Daseinsvorsorge – Kommunalwirtschaft
Eine elektrische Müllverladestation
BEW-Mitteilungen • Oktober 1905
Die für das Fortschaffen des Mülls in Berlin bestehenden Vorschriften, insbesondere die Verfügung des Bundesrats vom Jahr 1904, laut welcher die Verladung des Hausmülls auf den Bahnhöfen in staubfreier Weise erfolgen muss, haben der Elektrizität Gelegenheit gegeben, sich auch bei dieser Arbeit mit Erfolg zu betätigen. Während die Wirtschaftsgenossenschaft Berliner Grundbesitzer, welche sich speziell mit der Abfuhr des Mülls aus den Grundstücken beschäftigt, bis dahin in der Art seiner Verladung auf Eisenbahnwaggons – eine Ablagerung innerhalb 40 km um die Stadt ist nicht gestattet – freie Hand hatte, wurde sie durch die genannte Bestimmung veranlasst, Einrichtungen zu treffen, die eine Staubentwickelung bei dieser Verrichtung ausschließen. Müllverladestation der Wirtschaftsgenossenschaft Berliner Grundbesitzer in der Mühlenstraße. So entstanden in verschiedenen Teilen Berlins Verladestationen, von denen die auf dem Gelände der Schlesischen Bahn, an der Mühlenstraße gelegene für uns besonderes Interesse hat. Hier befindet sich das Straßenniveau in gleicher Höhe mit dem der Eisenbahn. Die Genossenschaft war daher genötigt, für das Verladen ein Hebewerk zu errichten, dessen Betrieb sie in modern praktischer Weise elektrisch gestaltete.
Wie unsere Bilder erkennen lassen, trägt dasselbe in seinem oberen, überdachten Teil den Antriebsmechanismus und erstreckt sich gerüstartig über die zur Aufnahme der Waggons bestimmte Halle, neben welcher beiderseits Förderkörbe angeordnet sind, in denen die zu entleerenden Müllwagen Platz finden. Letztere sowohl wie die Förderkörbe besitzen Bodenöffnungen, welche mit in der Decke der Waggonhalle vorgesehenen Klappen, die sich selbsttätig nach innen öffnen, korrespondieren.
Der elektrische Antrieb des Hebewerks.Der Entleerungsprozess ist nun kurz folgender. Der bespannte Müllwagen fährt in den an Drahtseilen hängenden Förderkorb ein, dessen Türen sich schließen. Der Korb wird elektrisch gehoben und dann seitlich über die Halle geführt, auf der er zum Stillstand kommt. Dabei funktioniert ein Hebelwerk, die Klappen öffnen sich, und der im Wagen befindliche Müll fällt in den darunter aufgestellten Waggon. Die Halle ist hierbei ebenfalls geschlossen. Sobald der Wagen völlig entleert ist, was sich in wenigen Minuten vollzieht, geht der Förderkorb denselben Weg zurück, der leere Wagen fährt aus, und auf der anderen Seite der Halle steigt der zweite Korb mit Inhalt in die Höhe. Hat man einen Eisenbahnwaggon auf diese Weise mit Müll gefüllt, so wird er mit einer Plane sicher abgedeckt und mittels elektrisch betriebener Spills auf dem durch die Wagenhalle und den Hof der Verladestation führenden Anschlussgleis aus dieser heraus in den Bahnhof geschafft.
Ein gefüllter Waggon wird mittels des elektrischen Spills (links) in den Bahnhof befördert.Das Heben der Förderkörbe, von denen je einer mit belastetem Wagen, Pferden und Kutscher rd. 14 400 kg wiegt, besorgen 2 Aufzüge, die von je einem 15 pferdigen Elektromotor angetrieben werden, während zwei 5 PS-Motoren die beiden der Querbewegung dienenden Laufkatzen betätigen. Seitlich, an einem Pfeiler des Hebewerks, befindet sich der Führerstand, in dem alle für den Betrieb erforderlichen Schalt-, Regulier- und Anlassapparate untergebracht sind, und von dem aus die gesamte Anlage in bequemster Weise übersehen und bedient werden kann. Die zur Speisung der Elektromotoren einschließlich der Spills notwendige Energie wird dem Leitungsnetz der Berliner Elektrizitäts-Werke (B.E.W.) entnommen.