VerkehrEisenbahn

Segelwagen

Das Neue Universum • 1880

Der Gebrauch der Segel bei Fahrzeugen auf dem Wasser ist fast so alt, wie die Schifffahrt selbst. Der Schiffszimmermann Noah hätte bei seiner Arche gewiss Segel angebracht, wenn sie nicht allein den Zweck gehabt hätte, ihn mit den Seinen und dem Getier über Wasser zu halten. Für ihn war es einerlei, wo die Arche hintrieb, nirgends war Land. Auch bei Naturvölkern finden wir Bekanntschaft mit dem Segel und seiner Verwendung, namentlich auf dem Meer, weniger auf Flüssen.

Gewiss ist auch schon früher der Versuch gemacht worden, Landfahrzeuge mit Hilfe der Segel in Bewegung zu setzen. Doch ist da eine starke Reibung zu überwinden, und bei Unebenheiten, bei Steigungen des Weges werden die Schwierigkeiten immer größer. Doch erzählt der Bischof Wilkins in einem Buch Mathematische Magie, welches 1648 in London gedruckt wurde, dass seit undenklichen Zeiten solche Segelwagen in China, Spanien und Holland mit großen Erfolgen benutzt wurden; von Holland führt er besonders an, dass ein solcher Wagen mit 6 – 10 Personen beladen in einigen Stunden einen Weg von 148 – 222 Kilometer zurücklege und die Arbeit für den, der das Segel zu handhaben und zu richten habe, sehr gering sei.

Gewiss ist, dass neuere Reisende weder in Holland, noch in Spanien, China oder sonst wo derartige Segelwagen gesehen haben, wenn sie nicht als eine vorübergehende Spielerei konstruiert wurden.

Spielerei ist es auch nur, wenn Wilkins ernstlich vorschlägt, mit einem Fuhrwerk eine Windmühle in Verbindung zu setzen und die Bewegung ihrer Flügel zu übertragen auf die Räder des Fuhrwerks. Als Ideal seiner geistreichen Idee sieht er dann die ganze Windmühle mit Steinen und Mühlknappen auf den Wagen gepackt und mahlend gegen den Wind nach einer anderen Stelle fahren, die im Augenblick besser geeignet scheint. Morgen kann sie wieder weiterfahren vor jedes Bauern Haus, der Frucht zu mahlen hat. Das sind kindliche Träume. Es bedarf keiner Worte, um auszuführen, warum sie nicht in die Wirklichkeit übertragen werden können.

Setzen wir ein kleines Ruderboot mit Mast und Segel auf Schlittenkufen und bringen es auf eine große Eisfläche, so wird der Wind als bewegende Kraft Anwendung finden können, da die Reibung hier eine sehr geringe ist. Aber die Benutzung des Steuerruders fällt weg und die Richtung wird nur durch die Stellung des Segels bedingt. Dass ein derartiger Segelschlitten auch nicht über den Versuch hinauskommt und nicht zu praktischer Verwendung gelangen kann, liegt auf der Hand. Die Geschwindigkeit wird je nach der Stärke des Windes eine sehr bedeutende werden können, ja sie kann größer werden, als die Geschwindigkeit des Windes selbst. Aber dadurch wird die praktische Verwendbarkeit nicht erhöht. Auch hier bleibt es bei der Spielerei.

Doch ändern sich die Umstände bei Benutzung der Eisenbahnen für Segelwagen. Eine Neuerung ist nicht nötig und die bewegende Kraft des Windes ist einzig durch richtige Stellung des Segels nach Kräften auszunützen. Segelwagen Die Reibung wird auf das Geringste zurückgeführt und macht dies eine starke Bremsvorrichtung bei einem solchen Segelwagen nötig.

Auf der Kansas-Pazifik-Eisenbahn, einem Glied jener großen Gruppe von Bahnen, durch welche quer durch Nordamerika der Atlantische mit dem Stillen Ozean, New York mit San Francisco verbunden wird, gehen solche Segelwagen nicht mit Passagieren, sondern im inneren Dienst der Bahn selbst. Wenn Pumpen Telegrafenleitungen usw. auszubessern sind, so werden die Materialien, die Arbeiter und der leitende Ingenieur darauf an Ort und Stelle gebracht.

Die Geschwindigkeit des etwa 300 kg schweren Wagens mit seinem 3,5 m hohen Mast ist natürlich je nach der Stärke des Windes verschieden. Im besten Fall beträgt sie 48 km/h. Doch kann sie auch nach den Umständen noch etwas größer, meist aber geringer sein.

Es ist nicht bekannt geworden, dass für den inneren Betrieb einer Eisenbahn dieses Verkehrsmittel schon auf irgend einer europäischen Bahn verwendet worden sei. Ob es wirklich empfehlenswert ist, müssen Versuche lehren. Die Amerikaner führen manches aus, was bei uns unanwendbar ist.

• Auf epilog.de am 27. März 2025 veröffentlicht

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