Forschung & TechnikTechnik

Projektionsapparate

Das Neue Universum • 1882

Voraussichtliche Lesezeit rund 6 Minuten.

Wie waren wir doch in der Zeit der Kindheit bescheiden in unseren Freuden und Genüssen. Am glücklichsten waren wir, wenn der Vater im Winter die Laterna magica hervorholte und die oft gesehenen und doch merkwürdigen Bilder an die Wand zauberte. Schon der kleine Kasten aus Holz, mit rötlichem Papier beklebt und mit Öl befleckt, erregte unser Entzücken, wenn aber dann das Instrument aus Weißblech hervorgeholt, der Messingspiegel und die Linsen geputzt und die Lampe frisch mit Öl gefüllt wurde, so steigerte sich von Schritt zu Schritt die gespannte Erwartung, die ihren Höhepunkt erreicht hatte, wenn dann endlich die reizendsten bunten Bilder an der Wand erschienen. Sie waren mit Lackfarben auf Glasstreifen gemalt, roh wie der ganze Apparat, gemeine Nürnberger Ware, aber glücklich waren wir doch.

Nicht der einzelne Mensch, auch jedes Volk hat seine Periode der Kindheit mit ihren kindlichen Genüssen; selbst die Laterna magica verfehlte nicht zu denselben beizutragen. Doch wird es da nötig sein, auf die Geschichte dieses optischen Instrumentes kurz einzugehen.

Der Erfinder der Laterna magica ist unbekannt, doch ist sie älter als man gewöhnlich glaubt. Schon der berühmte Athanasius Kircher beschrieb dieselbe in seinem Werke Ars magna lucis et umbrae in mundo, das 1646 zu Rom und in neuerer Auflage 1671 in Amsterdam erschien. Der Jesuitenpater Kircher gehörte zu den größten Gelehrten seiner Zeit, war ein vorzüglicher Physiker und Mathematiker, dabei ein ausgezeichneter Sprach- und Altertumskundiger. Am Collegium Romanum zu Rom hatte er ein reichhaltiges Kabinet von mathematischen und physikalischen Apparaten und Modellen sowie von Naturalien, Antiquitäten und anderen Seltenheiten zusammengebracht, das noch nach mehr als hundert Jahren berühmt war und in einem Folioband beschrieben wurde. Zu den Merkwürdigkeiten des Museum Kircherianum gehörte eine Laterna magica.

Eine Verbreitung außerhalb der physikalischen Kabinette fand aber dieser Apparat erst gegen Ende des vorigen Jahrhunderts. Die Richtung seiner Zeit geschickt benützend erfand Robertson die Geistererscheinungen mit Hilfe der Laterna magica. Mit unerhörter Geschicklichkeit gelang es ihm, seine Zeitgenossen noch mehr zu betören und in einem Saal des Kapuzinerklosters zu Paris Geistererscheinungen vorzuführen, welche das Staunen und den Schrecken nicht nur der ganzen Stadt, sondern der ganzen Welt erregten.

Robertson selbst erzählt in seinen Memoiren die Weise, welche er benützte, um die Wirkung seiner Vorstellungen vom unheimlichen Gruseln zum höchsten Schrecken zu steigern. Vor allem war dafür gesorgt, dass das Getöse der Weltstadt mit keinem Ton in den Vorstellungsraum dringen konnte. Die Besucher mussten ein Reihe düsterer Raume des alten Klosters durchschreiten und standen dann vor einer altertümlichen Tür, die mit Hieroglyphen bedeckt war. Der Eingang zu den Geheimnissen der Isis öffnete sich und man war in einem mit schwarzem Tuch ausgeschlagenen Saal, der nur durch eine Grablampe beleuchtet war. Alles ringsum totenstill.

Vorführung von GeistererscheinungenVorführung von Geistererscheinungen durch Robertson im Jahr 1797,

Nun sprach Robertson einige einleitende Worte, welche den ersten Eindruck nur steigern konnten. Er sprach vom Schrecken, welchen die abgeschiedenen Geister hervorbringen können, von der Zauberei, welche sie zwingt, aus dem Jenseits wieder auf die Erde zurückzukehren, von der Vorliebe des Menschen zum Wunderbaren. Dann kündigte er an, er werde jetzt Geister zitieren. Sofort erlosch die eine Lampe und die ganze Gesellschaft war in tiefer Finsternis. Zwischen Donnergetöse und dem Läuten der Sterbeglocke, welche die Toten im Grabe erwecken sollten, erschallten die durchdringenden Töne einer Harmonika. Blitze durchzuckten den dunklen Raum und plötzlich leuchtete in unermesslich weiter Ferne ein heller Punkt auf. Allmählich wurde er größer, eine Gestalt, ganz klein, war darin erkenntlich, aber sie näherte sich, sie wurde größer und wuchs ins Riesengroße. Immer näher rückte das Gespenst auf den Zuschauer los – ein Schrei des Entsetzens und die Erscheinung war mit rätselhafter Plötzlichkeit verschwunden. In anderen Fällen stiegen die Phantasmagorien aus dem Boden auf, oder erschienen auf sonst eine unerwartete Weise. Die Geister der großen Männer drängten sich um Charons Nachen, um den Styx zu kreuzen, dann wieder flohen sie vor dem himmlischen Licht und schienen sich in der Unendlichkeit des Raumes zu verlieren.

