Bau & Architektur – Wohnungsbau
Wasserversorgungs-Anlage
für eine einzelne Villa
Deutsche Bauzeitung • 29.9.1870
Je mehr auch in Deutschland die Überzeugung von der Gesundheit und Annehmlichkeit des Wohnens in frei gelegenen, nur für den Gebrauch einer Familie bestimmten Häusern Anhänger gewinnt, in desto weiterem Kreise umgeben sich unsere Großstädte mit einem Kranz von mehr oder minder opulent ausgestatteten Villen. Die Zahl derselben würde wahrscheinlich noch schneller wachsen und das Terrain für derartige Privatansiedlungen würde vielleicht in noch weiterer Entfernung und teilweise in geeigneterer Gegend aufgesucht werden, wenn diese Anlagen – sobald sie nicht sofort im größeren Maßstab unternommen und vorbereitet werden – nicht häufig allzu sehr des gewohnten großstädtischen Komforts entbehren müssten.
Keine dieser Entbehrungen – es müsste denn an geeigneten Wegeverbindungen fehlen – ist schwerer zu ertragen als der Mangel einer ausreichenden und bequemen Versorgung mit Wasser, und leider sind diesem Mangel häufig schon solche Villen ausgesetzt, die in unmittelbarer Nähe einer großen Stadt liegen, von dem Rohrnetz der städtischen Wasserleitung jedoch nicht mehr erreicht werden.
Es sind daher in neuerer Zeit verschiedenartige Einrichtungen der Wasserversorgung für solche Einzelvillen getroffen worden, die jedoch hier keineswegs sämtlich aufgezählt werden sollen. Es dürfte vielmehr genügen, wenn die vollkommenste derselben, die nicht nur auf Beschaffung von kaltem, sondern auch von warmem Wasser Bedacht nimmt, in einem speziellen Beispiele dargestellt und beschrieben wird. Das zur Anwendung gebrachte System ist von dem Ingenieur Stumpf (Firma Elsner & Stumpf zu Berlin) konstruiert und hier in einem Durchschnitt durch die Wirtschaftsräume einer Villa zur Darstellung gebracht.
Erstes Stockwerk: Schlafzimmer, Klosett, Badezimmer.Erdgeschoss: Küche, Speisezimmer.
Kellergeschoss: Kesselraum, Waschküche.
Im Souterrain, neben der Waschküche, steht ein kleiner mit geringer Mühe und unbedeutendem Brennstoffverbrauch zu unterhaltender Dampfkessel a, welcher die unmittelbar neben ihm aufgestellte doppeltwirkende Dampfpumpe einfacher Konstruktion treibt. Dieselbe saugt das Wasser aus einem in der Nähe befindlichen Brunnenkessel und der Druckstrang c ist direkt nach dem auf dem Boden stehenden Reservoir b geführt. Dadurch, dass die Pumpe doppeltwirkend ist, wird es möglich, dass dieser Steigestrang gleichzeitig das Hauptrohr der Kaltwasserleitung bildet. Es sind in ihm direkt die Abzweige nach den Ausgussbecken in der Küche, Waschküche und im Speisezimmer, nach der Waschtoilette im Schlafzimmer, nach dem Wasserklosett und nach dem Badezimmer angebracht. Ein Abzweig dicht über der Pumpe versorgt den Garten durch den Rohrstrang p, welcher mittelst des Hahnes e ganz absperrbar bzw. im Winter zu entwässern ist. Hinter diesem Hahn e verzweigt sich der Gartenstrang und speist in der angedeuteten Weise Sprenghähne und die Fontaine, welche einzeln außer Tätigkeit gesetzt werden können.
Die Dampfpumpe arbeitet, solange im Garten Wasser gebraucht wird, natürlich unausgesetzt. Sonst genügt es, nur immer das Reservoir gefüllt zu halten, und zur steten Kontrolle hierüber wird durch eine an einem Schwimmer befestigte Kette der Wasserstand des Reservoirs im Souterrain neben dem Kessel angezeigt. Ein Signalrohr, welches nach unten geführt ist, gibt außerdem dadurch, dass es beginnt, Wasser zu speien an, wenn das Reservoir ganz gefüllt ist.
