Verkehr – Nahverkehr
Die unterirdische Eisenbahn in London
Illustrirte Welt • Januar 1863
Die interessanteste Eisenbahn, welche bis jetzt gebaut wurde, ist wohl unstreitig die unterirdische, die unter der Oberleitung der Ingenieure J. Fowler und Maon Johnson auf Kosten der beiden Unternehmer John Jay und Smith & Knight ausgeführt wurde. Die ganze Bahn erforderte ein Kapital von 1 125 000 Pfund Sterling [rd. 160 Mill. € in 2024]. Sie verbindet die vier wichtigsten Bahnhöfe auf der Nordseite der Themse miteinander, hat eine Länge von 7,3 km, beginnend bei Paddington, der Endstation der Great-Western-Bahn, und bei Finsbury Zirkus in der City endend.
Die Bahn hat sechs bis sieben Zwischenstationen und liegt da, wo die in die Bahnlinie fallenden Gebäulichkeiten um billige Kosten zu kaufen waren, in offenen Einschnitten; Die Längenangaben und andere Maße des Originaltextes wurden in das metrische System umgerechnet. auf den anderen Strecken ist sie in Tunnels geführt, die mit Gas beleuchtet werden. Der Bahn fehlt es demnach an der gehörigen Ventilation nicht. Die End- und Zwischenstationsbahnhöfe haben 60 m lange und 3 m breite Perrons und sind als Tagebauten ausgeführt. Fast die ganze Bahn liegt in Kurven, wovon die stärkste 180 m Halbmesser hat. Die Tunnels, in elliptischer Querdurchschnittsform ausgeführt, sind ungefähr 8½ m breit und 5 m, an manchen Stellen auch 5½ m hoch, und bestehen aus sechs 11 cm breiten in hydraulischen Kalk und, an sehr feuchten Stellen, in Portlandzement gemauerten Backsteinrollschichten. Die größte Steigung der Bahn beträgt 1 : 100, und die größte Tiefe unter der Erdoberfläche 16½ m. Die Bahn hat zwei Schienengleise.
Die neuen Lokomotiven, welche ihren Rauch und Dampf selbst verzehren, bewähren sich vollkommen, und bei der guten Lüftung und Beleuchtung der Tunnels fallen die meisten Unannehmlichkeiten der gewöhnlichen unterirdischen Eisenbahnfahrten weg. Die Passagierwagen werden mit Gas beleuchtet, und der Apparat ist ein sehr einfacher. Längs eines jeden Wagendaches läuft nämlich in der Mitte ein hölzerner, etwa 90 cm breiter und 60 cm hoher Trog hin, in diesem liegt ein langer, mit Brenngas gefüllter Kautschuksack, und auf Letzterem ein schweres Brett, um einen gleichmäßigen Druck auszuüben; der Sack, dessen Schlauch in die Wagenlampen mündet, enthält Brenngas, um zwei Lampen drei bis vier Stunden lang zu speisen, lässt sich mit Leichtigkeit in wenigen Minuten füllen, und erspart das ewige Putzen und Dochtherrichten der Lampen. Es soll auf dieser Bahn von sechs Uhr morgens bis Mitternacht alle zwanzig Minuten ein Zug hin- und zurückgehen, und wird die Fahrtaxe jedenfalls billiger als die der Omnibusse gestellt sein.
Die Ausführung zeigte sich als eine sehr schwierige, sowohl wegen der alten Wasser-, Gas- usw. Leitungen, auf welche man stieß, als auch wegen des sehr wasserhaltigen Grundes, der keine genügende Konsistenz bot, was alles mitunter besondere Bauten nötig machte. Man hofft durch diese Bahn einerseits den außerordentlich lebhaften Verkehr auf der Straße von Oxford-Holborn und Newgatestreet zu mindern, andererseits rechnen aber die Unternehmer auch auf eine gute Rente. Anfang Oktober 1862 ist die Bahn dem Verkehr übergeben worden.
• Dr. Leonhard Hansen.