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Die Thermalwasserheizung in der Stadtpfarrkirche zu Baden-Baden

Deutsche Bauzeitung • 12.7.1867

Bei Gelegenheit der Restauration der alt-ehrwürdigen, auf römischen Substruktionen, wahrscheinlich denen eines Minervatempels, erbauten Stiftskirche hatte ich mit dem für die Restauration der Kirche nötigen Plan auch das Projekt einer Luftheizung mit zwei Calorifères ausgearbeitet. Die Ausführung dieses Projekts zerschlug sich, weil die Stadtgemeinde Baden zwar bereit war, die benötigten Kosten zu bewilligen, hingegen die für Anschaffung des alljährlich nötigen Brennmaterials, für die Unterhaltung der Öfen, sowie für die Anstellung eines Heizers erforderlichen Mittel nicht aufgebracht werden konnten. Da jedoch der Wunsch der Bevölkerung eine Heizung dringend verlangte, so kam ich auf die Idee, die in der Nähe der Kirche entspringenden Thermalquellen, welche über Winter unbenutzt ablaufen, hierfür zu verwenden. Das Nivellement ergab, dass der sogenannte Ursprung, die Hauptquelle der sechs Thermen, noch 1,3 m höher liegt als der Boden der Kirche; es war sonach die Zuleitung der Hauptquelle, so wie noch einer höher entspringenden Quelle, in die Kirche ermöglicht. Diese beiden Quellen ergeben per Tag 350 m³ und haben beide an den Quellen 67° C.

Da keine Erfahrungssätze über Verwendung des Wassers von so niedriger Temperatur zur Heizung von Räumen vorlagen, so wurde die Größe der wärmeabgebenden Oberfläche der Röhren theoretisch berechnet. Hierbei lag die Annahme zu Grunde, dass sich das Wasser bei dem Durchlaufen durch die Kirche um 15° C abgekühlt habe. Es ergab sich hiernach, dass zur Erwärmung der Kirche mit ca. 12 000 m³ Inhalt, bei 0° auf 15° C, und bei minus 6° C auf 8° C 760 m Röhren von 2 cm Durchmesser nötig wären. Die Anbringung und solide Unterhaltung dieser Menge von kleinen Röhren wäre besonders bei den salzigen Bestandteilen des hiesigen Thermalwassers, welche in kürzester Zeit alle weichen Lötungen angreifen, mit zu großen Kosten und Umständen verknüpft gewesen. Ich entschloss mich deshalb, statt der Röhren von nur 2 cm Durchmesser, solche von 10 cm zu verwenden, deren Oberfläche doppelt so groß ist, als sich nach der vorgenannten Berechnung ergibt. Diese Vermehrung der Oberfläche habe ich für nötig erachtet, weil die Röhren nicht freigelegt, sondern nur in gemauerten, mit Eisengittern überdeckten Kanälen angebracht werden konnten, und namentlich weil vorherzusehen war, dass bei der Abkühlung des stark salzhaltigen Wassers sehr bald Niederschläge im Inneren der Röhren sich ansetzen und die Wärmeausströmung hindern würden.

Das ganze Wasserquantum ist bei dem Einströmen in zwei gleiche Teile geteilt und durchströmt in zwei vollkommen abgesonderten Leitungen die Kirche möglichst gleichmäßig, so dass im Falle der Reparatur der einen Leitung die zweite immer noch funktionieren kann. Bei dem Auslauf des Wassers aus der Kirche sind zwei Stellhähne angebracht, um das Wasser in den Röhren der Art zu spannen, dass dieselben immer vollkommen angefüllt sind. Die ganze Leitung ist in Kupfer ausgeführt, wovon der laufende Meter 3½ kg wiegt. Alle Verbindungen der einzelnen Röhren, oft bis zu 10 m Länge, sind hart gelötet, während die einzelnen Röhrenstücke mit einander durch Flanschverbindungen und mit Messingscheiben und Schrauben verbunden sind.

Genaue Versuche über die Leistungsfähigkeit dieser Heizungseinrichtung konnten im verflossenen Winter nicht angestellt werden, da die Restaurationsarbeiten noch in vollem Gange waren und die Fenster und Türöffnungen eines dichten Verschlusses teilweise noch entbehrten. Am 22. Februar 1867 waren jedoch alle Einrichtungen so weit vollendet, dass ich um 17:30 Uhr das Wasser einleiten konnte. Die an verschiedenen Punkten im Inneren der Kirche aufgehängten Thermometer zeigten vor dem Einlauf des Wassers 8½° C, während die äußere Temperatur 7½° C. Am Morgen des 23. Februar war bei gleicher äußerer Temperatur die Temperatur im Langhaus bereits auf 11° C, im Chor und auf der Orgelgalerie auf 12½° C gestiegen. Am 24. Februar im Langhaus 11½°, im Chor 13°, Orgelgalerie 14°. Am 25. 26., 27. und 28. Februar im Langhaus 12½°, im Chor 15½°, obgleich die Temperatur im Äußeren nach und nach auf 0° gefallen war. Am 1. und 2. März bei minus 1 bis 3° Kälte zeigten die Thermometer noch 11 – 12½ u. 14° Wärme. Am 3. bis 5. März bei minus 4 – 6° und heftigem Nordost wieder durchschnittlich im Langhaus 80°, im Chor und der Orgelgalerie 12° Wärme.

Diese günstigen, die Berechnung übertreffenden, und jedenfalls für die Heizung einer Kirche genügenden Resultate werden sich nach dem Abschluss aller zur Ventilation nicht unumgänglich nötigen Öffnungen und nach der Beseitigung der durch die Restaurationsarbeiten nicht zu vermeidenden Übelstände jedenfalls noch bedeutend günstiger gestalten.

• L. Lang, Architekt.

• Auf epilog.de am 28. Oktober 2024 veröffentlicht

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