VerkehrSchifffahrt

Verschiebung eines Leuchtturmes

Zentralblatt der Bauverwaltung • 18.7.1885

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.

Die etwa 16 km unterhalb des Hafens von Dundee gelegene Mündung des Tay wird durch zwei feste Leuchtfeuer gedeckt, die auf Türmen von 32 und 20 m Höhe angebracht sind. Seit dem Jahre 1866, in welchem diese Türme erbaut wurden, hat die Lage des Fahrwassers dadurch eine Änderung erlitten, dass die vorliegenden Sandbänke sich nach der See zu weiter ausgedehnt haben. Dieser Umstand machte eine Verschiebung der Linie der beiden Feuer wünschenswert. Um dies, und zwar von Zeit zu Zeit mit Leichtigkeit bewerkstelligen zu können, wurde die Errichtung eines schmiedeeisernen, mit Rädern versehenen Gestelles als Ersatz für einen der beiden Türme geplant. Da jedoch die Bewegung der Sandbänke nur langsam vor sich geht, so entschloss man sich, von diesem Verfahren Abstand zu nehmen und statt dessen den äußeren, niedrigeren Turm selbst so weit wie erforderlich zu verschieben. Verschiebung eines Leuchtturms Dieser aus Hausteinen und Ziegelsteinmauerwerk bestehende Bau hat dicht über dem Boden einen Durchmesser von 5,2 m, ein Gewicht von etwa 450 t und ruht, wie die beifolgende Skizze zeigt, auf einem aus vier Hausteinschichten von je 23 cm Dicke bestehenden Fundament. Oberhalb dieser Schichten wurde nun das Mauerwerk herausgestemmt und allmählich durch Unterlagen aus Pitch-Pine-Holz von der in der Skizze dargestellten Anordnung ersetzt. Jede dieser Unterlagen bestand nämlich aus einem, in der Verschiebungsrichtung verlegten Doppelbalken, dessen Unterteil als Gleitbahn zu dienen hatte, auf welcher der durch die Oberteile getragene Turm fortgeschoben werden sollte. An den Gleitbalken befestigte seitliche Führungsstücke verhinderten das Eintreten von Querverschiebungen. Zwischen den Oberteilen und dem Mauerwerk waren Holzkeile eingefügt, durch deren Anziehen die Last des letzteren gleichmäßig auf die sieben Bahnen verteilt wurde. Die Dicke der Keile betrug etwa 10 cm, die Höhe der in dem Mauerwerk auszustemmenden Öffnungen mithin durchschnittlich 50 cm. Unterhalb der Gleitbahn wurden Querschwellen von 6,7 m Länge, 23 cm Breite und 11,5 cm Dicke in je 23 cm Abstand in den Ufersand eingebettet. An den Stellen, wo die Neigung des Bodens wechselt, musste unterhalb dieser Quersehwellen noch eine aus Längsbalken bestehende Kippvorrichtung eingeschaltet werden, unter der sieh eine zweite Lage von Querschwellen befand. Um das Entstehen von Rissen in dem Mauerwerk des Turmes möglichst zu verhüten, wurde dieser dicht über dem Boden mit mehreren Windungen einer Kette von 22 mm Eisenstärke umschnürt, welche man durch Eintreiben zahlreicher Keile aus Hartholz stark anspannte. Von innen wurde das Mauerwerk in derselben Höhe durch einen starken schmiedeeisernen Ring und acht in Sternform angeordnete Streben abgesteift. Verschiebung eines Leuchtturms Vor den Gleitbahnen wurden sechs Pfähle eingerammt, die einem Querbalken als Stützpunkte dienen sollten. An diesem gedachte man einen Flaschenzug anzubringen, dessen anderes Ende an einem hinter den oberen Gleitstücken befestigten Querbalken angreifen und so die Fortbewegung des Turmes bewirken sollte. Diese Vorrichtung scheint jedoch nicht in Tätigkeit getreten zu sein. Es gelang nämlich, nachdem die Bahnen mit einem Gemisch von Talg, Schmierseife und Graphit eingeschmiert waren, den Turm mit Hilfe von sechs gewöhnlichen Handschraubenwinden, an denen je zwei Mann arbeiteten, in Gang zu setzen. So wurde die Last in kurzer Zeit um 3 m verschoben und bei versuchsweiser Verminderung der Arbeiterzahl zeigte sich, dass zur Aufrechterhaltung der Bewegung drei von je einem Manne bediente Winden genügten. Da es jedoch nicht möglich war, die Bahnen dauernd von Sand frei zu halten, so stellte sich, der hierdurch allmählich anwachsenden Reibung wegen, der durchschnittliche Kraftbedarf etwas höher, nämlich auf 6 Mann an zwei Winden. Durch diese wurde der Turm mit einer mittleren Geschwindigkeit von 25 mm in der Minute fortgeschoben. Inzwischen wurde das alte Fundament des Turmes aufgenommen und an der neuen Stelle in 48,8 m Entfernung und 0,18 m höher wieder eingebaut. Sodann wurde der Turm auf das Fundament geschoben, unterfangen und nach Entfernung der Bahnen vollständig untermauert.

Die vorbereitenden Arbeiten begannen am 5. Mai 1884; am 14. Mai wurde der Turm in Bewegung gesetzt und gelangte nach 14 Tagen auf das neue Fundament. Die Entfernung der Bahnen und die Untermauerung erforderte weiteren 7 Tage; am 4. Juni waren alle Arbeiten vollendet. Das ganze Unternehmen hat mithin einen Zeitraum von nur einem Monat in Anspruch genommen. Dabei wurde die Zahl von 20 Arbeitern nie überschritten. Die Kosten beliefen sich nach Abzug des Altwertes der verwendeten Hölzer auf 5702 Mark und nach Abzug der Aufwendungen für den Transport der Materialien und der Arbeiter von und zu dem 16 km entfernten Hafen auf nur 2368 Mark. Der Plan für die Verschiebung des Turmes rührt von dem Ingenieur D. Cunniugham her, welcher auch die Ausführung geleitet und darüber der Institution of Civil Engineers in London einen Bericht erstattet hat, dem vorstehende Angaben entnommen sind.

• Auf epilog.de am 20. Februar 2021 veröffentlicht

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