Es ist nicht ohne Interesse, einen Bericht über eine von Robertsons Vorstellungen von einem Zeitgenossen zu hören. Daselbst heißt es: Robespierre steigt aus seinem Grab und will seinen früheren Ruhm wieder erlangen. Aber er wird von einem Blitz getroffen, der das Ungeheuer und sein Grab zu Staub zerschmettert. Doch da kommen teure Schatten, um den vorherigen Gräuel wieder gut zu machen: Voltaire, Lavoifier, Jean Jacques Rousseau erschienen nach und nach. Diogenes, die Laterne in der Hand, sucht einen Menschen, und um ihn zu finden, geht er scheinbar durch die Reihen der Zuschauer und verursacht namentlich bei den Damen einen sanften Schauder. Und doch sind es nur optische Täuschungen, die aber jeder mit Händen zu greifen und zu fühlen glaubt.

Während sechs oder sieben aufeinanderfolgenden Jahren konnte eine ernste Gesellschaft durch kindische Schwindeleien beherrscht werden. Vielfach wurden sie nachgeahmt; es war die Zeit der Geisterseherei, die selbst große Geister der damaligen Zeit berückte.

Wenn auch leider selbst noch in unserer Zeit der Geisterglaube und die Geistererscheinungen sich wiederholten und auch dadurch Betrug verschiedener Art unterstützt wurde, so hatte auch die Laterna magica ihr magisches Spiel mit dem Schluss des 18. Jahrhunderts ausgespielt. Sie sank mehr und mehr zum ergötzlichen Kinderspielzeug herab. Anders war es, als man lernte, die sehr mangelhafte Beleuchtung wesentlich zu verbessern. Das Drummondsche Licht, ausgestrahlt von im Knallgasgebläse glühend gemachtem Kalk, endlich gar das elektrische Licht, gaben Gelegenheit, die Zauberlaterne zu verbessern und größere Bilder zu erzeugen, welche immer noch hinreichende Lichtstärke hatten. Nun wurde der verkommene und verkümmerte Apparat ein wichtiges Belehrungsmittel. Durch die Benutzung der Fotografie konnten die mannigfachsten Bilder sehr scharf und schön, wenn auch nicht so billig wie die Nürnberger Lackbildchen, dargestellt werden. Aber die Kostspieligkeit des ganzen Apparates war die Ursache, dass er nur in den Händen von wenigen spekulativen Unternehmern war, welche, von Stadt zu Stadt reisend, ihre Nebelbilder vorzeigten.

ProjektionslaterneProjektionslaterne mit 2 Objektiven.

Bei einer derartigen Produktion sind zwei Apparate neben oder übereinander nötig. Da die Vergrößerung in der Regel eine sehr bedeutende ist, so wird das Drummondsche Kalklicht zur Beleuchtung der Bilder angewendet. Dadurch, dass die Blende vor der einen Laterne sich in dem Maße schließt, als sich die vor der anderen öffnet, verschwindet das eine Bild mehr und mehr, während gleichzeitig ein anderes an seine Stelle tritt. Auf diese Weise kann z. B. eine Winterlandschaft in eine Sommerlandschaft verwandelt und manche andere hübsche Überraschung hervorgebracht werden.

Ein wahrhaft nützliches Instrument wurde die alte einfache Zauberlaterne aber erst, als auch Petroleum für die Beleuchtung der Bilder verwendbar gemacht und die Lampen wesentlich verbessert waren. Denn nun konnten billig, wenigstens im Vergleich zu früher, auch sehr vollkommene Apparate in den Handel gebracht werden. Wer z. B. die des Optiker Mittelstraß in Magdeburg prüft, der wird finden, dass die Lampe vorzüglich, die Linsen achromatisch und die Projektionen tadellos sind. Bilder der verschiedensten Art, die sich zu Projektionen eignen, kommen jetzt zu niederem Preise im Handel vor und das Skioptikon, wie diese verbesserte Laterna magica genannt wird, ist ein vorzügliches Mittel, um einer größeren Anzahl von Beschauern irgend ein Bild an die Wand projiziert zu zeigen. Für den geografischen, physikalischen, astronomischen, zoologischen usw. Unterricht ist das Skioptikon ein so wichtiges Demonstrationsmittel geworden, dass an den Lehrsälen der neu gebauten Anstalten besondere Zimmer angebaut werden, in welchen die Vorbereitungen für derartige bildliche Darstellungen jederzeit getroffen sind und nur die durchscheinende Wand freigelegt werden muss, um bestimmte Bilder darauf zu projizieren. Auch in vielen Schulen ist dieser Apparat als Lehrmaterial schon eingeführt, und wo er noch fehlt, kann er nur aufs wärmste empfohlen werden.

• Auf epilog.de am 21. August 2022 veröffentlicht

Reklame