U-Bahn in Berlin

Der Spreetunnel zwischen Stralau und Treptow bei Berlin

Ausgeführt in den Jahren 1895 – 1899

Gesellschaft für den Bau von Untergrundbahnen • Juni 1899

Voraussichtliche Lesezeit rund 20 Minuten.

Die Entwicklung der modernen Großstädte geht neue Wege. Hinsichtlich der Räumlichkeit kennt sie keine Schranken mehr; die wohnende Bevölkerung wird immer mehr nach außen in die Vorstädte und Vororte gedrängt, während sich das Erwerbsleben vorwiegend der Innenstadt bemächtigt, die sich durch gewaltige Neu- und Umbauten mehr und mehr den veränderten Zwecken anpasst. Die Folgen solcher Verhältnisse sind die Massenbewegungen der Bevölkerung, welche sich vornehmlich zwischen den äußeren und inneren Zonen ebbend und flutend mit gleichbleibender Regelmäßigkeit tagtäglich wiederholen. In den frühen Morgen- und Vormittagsstunden wendet sich der Strom zur Innenstadt, am späten Nachmittag und am Abend in die Wohnbezirke zurück. Neben diesem pulsierenden Massenverkehr der heutigen Großstädte treibt der binnenstädtische Lokalverkehr in den verschiedenen – vorwiegend zentralen – Richtungen seine Wogen. Derartige mit jedem weiteren Anwachsen des großstädtischen Bezirks mächtiger anschwellende Bewegungen sind erst möglich geworden durch den unvergleichlichen Aufschwung, den die Verkehrstechnik in unseren Tagen genommen hat, seit an die Stelle der tierischen Zugkraft in immer ausgedehnterem Maße die mechanischen Kräfte, zuletzt die Elektrizität getreten sind, und seit durch Einrichtung schnellfahrender Verkehrsmittel auf besonderem Bahnkörper, losgelöst vom hemmenden Verkehrsgetriebe in den innerstädtischen Straßenzügen, das Hindernis der räumlichen Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsstätte im Wesentlichen beseitigt worden ist. Solche vom übrigen Verkehr losgelöste Beförderungsanlagen in Gestalt selbstständiger Tunnel oder auf Viadukten geführter Stadtbahnen in Verbindung mit den schnellfahrenden Verkehrsmitteln der Außenbezirke sind für das weitere Aufblühen der Großstädte von ausschlaggebendem Einfluss, ja geradezu eine Lebensfrage geworden.

Seit Jahrzehnten schon hat die englische Hauptstadt in Schnellverkehrsdingen die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Man hat sie gerühmt als leuchtendes Muster für großstädtische Verkehrspolitik, das bekunde, was die Verkehrstechnik, nicht auf das Drängen oder den Zwang der Verhältnisse wartend, vielmehr vorbeugend und vorsorgend zur Hebung der großstädtischen Wohlfahrt beizutragen vermöge. Bereits vor zwei Jahrzehnten, im Jahr 1881 hatte die Stadt, so weit sie als geschlossen bebaut gelten konnte, d. i. die Innenstadt von London, einen Flächenraum von 305 km² und 3 816 485 Einwohner, Groß-London dagegen 1787 km² Ausdehnung mit einer Bewohnerzahl von 4 766 660 Köpfen. Auf jede 10 000 Einwohner und 0,8 km² Grundfläche der Innenstadt und auf jede 5400 Einwohner und 2 km² Fläche von Groß-London kam bereits 1 km Eisenbahn außerhalb des Straßenniveaus. Auf 1170 km² Kreisfläche um die St.-Pauls-Kathedrale, entsprechend einem Kreisdurchmesser von 38,6 km, zählte man 700 km Bahnlinien mit 400 Stationen. Etwa 40 km waren Tiefbahnen, ungefähr 45 km ausgesprochene Hochbahnen, sämtlich mit Dampfbetrieb. Der Anteil des einzelnen Bewohners am Bahnbestand hat sich seitdem trotz bedeutender Zunahme der Einwohnerzahl – hatte doch im Jahr 1891 Londons Innenstadt 4 211 056, Groß-London 5 633 332 Einwohner – nicht wesentlich geändert, da auch die Bahnen sich weiter ausgedehnt haben, aber der Verkehr ist so sehr angeschwollen, dass man heute im Durchschnitt auf den Einwohner jährlich an 200 Fahrten im örtlichen Verkehr rechnen kann, eingerechnet die Straßenbahnen und die Omnibusse. Die letzteren beherrschen in London große Teile desjenigen Arbeitsfeldes, das in anderen Großstädten den Straßenbahnen zugewiesen ist, die in London nur eine bescheidene Rolle spielt.

Weiterlesen mit
epilog.de

Werde epilog.plus-Mitglied und Du bekommst

  • Zugriff auf exklusive Beiträge wie diesen
  • PDF-Versionen und/oder eBooks von ausgewählten Artikeln
  • weniger Werbung und dafür mehr historische Bilder und alte Reklame

und Du hilfst uns, noch mehr interessante Beiträge zur Kultur- und Technikgeschichte zu veröffentlichen.

Ich bin bereits Mitglied und möchte mich anmelden.

• Auf epilog.de am 19. November 2024 veröffentlicht

Reklame