U-Bahn in Berlin

Der Spreetunnel der Hoch- und Untergrundbahn in Berlin

Zentralblatt der Bauverwaltung • 31.5.1913

Voraussichtliche Lesezeit rund 17 Minuten.

Im Jahr 1891 wurden zu gleicher Zeit von der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft und der Firma Siemens & Halske in Berlin Entwürfe für hauptstädtische Schnellbahnnetze den Behörden zur Prüfung unterbreitet. Während der Siemenssche Entwurf einer Hochbahn von der Warschauer Brücke zum Zoologischen Garten mit einer Abzweigung zum Potsdamer Platz nach längeren Kämpfen genehmigt und durch die Hochbahngesellschaft nach und nach zu einem umfassenden Netz von Untergrund- und Hochbahnen ausgestaltet worden ist, an dessen Vervollkommnung die Gesellschaft unablässig weiter arbeitet, war dem Entwurf eines Tiefbahnnetzes der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft die Ausführung nicht beschieden. Zeugnis der fruchtlosen Anstrengungen, ihren Plan bei der städtischen Verwaltung durchzusetzen, ist der heute dem Betrieb einer Straßenbahn dienende eingleisige Röhrentunnel unter der Spree bei Treptow, dessen Bau die Stadt Berlin als ›Probestrecke‹ für das beantragte Tiefbahnnetz schließlich zugelassen hatte.

Die Baugeschichte des Tunnels, des ersten Beispiels einer hauptstädtischen Spreeunterfahrung überhaupt, ist eine einzige Kette von Schwierigkeiten, und nur dem unbeugsamen Willen der Erbauer ist zu danken, dass der Bau überhaupt zustande kam. Die verkehrsgeschichtliche Bedeutung, welche dem hervorragenden Werk eingeräumt werden muss, das dem technischen Können seiner Erbauerin, der Gesellschaft für den Bau von Untergrundbahnen, und ihrem technischen Führer, Dr. Ing. Wilhelm Lauter, ein glänzendes Zeugnis ausstellt, hat der Unterzeichnete  hier und in einer aus Anlass der Eröffnung des Tunnels herausgegebenen  Denkschrift näher beleuchtet.

Als der Widerstand gegen die unterirdische Führung der Stadtschnellbahnen in Berlin im Laufe der Zeit nachließ, musste bei der Behandlung der Schnellverkehrsaufgaben auch der Gedanke unterirdischer Spreekreuzungen wieder aufleben. Das war zum ersten Mal der Fall, als die Hochbahngesellschaft ihre Schnellbahnlinien von der Südseite der Spree auf die Nordseite ausdehnte. Dies führte zur Herstellung des nunmehr vollendeten Spreetunnels, der die erweiterte Spittelmarktlinie mit der Schönhauser Allee-Linie oberhalb der Inselbrücke verbindet (Abb. 1). SpreetunnelAbb. 1. Dass die Ausführung auch dieses zweiten Spreetunnels der Untergrundbaugesellschaft und ihren bewährten Leitern, Dr. Ing. Lauter und Rudloff, anvertraut wurde, war kein Zufall. Auch die Ausführung dieses Werkes, das ungefähr 14 Jahre nach Fertigstellung des Treptower Tunnels vollendet wurde, ist nicht ohne Schwierigkeiten vonstattengegangen.

Die Bauweise beider Tunnel ist grundverschieden. Während der Treptower Tunnel mit Hilfe eines Vortriebschildes als geschlossene eiserne Röhre hergestellt ist – wie alle neuen Londoner Untergrundbahnen, die neue Pariser Nordsüdbahn und zahlreiche nordamerikanische Unterwassertunnel –, ist der neue Spreetunnel das erste große Verkehrsbauwerk, das hierzulande unter einem Fluss in offener Baugrube ausgeführt wurde. Die offene Bauweise ergab den Vorteil, dass der Tunnel verhältnismäßig dicht unter der Spreesohle angelegt und so das verlorene Bahngefälle möglichst eingeschränkt werden konnte. Die Bauausführung selbst aber schien keine ungewöhnlichen Schwierigkeiten zu bereiten, da die Spree im Zuge der Bahnachse eine größte Wassertiefe von nur 3,5 m hat, und, wie die Bodenuntersuchungen ergaben, der Untergrund aus reinem Kies bestand. Auch ließ die Trockenlegung der Baugrube, die durch Absenkung des Grundwassers erfolgte, keine besonderen Hindernisse erwarten, da die Flusssohle aus einer sedimentären Decke von 0,8 – 1 m Stärke gebildet wurde, die den Flusslauf als undurchlässige Schale vom Grundwasserstrom trennt. Die Baukosten aber stellten sich nach vorsichtigen Ermittlungen weit geringer als beim Verfahren des Schildvortriebes.

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• Auf epilog.de am 6. Dezember 2024 veröffentlicht

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