Die Einrichtung des Wasserklosetts ist die gewöhnliche, bekannte. Auch die Badestube ist so eingerichtet, wie es jetzt in der Regel üblich ist, nur ist noch Vorkehrung getroffen, dass man die Temperatur des zum Brausen benutzten Wassers beliebig regulieren kann. Feuerhähne können an jeder beliebigen Stelle auf Korridoren etc. angebracht werden. Die ganze Leitung wird, im Fall, dass eine Reparatur notwendig ist, durch den Haupthahn d abgesperrt.
Das wesentlich Neue der Einrichtung besteht in der Beschaffung von warmem Wasser ein Komfort, der in Deutschland allerdings noch nicht allzu häufig gefunden wird, jedoch in nicht allzu langer Zeit für ebenso unentbehrlich gehalten werden dürfte, wie schon jetzt die Zuleitung kalten Wassers. Die praktischen Amerikaner haben das schon längst anerkannt und legen ihre Wasserleitungen dem entsprechend an. Man ist dadurch nicht mehr gebunden, sich im Laufe des Tages mit dem geringen Inhalt eines etwa an der Kochmaschine der Küche angebrachten Warmwasserkessels zu begnügen, man braucht zur Bereitung eines einfachen Bades nicht erst große Vorkehrungen zu treffen – kann also zum Vorteil seiner Gesundheit weit öfter baden – und hat zu einer Menge häuslicher Verrichtungen stets warmes Wasser zur Hand, die man eben nur gezwungen mit Hilfe von kaltem Wasser vornimmt.
Die betreffende Einrichtung ist wie folgt bewirkt. Das Reservoir b speist mittelst des Schwimmkugelhahns ik das kleinere und etwas tiefer stehende Reservoir g. Von diesem aus führt ein Rohrstrang f nach dem im Souterrain neben Kessel und Dampfpumpe stehenden Vorwärmer o, in dessen unteren Boden er einmündet. Dieser Vorwärmer ist gänzlich mit Wasser gefüllt und aus ihm ist das Steigrohr h bis nach dem Boden geleitet. Im Vorwärmer, also vom Wasser umspült, liegt eine Rohrschlange, welche am unteren Ende entweder den abgehenden Dampf der Pumpe oder auch, wenn diese steht, frischen Kesseldampf empfängt und deren Fortsetzung am anderen Ende das Abluftrohr bildet, welches über das Dach geführt ist. In dieses Abluftrohr mündet ganz oben das Steigrohr h. Die Wirkungsweise dieser Vorrichtung ist sonach folgende. Sobald der Dampf in der Schlange zu zirkulieren beginnt, erwärmt sich das Wasser (welches natürlich im Rohr h so hoch steht, wie der Spiegel des Reservoirs g) im Vorwärmer und die erwärmten Teilchen steigen im Rohr h, weil dieses von oben in den Vorwärmer geführt ist, empor (ähnlich wie bei einer Warmwasserheizung). Somit kann man aus allen mit h zusammenhängenden Seitensträngen warmes Wasser erhalten, dem Kubikinhalt des Vorwärmers entsprechend selbst noch geraume Zeit, nachdem der Dampf aufgehört hat, durch die Schlange zu zirkulieren. Solche Seitenstränge führen nach der Küche und Waschküche, nach dem Speisezimmer, nach der Badestube und nach der Waschtoilette im Schlafzimmer. In dem Maß, wie dort warmes Wasser entnommen wird, sinkt kaltes aus dem Reservoir g nach unten, um neu erwärmt zu werden. Das Niveau in g wird wie erwähnt durch einen Schwimmkugelhahn von b her stets auf einer bestimmten Höhe erhalten.
