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Elektrische Straßenbahn in Halle

Prometheus • 2.12.1891

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.

Über diese Bahn entnehmen wir einer Veröffentlichung der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft in Berlin folgende Angaben:

Die Bahn, welche der Stadt Halle gehört, ist an die genannte Gesellschaft verpachtet, welche den Pferdebetrieb in den elektrischen Betrieb mit oberirdischer Stromzuführung verwandelt hat. Infolgedessen darf Halle den Ruhm in Anspruch nehmen, nach  Bremen die erste Stadt Deutschlands zu sein, in welcher dieser Betrieb in großem Umfang Anwendung gefunden hat.

In dem zum Betrieb erbauten Elektrizitätswerk liefern drei Kessel, von denen einer in Reserve steht, die Kraft für die Dampfmaschinen, deren eigentümlichen Bau Abb. 1 veranschaulicht. Dieselben sind als kombiniert liegende und stehende Verbundmaschinen gebaut. Der Dampf gelangt also zunächst in den Horizontal-Hochdruck-Zylinder und dann in den vertikalen Niederdruck-Zylinder. Jede Maschine hat 125 PS, die sich jedoch auf 200 PS erhöhen lassen. Sie arbeiten mit der Geschwindigkeit von 200 U/min.

MaschinenhausAbb. 1. Maschinenhaus der elektrischen Straßenbahn in Halle.

Mittelst Riemen werden die in der Abbildung rechts sichtbaren vier Dynamomaschinen angetrieben, deren Umdrehungszahl 520 U/min und deren Kraftverbrauch 90 PS beträgt.

Die Ströme werden in zwei Schienen gesammelt, von denen die eine an die Oberleitung Anschluss hat, während die andere durch eine in die Erde gehende Leitung mit den Schienen verbunden ist. Die eigentliche Leitung den Bahnstrecken entlang ist isoliert, und teils oberirdisch, teils unterirdisch angelegt. Im ersten Fall hängt sie wie eine Telegrafenleitung an Pfosten, im zweiten liegt sie als Bleikabel in der Erde. In gewissen Entfernungen gehen von dieser Leitung Querverbindungen nach der Arbeitsleitung über den Gleisen und von dort zu den Elektromotoren unter den Wagen. Das System der zweifachen Leitung hat, wie die genannte Gesellschaft hervorhebt, große Vorzüge. Sind beide Leitungen in einen Draht vereinigt, so steht bei einem Bruch desselben der dahinter liegende Teil der Bahn außer Betrieb. Bei gesonderten Leitungen hingegen kann der Strom immer noch durch eine Leitung kreisen, und es findet nur auf eine kurze Strecke an der Bruchstelle eine Unterbrechung des Betriebs statt.

Die Arbeitsleitungen bestehen aus 6 mm starkem Siliziumbronzedraht, einem Material, welches eine Festigkeit von 45 kg auf den mm² besitzt, d. h. die 3½-fache Festigkeit des weichen Kupferdrahts. Sie hängen 5,5 m über den Schienen.

Straßenbahn in HalleAbb. 2. Die elektrische Straßenbahn in Halle.

Die Stromleitungen werden in den breiteren Straßen von schmiedeeisernen Gittermasten getragen, welche die Straße nicht verunzieren, wie aus Abb. 2 hervorgeht, welche die Bahnabzweigungen auf dem Riebeckplatz veranschaulicht. Der Strom nimmt seinen Rücklauf zum Elektrizitätswerk durch die Schienen.

Die Wagen unterscheiden sich äußerlich von den gewöhnlichen Straßenbahnwagen nur durch den auf dem Dach angebrachten Kontaktarm, ein Stahlrohr, welches oben eine Rolle trägt. Diese drückt gegen die Arbeitsleitung und stellt die Verbindung her. Auf dem Dach aber ist der Arm in einem Universalgelenk gelagert. Der Strom gelangt vom Kontaktarm durch isolierte Leitungen zu den Elektromotoren. Diese machen 1120 U/min und dürfen daher auf den Laufachsen nicht sitzen. Ihre Bewegung wird vielmehr durch Zahnräder entsprechend verlangsamt.

Die Umschalter auf den Plattformen der Wagen sind derart gebaut, dass der Wagen vorwärts läuft, wenn die Kurbel rechts herum, und rückwärts, wenn sie linksherum gedreht wird. Außerdem bezeichnen sieben Teilungen auf dem Zifferblatt unter der Kurbel ebenso viele Geschwindigkeitsgrade. Der Führer hat es also in der Hand, mit sieben verschiedenen Geschwindigkeiten zu fahren und auch die Bewegung umzukehren, wodurch er die Bremsen unterstützt.

• Auf epilog.de am 6. Dezember 2023 veröffentlicht

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