie der Nord-Süd-Straßentunnel in der Stadtmitte zur Schließung des westlichen Teils des Innenstadtrings oder die Verlängerung der A 100 von Tempelhof nach Neukölln. Weitere, nicht vom Bund finanzierte Vorhaben, wie die Nord- und die Ost-Tangente müssen angesichts der knappen Kassen Berlins vorläufig zurückgestellt werden.

Für die von der IHK schon lange geforderte Tunnelverbindung der B 101 mit dem Munsterdamm in Lankwitz sollte wenigstens die Planung beginnen, da eine direkte Verbindung zwischen dem südlichen Berliner Ring und dem Autobahnkreuz Schöneberg wegen des GVZ Großbeeren zunehmend Bedeutung erhält. Wegen des überlangen Entscheidungsprozesses wurden in der Vergangenheit Realisierungschancen verpasst. Auch die Lösung der Verkehrsprobleme in Köpenick muss weiterhin Priorität behalten. Offen ist noch immer die Führung des Ost-West-Verkehrs in der Stadtmitte zwischen Invalidenbrücke und Landwehrkanal, obwohl Berlin und der Bund schon seit Jahren darüber verhandeln.

Zu den wichtigen Vorhaben bei den ins Umland führenden Straßen gehören der begonnene sechsstreifige Ausbau der A 115 zwischen Zehlendorf und dem Dreieck Drewitz, der vierstreifige Ausbau der B 5 von Staaken bis zum westlichen Berliner Ring, die westliche Umfahrung Oranienburgs durch die B 96 in Verlängerung der A 111 und im Nordosten Berlins der vierstreifige Ausbau der B 158 mit einer Umfahrung für Ahrensfelde sowie einer Ortsumgehung der B 2 für Bernau. Das wichtigste Neubauprojekt im Süden Berlins ist die A 113 zwischen dem Dreieck Neukölln und dem Schönefelder Kreuz.

Der in Berlin schon beendete vierspurige Ausbau der B 179 in Richtung Schönefeld wird von Brandenburg aufgrund der dort komplizierten Straßenplanung erst jetzt fortgesetzt. Die A 113, B 179 und B 96 a erhalten nach der Standortentscheidung für Schönefeld als Flughafenzufahrten neue Bedeutung. Abstimmungsprobleme gibt es noch immer bei der B 96 südlich Berlins, die Brandenburg bislang zwischen dem Berliner Ring und der Stadtgrenze mit vier Fahrbahnen ausbauen will, während in Berlin für einen entsprechenden Ausbau nördlich der Stadtgrenze noch jede Planung fehlt.

Das großzügige Straßen- und Stadtautobahnnetz in Berlin ist gerade für den Wirtschaftsverkehr von hohem Wert. Daher wendet sich die IHK Berlin auch grundsätzlich gegen den Rückbau und Beruhigungsmaßnahmen im Hauptverkehrsstraßennetz. Dennoch müssen angesichts des ansteigenden Straßenverkehrs zunehmend Prioritäten gesetzt und neue Instrumente zu seiner Steuerung erprobt werden. Die IHK hat aus diesem Grund auch die Einführung der Parkraumbewirtschaftung in Innenstadtbereichen befürwortet. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass der Wirtschaftsverkehr erleichtert wurde und für den Einkaufsverkehr wieder Parkraum zur Verfügung steht.

Auch setzt sich die IHK dafür ein, die Parkraumbewirtschaftung trotz der gegenwärtigen Schwierigkeiten zu erhalten und eine neue Lösung für die private Parkraumüberwachung zu suchen. Mit den Plattformen für den Wirtschaftsverkehr, die die IHK nachhaltig fördert, sollen Verkehrsengpässe in Einkaufsstraßen entschärft, die Attraktivität des Einzelhandels gesteigert und der Ver- und Entsorgungsverkehr erleichtert werden. In einem Pilotprojekt haben örtliche Unternehmen, die zuständigen Verwaltungen, IHK und Handwerkskammer 1995 ein Konzept für die Karl-Marx-Straße erstellt. In der Müllerstraße und in Köpenick (Bahnhofstraße/Altstadt) sind zwei neue Plattformen entstanden. Es sind u. a. besonders gekennzeichnete Lieferzonen und eine gebündelte Belieferung der Geschäfte durch Spediteure (Citylogistik) sowie ein Lieferservice für Privatkunden geplant.

