Handel & Industrie

Die sächsische Serpentinsteinindustrie

Pfennig Magazin • 31.10.1846

Der Serpentin ist eine Felsart, die meist dunkelgrün in Körnern mit eingesprengten schwarzen und braunen Flecken erscheint. Er tritt mit Gneis, Glimmer und Tonschiefer, mit jüngeren Graniten und einigen neuen Gesteinen auf. Nicht selten liegt er an dem äußeren Raum der Gebirge; er scheint vulkanische Erde zu sein und kommt besonders im sächsischen Erzgebirge bei Zöblitz, in Graubünden, in Frankreich bei Limoges vor. Der Serpentin ist grün mit verschiedenen Abstufungen und braun, undurchsichtig, unschmelzbar, fettglänzend, glatt, mit feinkörnigem Bruch, findet sich derb, als ganze Felsen. Man unterscheidet edlen Serpentin (Ophit), welcher bis an die Kanten durchscheinend ist, und gemeinen Serpentin, welcher undurchsichtig ist.

Die einzige Stadt in Sachsen, welche Serpentinsteinware liefert, ist Zöblitz, das schon seit 1546 die Serpentinsteindrechselei als eigentliches Gewerbe betreibt, dessen Waren selbst in überseeischen Ländern gesucht und in Menge abgesetzt werden. Außer Zöblitz findet man in Sachsen auch bei Hohenstein, Waldheim und Tierfeld Serpentin, der zwar bunt und gestreift, aber klüftig, spröde und sehr schwer verarbeitbar ist.

Der Serpentin wird teils in 23 Brüchen in der Harte, dem östlich von der Stadt in nordwestlicher Richtung streichenden Gebirge, teils in sechs Brüchen auf den Ansprunger Fluren gefunden. Jetzt sind aber nur noch zwei Brüche gangbar. Der Zöblitzer Serpentinstein ist der Farbe nach sechsfacher Art.

  1. Der rote Stein, marmorartig und gesprenkelt.
  2. Der gelbe Stein; er hat die Eigentümlichkeit, dass er in einem warmen Zimmer oder an der Sonne braun wird.
  3. der grüne Stein, von haltbarer Farbe und geädert.
  4. Der braune Stein, nur sehr selten vorkommend.
  5. Der graue Stein, nimmt sich gut aus bei einiger Politur.
  6. Der schwarze Stein, besonders wenn er kohlschwarz ist.

Noch ist zu bemerken, dass man im Serpentin auch Granaten oder sogenannte kristallisierte Pyropen findet, die statt des Schmirgels gebraucht werden. Zuweilen kommen auch Topf- oder Lawezsteine vor, die wie Metall klingen, zierliche Streifen haben und bei der Verfertigung von Tischen und anderen Gerätschaften sich benutzen lassen. Ehedem wusste man viel von der Heilkraft des Serpentins zu erzählen und behauptete namentlich, er schütze gegen giftige Tiere, Schlangen, weshalb man ihn auch Schlangenstein nannte; doch kommt die Benennung wohl daher, weil er mit Pünktchen und Streifen ähnlich wie eine Schlange gezeichnet ist.

Im Jahr 1516 machte ein erfahrener Bergherr, Justus Rabe, zuerst auf den Wert des Zöblitzer Steins aufmerksam. Nach ihm erprobte ein Hirtenknabe Namens Brändel mit mehr Erfolg die Zartheit und Weichheit desselben. Von seinem Dienstherrn ermuntert setzte er diese Versuche fort, die nicht übel ausfielen, und so fertigte Brändel endlich die ersten, wenn auch noch unvollkommenen Geräte und Trinkgeschirre. Weiter noch brachte es Martin Boßler, der Erfinder der eigentlichen Serpentinsteindrechselei, der mehrere Arbeiter beschäftigte. So entstand die Steindrechslerinnung, die 1613 vom Kurfürsten Georg I. bestätigt und mit besonderen Rechten ausgestattet wurde. Sie zählte in der blühendsten Zeit 70, jetzt 45 Meister.

Die Art, den Serpentin zu brechen, ist nicht bergmännisch, weil er nicht einen ordentlichen Gang hält, sondern flötz- und drusenweise in den Brüchen liegt. Die Gewinnung des Steins wird gegenwärtig mit jedem Tage beschwerlicher, weil die Tagebrüche mehr und mehr mit Wasser sich füllen. Die verschiedensten Gerätschaften und Gegenstände, wie Denksteine, Leuchter, Schachspiele, Mörser, Reibeschalen, Tinten- und Sandfässer, Büchsen, Wärmesteine usw. werden aus diesem Stoff gebildet. Die Platten des Steins sind zu Bauten sehr brauchbar. So wurden zur Ausschmückung der katholischen Kirche in Dresden (1741 – 51) nicht weniger als 536 Stück Baluster zu den Galerien und darunter 72 größere zu dem Hochaltar gedreht. In der königlichen Rüstkammer zu Dresden steht ein Dutzend große Sessel aus Serpentin, die August II. anfertigen ließ.

Der Vertrieb der Serpentinsteinwaren hat, seit lackierte Blechwaren und Steingut immer allgemeiner geworden, sehr abgenommen; am meisten geht er noch nach Holland und Amerika, und man sucht ihn auch wieder durch feinere Arbeit und bessere Formen zu heben.

Entnommen aus dem Buch:
Ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ersetzten Dampfmaschinen zunehmend die Muskelkraft und ermöglichten eine zunehmende Mechanisierung der bis dahin handwerklich geprägten Güterproduktion. Der Abbau von Handelshemmnissen und neue Verkehrswege eröffneten überregionale Märkte, immer mehr Produkte mussten immer schneller und billiger produziert werden. Arbeitsteilung und Spezialisierung veränderten ganze Wirtschaftszweige. Die historischen Originalbeiträge und Abbildungen in diesem Buch geben einen unverfälschten Einblick in die Wirtschaft des 19. Jahrhunderts.
  PDF-Leseprobe € 14,90 | 104 Seiten | ISBN: 978-3-7578-2490-7

• Auf epilog.de am 9. Dezember 2024 veröffentlicht

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