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Elektrische Omnibusse im öffentlichen Verkehr in Berlin

Allgemeine Automobil-Zeitung • 11.3.1900

Am 1. März 1900 wurde in Berlin der öffentliche Betrieb der Linie Stettiner Bahnhof – Anhalter Bahnhof durch zwei elektrische Omnibusse der Allgemeinen Omnibusgesellschaft eröffnet. Die beiden, der Allgemeinen Omnibusgesellschaft in Berlin gehörigen, von der Gesellschaft für Verkehrsunternehmungen in Berlin hergestellten Wagen (Nr. 651 und 654), Omnibusse mit elektrischem Betrieb, sind nach mit bestem Erfolg durchgeführten Probefahrten von den Vertretern der Abteilung für das öffentliche Fuhrwesen auf ihre Lenkbarkeit und Kraft geprüft worden, wobei sich die behördlichen Funktionäre über die günstigen Ergebnisse der Prüfung sehr befriedigt äußerten und die Genehmigung zur Einstellung in den öffentlichen Verkehr erteilen. Die Berliner Polizeibehörde steht der Einführung von Motorwagen mit elektrischem Betrieb in den öffentlichen Verkehr sehr sympathisch gegenüber und bringt allen dahin zielenden Bestrebungen ein wohlwollendes Interesse entgegen.

Elektrischer Omnibus

Die allgemeine Vorstellung, dass ein elektrischer Omnibus in seiner Bauart ein wahres Wagenungeheuer darstellen müsse, wird durch den Augenschein eines Besseren belehrt. Ein solcher Omnibus, wie er sich unseren Lesern in dem Bild präsentiert, ist trotz seines Gewichtes von 4000 kg ein elegantes Straßengefährt. Die elektrischen Omnibusse der ›Allgemeinen Berliner‹ haben zumeist zwölf Sitzplätze im Inneren und sechs Stehplätze auf dem Hinterperron, auf welchem der Fahrgast durch einen bequemen, gut federnden Aufstieg gelangt. Der Vorderperron ist ausschließlich dem Wagenführer eingeräumt, damit dieser durch Fahrgäste keine Ablenkung in seinem an sich nicht leichten Dienst erfährt. Gelenkt wird der Wagen durch ein vertikales Steuerrad, das, ähnlich wie bei den Schiffen, sich in sympathischem Sinne bewegt, das heißt eine Bewegung des Steuerrades nach rechts bringt den Wagen nach der rechten Seite, umgekehrt eine solche nach links bringt den Wagen nach der linken Seite. Die Steuerung ist also eine sehr einfache. Zu seiner Linken hat der Führer einen Fahrschalter, mittels dessen er den Wagen auf wenige Schritte bremsen kann, zu seiner Rechten die gewöhnliche mechanische Bremse. Verlässt er den Wagen, dann wird er denselben mittels Hebels ›anschließen‹, das heißt unbeweglich machen, damit kein Unberufener sich hier zu schaffen macht. Der Vorder- und Hinterperron hat je einen Notausschalter, der vom Führer, beziehungsweise vom Schaffner bedient wird und mittels dessen der Wagen jederzeit momentan zum Stehen gebracht werden kann, was bei dem großen Verkehr von nicht zu unterschätzender Wirkung ist. Abends ist der Vorderperron während der Fahrt nicht beleuchtet, damit der Führer durch das Licht nicht geblendet wird. Vor den Vorderrädern ist ein Bahnräumer angebracht. Der Wagen selbst kann sich vor- und rückwärts bewegen. In seiner Ausstattung lehnt er sich an die Berliner Straßenbahnwagen an. Die Kraftquellen liegen unter den keineswegs hohen, eleganten und im Winter gepolsterten Sitzen. Für eine taghelle elektrische Beleuchtung am Abend (sowohl Seiten- als auch Deckenbeleuchtung), sowie für gute Ventilation ist Sorge getragen.

Im Übrigen werden im Laufe dieses Sommers auch elektrische Sommerwagen in Betrieb gestellt werden. Auf dem Dach trägt der Omnibus Ladebügel, die sich auf den Ladestationen am Stettiner und Anhalter Bahnhof während des jedesmaligen Aufenthaltes daselbst gegen die Kontaktbahnen legen und automatisch die Ladung besorgen, ohne dass irgendeine Bedienung hierzu erforderlich wäre.

• Auf epilog.de am 19. September 2017 veröffentlicht

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