Bau & Architektur – Brücken
Der Viadukt über das Lysedal in Norwegen
Illustrirte Zeitung • 27.9.1879
Das Zeitalter des Dampfes hat zwischen Schweden und Norwegen einen neuen Verbindungsweg geschaffen, einen Verkehrsweg in einer Gegend, die während der Zeit der Feindschaft beider Völker vorzugsweise ausersehen zu sein schien, durch Feuer und Eisen verheert zu werden. Das Feuer und das Eisen ist jetzt dem friedlichen Verkehr daselbst dienstbar gemacht worden.
Der Viadukt über das Lysedal bei Frederikshald in Norwegen. Das Bedürfnis eines schnellen Verkehrswegs zwischen den beiden, unter einem Haupt vereinigten Reichen hatte sich schon längst auf beiden Seiten des Kjölengebirges fühlbar gemacht, weshalb man vor ungefähr acht Jahren die Bahn von Laxå über Arvika und Charlottenberg nach Christiania erbaute. Allein diese Bahn zieht sich in einem langen Bogen nördlich um den großen Wenernsee; der Verkehr zwischen den beiden Reichshauptstädten war durch dieselbe zwar hergestellt, aber das westliche und mittlere Schweden blieben davon unberührt, und der Verkehr von Norwegen nach Gothenburg, dem neuen Zentralpunkt des schwedischen Handels, nach Südschweden, Dänemark und Deutschland war nur auf großen kostspieligen Umwegen oder zur See möglich.
Als nun endlich die Gothenburger 1872 mit dem Bau der Bergslagsbahn (Gothenburg –
Die Bahn bietet bis Frederikshald für Touristen ein besonderes Interesse wegen der vielen schönen, mit Wäldern umkränzten Seen und bewaldeten Berge. Wenn man bei der Station Ed die Reichsgrenze auf einer Brücke zwischen zwei Seen überschritten hat, gelangt man auf den großen Viadukt über das Lysedal, den das Bild veranschaulicht, und weiter durch eine Menge aus Granit gesprengter Einschnitte und Tunnel nach Frederikshald, in dessen Nähe man das reizende Tistedal und die Festung Frederiksten überblickt.
Der erwähnte Viadukt, welcher das Lysedal in einer Länge von 250 m überspannt, erhebt sich 32 m über der im Tal still dahinfließenden Elve, die aus einem nahen See entspringt. Der eine Bergabhang ist mit hohen Fichten bewachsen, und die Landschaft gewährt hier einen ziemlich düsteren Anblick. Die von dem schwedischen Ingenieur Petterson herrührende kühne Konstruktion der Brücke hat bei allen Technikern Aufsehen erregt, und in Fachschriften spricht man sogar schon von einem ›System Petterson‹. Dieses neue System unterscheidet sich von anderen dadurch, dass die senkrechten Zwischenpfeiler aus ganz einfachen schmiedeeisernen Böcken bestehen, sich am Fuß wie an der Brückendecke in Angeln bewegen und in der Längenrichtung der Brücke nur durch die an derselben befestigten Brückenriegel, die nach der sogenannten Fischbauchkonstruktion ausgeführt sind, festgehalten werden.
Die Bahn wurde am 24. Juni 1879 in Gegenwart des Königs Oskar, welcher bei dieser Gelegenheit eine von echt dichterischem Geist durchwehte Rede hielt, feierlich eröffnet.