Bau & ArchitekturBrücken

Über Brückenbauten

Das Neue Universum • 1880

Voraussichtliche Lesezeit rund 16 Minuten.

Die ältesten Brücken größerer Dimensionen, von denen uns die Geschichte der Alten berichtet, überspannten den Bosporus und die Donau. Darius Hystaspes, Sohn des Hystaspes, aus dem alten persischen Königsgeschlechte der Achämeniden unternahm im Jahr 513 v. Chr. den berühmten Eroberungszug nach Westen gegen die Skythen, überschritt mit 700 000 Mann eine Brücke, die er über den Bosporus schlagen ließ, unterwarf Thrakien und Makedonien und wandte sich gegen die Donau, über welche er, gleich wie der spätere Xerxes über den Hellespont, ebenfalls eine Schiffbrücke schlug. Die älteste uns bekannte feste Brücke war die aus Zedern- und Zypressenbalken ausgeführte Euphrat-Brücke zu Babylon. Wie uns berichtet wird, ruhte ihr Überbau bereits auf steinernen Pfeilern. Freilich konnten sie eine nur sehr geringe Spannweite haben, denn bedeutendere Öffnungen waren überhaupt erst nach Erfindung der Gewölbekonstruktion möglich. Dem Philosophen und Mathematiker Demokritos wird diese Errungenschaft zugeschrieben, und schon in frühen Zeiten Roms finden wir bei Strombrückenbauten, bei Viadukten und Aquädukten ausgedehnte Anwendung. Die Ämiliusbrücke, die heutige Engelsbrücke über die Tiber, die Augustusbrücke zu Rimini, beide von Halbkreisbögen überwölbt und mit geschlossenen Brüstungen versehen, der Viadukt zwischen Rom und Gabbii, wie die über kühne Bogen geführte Wasserleitung des Appius Claudius bei Rom und viele andere, herrliche Denkmäler, sind uns bis auf den heutigen Tag erhalten und beredte Zeugen römischer Baukunst.

Mit dem Untergange des Weströmischen Reiches, das auf ein Jahrtausend hinaus so Vieles mit sich in das Grab genommen, kam auch der Brückenbau in Verfall. Es erfolgte eine lange Pause und erst im Mittelalter, mit der Entwicklung des Städtelebens, regte es sich wieder allmählich.

Auf die technische Entwicklung des Brückenbaues tiefer einzugehen, haben wir uns nicht zur Aufgabe gestellt, denn alle, die Bestrebungen des Mittelalters, die Bauten der letzten Jahrhunderte, ja selbst die bewundernswerten Denkmäler griechischer und römischer Antike müssen bescheiden zurücktreten, vor den Errungenschaften, vor den Bauten der Jetztzeit.

Die Forschungen auf dem Gebiet der Erdkunde, die Entdeckungen und Dienstbarmachung der Naturkräfte, und vieles Andere, hat die Physiognomie unseres Erdballs mit einem Male wesentlich geändert. Und in eben dem Maße, wie sich diese Errungenschaften in den letzten Decennien nach und nach, zu gewaltiger Höhe aufbauten, so wuchs der Verkehr unter den Kulturvölkern in eminenter Weise. Handel und Industrie waren binnen kurzem zur bedeutenden Macht geworden und ihre Forderungen für Verkehrsmittel wuchsen von Tag zu Tag. Früher nie geahnte Ansprüche traten in immer größerem Maß an den Techniker heran, und wenn wir um uns blicken – er hat viele seiner Aufgaben glänzend gelöst!

Mit der Entdeckung und Verwendung der Dampfkraft, in zweiter Linie insbesondere durch den Eisenbahnbau, kamen auch für das Brückenbauwesen schwierig zu lösende Probleme, denn nunmehr galt es, breite und tiefe Ströme, deren Überbrückung bisher nur in seltenen Fällen unter besonders günstigen Bedingungen möglich gewesen war, zu überspannen und die Ufer für den Eisenbahnverkehr zu verbinden. Dies musste in einer Weise geschehen, dass die rege Schifffahrt, insbesondere die Fahrt der Dampf- und Segelschiffe mit ihren hohen Kaminen und Masten nicht gehemmt oder gar unmöglich gemacht wurde. Es wurde zur Bedingung, dass möglichst wenige Pfeiler ins Strombett eingesetzt würden, dass die Brücke selbst so hoch über den Wasserspiegel zu liegen käme, dass die Schiffe ungehindert unter ihr wegzufahren vermöchten. Diese beiden Notwendigkeiten führten zur Erfindung und Konstruktion der Kettenbrücken. Bei diesem System sind nur zwei weit auseinanderstehende turmähnliche Strompfeiler nötig, die zur Unterstützung für schmiedeeiserne Ketten oder Drahtseile dienen, welche als Brückenträger über diese hohen Pfeiler hinweglaufen und an den beiden Ufern fest verankert sind. An diesen tragenden Ketten oder Seilen wird nun mittelst eiserner Schienen und Stangen das eigentliche Brückenlager angehängt mit unter sich verbundenen Balken und Bohlen, wodurch eine Brückenstraße von großer Tragkraft hergestellt wird. So bewundernswert jedoch diese Konstruktion auch ist und wie leicht und gefällig dieselbe bei aller Tragfähigkeit dem Auge erscheint, so zeigte sich doch bald der große Nachteil, dass die in solcher Weise hergestellten Brücken schon bei mäßigen Windstößen und durch den Gebrauch selbst in starkes Schwanken geraten. Diesem Umstand ist es zuzuschreiben, dass die Kettenbrücke wohl für den gewöhnlichen Verkehr über große Flüsse und Ströme, nicht aber für Eisenbahnzwecke tauglich ist. Sie sind deshalb auch nur in geringer Zahl in Anwendung gebracht. Eine der schönsten Kettenbrücken ist die von Pest nach Ofen über die Donau führende.

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• Auf epilog.de am 6. September 2024 veröffentlicht

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