VerkehrSchifffahrt

Schiffstagebuch einer Fahrt
von Bremen nach New York

Die Gartenlaube • 1856

Voraussichtliche Lesezeit rund 11 Minuten.

Tausende schiffen jährlich aus Deutschland über den großen Ozean nach Amerika hinüber und Abertausende möchten ihnen folgen. Einige stellen sich eine solche Reise als etwas Entsetzliches vor, Andere halten sie für eine Spazierfahrt, sobald das Schiff nicht untergeht.

Wir sind im Stande, ein vollständiges treues Tagebuch von einer Fahrt mit einem Auswandererschiffe vorzulegen, das eine richtige Vorstellung von einer solchen Reise geben wird, da es weder ins Schwarze, noch ins Schöne malt, sondern einfach die Tagesereignisse und den Küchenzettel angibt: Länge des Schiffs 183 Schritt; Breite 35. Passagiere 267.

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8. Aug. 1854. Auf das Schiff, das früh um 7 Uhr bestiegen werden soll, können wir erst abends, um 8 Uhr. 3 Matrosen sind betrunken; es kommt fast zur Schlägerei; der Steuermann handhabt bereits die Handspeichen. – Abends Tee, Butter und Brot.

9. Aug. Das erste Mal auf dem Schiff geschlafen; im Hotel gefrühstückt. Unterdessen haben sich wieder 4 Matrosen betrunken, die allerlei Rohheiten begehen, bis der Steuermann sie mit Tauenden blutig behandelt. Abends erscheint ein Polizeibeamter, um nach einem Dieb zu suchen. – Fasttag, da das Schiff noch nicht zum Kochen eingerichtet ist. Abends Tee ohne Brot.

10. Aug. Früh um 2 Uhr erscheint ein Polizeibeamter mit mehreren Gendarmen, um nochmals nach dem Diebe zu suchen, der gefunden wird und den einige Matrosen frei mit nach Amerika bringen wollten. – Mittags Reis und Fleisch, doch nicht zum Sattwerden; abends Tee.

11. Aug. Wir liegen noch immer auf der Reede. Ein Kind erkrankt. – Früh Kaffee; mittags weiße Bohnen; abends Tee.

12. Aug. Früh um 2 Uhr kommt der Kapitän an Bord; um 5 Uhr wird der Anker gelichtet. Günstiger Wind. Gegen 10 Uhr auf der Höhe von Wangeroog. Der Lotse verlässt uns. Gegen Abend erscheint Helgoland. Die Passagiere sind meist ausgelassen lustig, aber sehr bald stellen sich die ersten Zeichen der Seekrankheit ein, die zu vielen komischen Auftritten Veranlassung geben. Nur 12 sind nicht seekrank; die übrigen liegen in ihren Kojen und erleichtern den Magen. Entsetzlicher Geruch. Der Wind frisch; das Schiff schaukelt bedeutend. An Essen wird nicht gedacht.

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• Auf epilog.de am 2. Mai 2025 veröffentlicht

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