FeuilletonJournalismus & Nachrichtenwesen

Chinesische Zeitungen

Die Abendschule • 28.8.1880

In dem ungeheuren China, dem Reiche der Mitte, das schon auf derselben Kulturstufe wie heute zu einer Zeit stand, als noch die jetzigen europäischen Kulturvölker in einem Zustande tiefster Barbarei lebten, fördert die unablässige Forschung, besonders der Engländer, immer neue interessante Tatsachen zu Tage, die beweisen, dass viele Erfindungen, die wir erst in einer verhältnismäßig späten Zeitperiode gemacht, bereits viele Jahrhunderte früher in China bekannt waren. So waren z. B. dem Pulver ähnliche Zündmischungen den Chinesen lange vor der Erfindung des sagenhaften Berthold Schwarz bekannt, ebenso die Buchdruckerkunst, die allerdings bei den ersten primitiven Anfängen stehengeblieben, denn noch heute drucken die Chinesen mit Holzlettern und einer Handpresse.

Die älteste chinesische Zeitung, die King-Pao, oder Hauptstädtische Nachrichten, datieren zurück bis zur Dang-Dynastie, welche vom 7 – 10. Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung regierte. Die King-Pao, eine Art offizieller Regierungsanzeiger, erscheinen in Form einer Broschüre. Jede Nummer enthält etwa 12 Bogen, die Seiten sind 15 cm hoch und 8 cm breit und befinden sich in einem Einband von gelbem Papier. Neben diesem Regierungsorgan erscheinen noch zwei weitere amtliche periodische Zeitschriften, die Sich Pen und die Tschang-Pen, denen sich eine Monatsschrift, Namens Fa-Tsing-Kin-Shin oder Annalen des Kaiserreichs anreiht.

Neuerdings haben die Chinesen nach dem Vorbild der Engländer auch Zeitungen, die den unsrigen ähnlich herauszugeben begonnen. Die ersten waren der Wic-Pao und der I-Pao, die äußerlich durchaus den europäischen Zeitungen gleichen, allein in ihren Spalten das starrste Festhalten am Althergebrachten und die erbitterte Feindschaft gegen das Eindringen der Fremdlinge in das himmlische Reich verfechten. Beide übertrifft an wildem Hass gegen die Europäer der Lin-Pao, eine täglich erscheinende Zeitung, die bald ihre oben genannten Konkurrenten überflügelte und aus dem Feld schlug, obgleich diese im Jahr 1872, bei dem letzten Thronwechsel, ihre Loyalität auf eine auffällige und nach chinesischen Begriffen äußerst anerkennenswerte Art bewiesen hatten. Beim Tod des Kaisers Toung-che erschien der I-Pao nämlich zum Zeichen der Trauer ganz mit blauer Farbe gedruckt und bei der Thronbesteigung seines Nachfolgers waren zum Zeichen der Freude die Lettern schwarz auf scharlachrotem Papier, während der Wic-Pao rote Farbe auf dem gewöhnlichen weißen Papier benutzte.

• Auf epilog.de am 18. März 2024 veröffentlicht

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