Forschung & TechnikTechnik

Die statistischen Maschinen von Hollerith

Prometheus • 19.12.1894

Voraussichtliche Lesezeit rund 9 Minuten.

Die Regierung der Vereinigten Staaten zu Washington zeichnet sich aus durch die außerordentliche Sorgfalt und Vollkommenheit, mit welcher sie alle allgemeinen Verhältnisse des ungeheuren Staatenkomplexes, den sie repräsentiert, feststellt und wissenschaftlich verarbeitet. Die Berichte der verschiedenen zu diesem Zweck errichteten und mit den reichsten Mitteln ausgestatteten Ämter sind wahre Muster sorgfältigster Arbeit. Es ist dies um so eher möglich, weil die dortige Regierung außer der Vertretung nach außen und einiger ihr besonders zugewiesener Gegenstände (wie z. B. des Münzwesens und der Postverwaltung) sich mit den eigentlichen Verwaltungsangelegenheiten des großen Landes gar nicht zu beschäftigen braucht, indem diese von den einzelnen Staaten behandelt und in oft sehr verschiedenartiger Weise erledigt werden.

Zu den mehr wissenschaftlichen Aufgaben, deren Erfüllung der Regierung in Washington zugewiesen ist, gehört unter Anderm auch die Volksstatistik des ganzen Landes. Die in den verschiedenen Staaten bei den zeitweilig wiederholten Volkszählungen aufgenommenen Listen wandern nach Washington, um dort weiter verarbeitet zu werden. Die Volkszählung selbst erfolgt in sehr viel gründlicherer Weise, als in irgendeinem europäischen Staat. Es werden Fragen der verschiedensten Art an die gezählten Personen gerichtet und die erhaltenen Antworten werden genau in die Listen eingetragen. Als nın im Jahr 1890 die Listen der letzten großen Volkszählung eintrafen, entstand die große Frage, wie man das ungeheure, die genauen Lebensverhältnisse von 63 Millionen Menschen repräsentierende Material genau und mit einer gewissen Garantie für Fehlerfreiheit weiter verarbeiten wolle, ohne doch eine Zeit auf diese Arbeit zu verwenden, welche das Erscheinen der fertigen Statistik auf einen Termin verschöbe, wo sie schon längst wieder obsolet geworden sein würde. Für die Beantwortung dieser Frage wurde ein Preis ausgeschrieben. Es gingen drei Lösungen ein, von denen zwei nur unwesentliche Verbesserungen an dem bisherigen Arbeitssystem repräsentierten, während die dritte, von Hollerith eingereichte, die Lösung auf ganz neue Art, nämlich durch Maschinenarbeit erstrebte. Es war leicht einzusehen, dass dieses System nicht nur die Arbeit selbst auf weniger als die Hälfte verkürzte, sondern auch die Möglichkeit von Irrtümern auf ein Minimum reduzierte. Man zögerte daher nicht, Hollerith den Preis zuzuerkennen und sein System so rasch als möglich einzuführen. Nachdem sich dasselbe glänzend bewährt hatte, folgte Kanada sehr bald dem Vorbild der Vereinigten Staaten. Heute hat die Maschine auch schon in vielen europäischen Staaten Eingang gefunden. Zuerst adoptierte Österreich dieselbe, dann folgten Frankreich und Italien. In Deutschland wird sie bei Anfertigung der Zollstatistik verwendet, Ihre Benutzung wird sich gewiss verallgemeinern, da sie nicht nur zu dem Zweck dienlich ist, für den sie ursprünglich erfunden wurde, sondern sich für die verschiedenartigsten großen und komplizierten Zähl- und Registrier-Arbeiten verwenden lässt und vielfacher Modifikation fähig ist.

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• Auf epilog.de am 9. Februar 2024 veröffentlicht

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