Übrigens kann das warme Wasser beliebig weit, selbst über einen freien Hof hinweg geleitet werden, ohne dass man wesentliche Wärmeverluste zu befürchten hätte. Man besitzt jetzt die Mittel, um solche fast ganz und gar zu vermeiden.
Eine Explosion des Vorwärmers, Überkochen oder dergleichen ist niemals zu befürchten, da das System ein offenes ist und somit die Temperatur des Wassers nie über 100° steigen kann. Überdies erwähnten wir, dass das Steigerohr h in das Abluftrohr mündet, welches selbst allen sich bildenden Dampf beliebig weit über das Dach führt.
Das in der Schlange und im Abluftrohr sich bildende Kondensationswasser wird nach einem kleinen Reservoir geleitet, in welchem die Kesselspeisepumpe m steht, die übrigens auch aus dem Brunnen saugen kann, falls Kondensationswasser nicht vorhanden ist. Ebenso besteht die Einrichtung, dass der Kessel auch durch die Dampfpumpe, wenn diese im Gange ist, gespeist wird. Selbstredend kann man durch Verzweigungen das System beliebig ausdehnen, ohne allzu früh an der Grenze anzukommen, wo eine einfache Dampfpumpe nicht mehr zur Beschaffung der Wassermengen, welche man braucht, ausreicht. Hauptsächlich wird nur die Größe des Reservoirs b zunehmen müssen.
Das Wesen der ganzen Einrichtung dürfte hiernach klargelegt sein und es kann nur noch erwähnt werden, dass dieselbe bereits mehrfach ausgeführt wurde und sich stets vortrefflich bewährte. Die Fabrik von Elsner & Stumpf hatte es sich zur Spezialität gemacht, derartige Einrichtungen zu treffen und das System mehr und mehr auszubilden.
Bei bestehender kalter Wasserleitung und wo eine Dampfpumpe nicht vorhanden ist, kann eine Leitung für warmes Wasser einfach dadurch ermöglicht werden, dass man im Souterrain einen kleinen Kesselapparat aufstellt, ganz ähnlich wie für eine Warmwasserheizung und nur von dem Umfang, dass sein Inhalt so viel Wärmereservationsvermögen besitzt, um nach einmaliger Heizung am Morgen während des ganzen Tages den Bedarf an warmem Wasser zu decken. Dieser Kessel wird von einem Reservoir gefüllt, welches auf dem Boden stehend, mit der kalten Wasserleitung ähnlich in Verbindung gebracht ist, wie in unserer Abbildung g mit b. Das Steigerohr entspricht genau dem Rohr h unserer Beschreibung, nur ist es selbst direkt bis über das Dach geführt, da ein Abluftrohr nicht existiert.
Die Herstellungskosten einer Haus-Wasserleitung nach dem System Stumpf sind nicht so hoch, dass sie nicht durch die erlangten Vorteile reichlich aufgewogen würden. Die Dampfpumpe braucht man, auch wenn man von der Beschaffung warmen Wassers absieht, jedenfalls. Sie kostet bei einem Förderquantum von 3000 Liter pro Stunde etwa 150 Taler*, *) 1 Taler in 1870 entspricht einer Kaufkraft von rund 32 € in 2024. von 6000 Liter pro Stunde 200 Taler. Die erstere Größe wird in den meisten Fällen genügen. Der Dampfkessel von entsprechender Größe inkl. Armatur wird für 300 bzw. 400 Taler, der Vorwärmer inkl. Schlange für 100 – 120 Taler zu haben sein. Rohrleitung und Reservoirs weichen natürlich auch im Preis nicht von den bisherigen Normen ab. Durchschnittlich wird eine Einrichtung für kaltes und warmes Wasser an 30% mehr kosten, wie für kaltes allein. Der Unterschied im Betrieb ist dagegen kaum zu berücksichtigen, da man in der Regel mit dem Abdampf der Pumpe ausreichen wird.
• R. Henneberg.