Bisher werden in Berlin Verkehrsmanagementsysteme wenig genutzt. Die IHK hat im Herbst vergangenen Jahres ihren Ausbau angeregt. Mit zahlreichen Betrieben und wissenschaftlichen Instituten steht Berlin ein enormes Potenzial fachlicher Kompetenz für eine bessere Verkehrssteuerung zur Verfügung.

U-Bahn-Netz wieder vervollständigt

Beim Wiederaufbau des öffentlichen Nahverkehrs wurde deutlich, dass sich durch die Teilung der Stadt der öffentliche Personennahverkehr in Ost und West unterschiedlich entwickelt hatte. West-Berlin war vom Regionalverkehr der Eisenbahn ganz abgeschnitten. Die U-Bahn entwickelt sich dort zum Hauptverkehrsmittel; der Straßenbahnverkehr wurde 1967 eingestellt. Die S-Bahn führte aufgrund des Boykotts nach dem Mauerbau und wegen Streckenstilllegungen ein Schattendasein. In Ost-Berlin wurde dagegen die S-Bahn zum Hauptträger des öffentlichen Verkehrs ausgebaut. Auch blieb ein umfangreiches Straßenbahnnetz bestehen.

In den letzten Jahren sind zahlreiche unterbrochene und stillgelegte Strecken des öffentlichen Verkehrs wieder in Betrieb genommen worden. Die Erneuerung des Wagenparks, vor allem bei Straßenbahn und S-Bahn, ist eingeleitet. Das U-Bahn-Netz ist inzwischen auch wieder vervollständigt und das Busnetz vereinheitlicht. Das Straßenbahnnetz wird rekonstruiert; eine Reihe von Linien sollen weiter nach Westen verlängert werden. Seit Oktober vergangenen Jahres verkehrt eine erste Tramlinie von Prenzlauer Berg nach Wedding. Die leere Berliner Haushaltskasse macht den Bau neuer U- und Tramlinien schwierig. Die meisten Lücken weisen noch immer die Netze der S-Bahn und des Regionalverkehrs auf. Trotz großer Fortschritte wird es noch über Jahre Baustellen und Einschränkungen geben. Die S-Bahn, die inzwischen als GmbH firmiert, fährt aus den westlichen Bezirken der Stadt wieder direkt nach Potsdam, Oranienburg und Blankenfelde, der westliche Stadtring hat eine Verbindung nach Baumschulenweg erhalten. Es ist geplant, das Berliner S-Bahn-Netz von 1961 wieder aufzubauen.

Der Regionalverkehr der Eisenbahn hat in den vergangenen Jahren durch Vertaktung, neue Wagen und Expresszuglinien eine deutliche Verbesserung erfahren und bezieht auch den Westteil der Stadt wieder in sein Netz ein. Es soll ein umfangreiches Konzept für die ganze Region realisiert werden. Das Netz wird seine volle Attraktivität aber erst entfalten können, wenn das Berliner »Pilzkonzept« verwirklicht ist und die Regionalzüge bis in die Stadtmitte fahren können. Angesichts des verhältnismäßig dünn besiedelten Brandenburg ist allerdings fraglich, ob alle geplanten Leistungen eine ausreichende Nachfrage finden werden und angesichts der Haushaltslage zu finanzieren sind. Auch fehlt noch immer eine Vereinbarung zwischen Berlin und der Bahn über den Regionalverkehr und eine Abstimmung der Netze von S-Bahn- und Regionalverkehr. Innerhalb des künftigen Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg sollen nach Auffassung der IHK Chancen zur Kostensenkung durch Wettbewerb genutzt werden. So könnten in dünn besiedelten Räumen Privatunternehmen den öffentlichen Verkehr mit Taxen und Kleinbussen übernehmen.

In den vergangenen Jahren ist sehr viel für den Ausbau des Fern- und Nahverkehrs für Berlin getan worden. Die Stadt erhält in absehbarer Zeit für den Verkehr auf Straße, Schiene und Wasser ein modernes Netz, das ihrer neuen Bedeutung entspricht. Wegen des notwendigen Planungsvorlaufes sind gegenwärtig die meisten Projekte noch in Arbeit und nur wenige fertiggestellt. Nah- und Regionalverkehr dürften in Berlin in einigen Jahren wieder vorbildlich sein. Allerdings können aus finanziellen Gründen nicht alle Vorhaben so schnell abgeschlossen werden, wie es wünschenswert wäre. Für den Luftverkehr muss in den nächsten Jahren besonders geworben werden, damit die Entwicklung nicht ganz an Berlin vorbeigeht.

• Hans-Michael Drutschmann

• Auf epilog.de am 1. Oktober 1997 veröffentlicht

Reklame