Berlin

Rixdorf – Preußens jüngste Stadt

Die Gartenlaube • 1899

Voraussichtliche Lesezeit rund 12 Minuten.

Die gewaltige Entwicklung ins Große, welche Berlin durchgemacht hat, seitdem es aus der Residenz der preußischen Könige zur Reichshauptstadt geworden ist, hat naturgemäß auch auf die umliegenden Dörfer einen tiefgehenden Einfluss ausgeübt. Wo früher Ackerbauer und Gärtner vor den Toren wohnten, da stehen jetzt Wohnpaläste und Fabriken in unmittelbarer Verbindung mit der eigentlichen Stadt. Der Riesenpolyp, der seine Arme von Jahr zu Jahr weiter ausstreckte, hat sich alles, was in seiner Nähe lag, angegliedert. Lange hat man geschwankt, ob man die Vororte, welche immer noch Dörfer hießen, obwohl sie es längst schon nicht mehr waren, in Berlin eingemeinden sollte.

Rixdorf 1899

Die heiß umstrittene Frage scheint jetzt endgültig verneint zu sein. Die naturgemäße Folge war, dass man jenen merkwürdigen Zwitterwesen die Stellung gab, die ihnen ihrem Werdegang nach gebührte. Konnten sie nicht Stadtteile sein, so mussten sie selbstständige Städte werden. So erhielt Charlottenburg Stadtrecht, ihm folgte später Schöneberg. Diese beiden haben durch die Gunst ihrer Lage das beste Teil erhalten. Sie bilden, wenn auch nicht rechtlich, so doch tatsächlich, mit dem Westen Berlins eine zusammenhängende Einheit, und der Westen ist beinahe ausschließlich der Sitz der kapitalkräftigen Bevölkerung geworden. Die Arbeit Berlins, und es wird viel und hart gearbeitet an der Spree, obwohl der flüchtig durchreisende Besucher der Friedrichsstadt nicht viel davon sieht, wird hauptsächlich im Norden, Osten und Süden geleistet. So ist auch Rixdorf, »malerisch an den südlichen Ausläufern des Kreuzberges gelegen«, wie die Rixdorfer selbst mit echt märkischer, gemütlicher Selbstverspottung sagen, aus einem Bauerndorf zu einer Industrie- und Arbeiterstadt geworden. Der 1. April 1899 war der Geburtstag von Preußens jüngster Stadt.

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• Auf epilog.de am 1. April 2021 veröffentlicht

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