Daseinsvorsorge – Wasserwirtschaft
Das neue Wasserwerk von Amsterdam
Zentralblatt der Bauverwaltung • 31.3.1888
Die Wasserversorgung der Stadt Amsterdam bewirkt seit etwa 30 Jahren eine von der Stadtverwaltung überwachte englische Gesellschaft. Das Wasser wird Sickerkanälen entnommen, welche unweit des Seebades Zandvoort in den Dünen angelegt sind, und durch drei Balanciermaschinen mit Hilfsrotation von je 100 PS unter Einschaltung eines Standrohres der Stadt zugeführt. Dieses Wasserwerk kann trotz der geplanten, zurzeit im Bau begriffenen Erweiterung dem wachsenden Bedürfnis der Stadt nicht mehr genügen. Die Stadtverwaltung hat daher die Gesellschaft zur Anlage eines neuen Werkes mit einer größten täglichen Leistungsfähigkeit von 40 000 m³ verpflichtet mit der Maßgabe, dass das Wasser der neuen Leitung vornehmlich als Nutzwasser, ausnahmsweise jedoch auch als Trinkwasser verwendet werden kann, während die alte Dünen-Wasserleitung in Zukunft lediglich Trinkwasserleitung sein soll.
Das neue Wasserwerk wird im Osten der Stadt bei Weesp erbaut und geht zur Zeit seiner Vollendung entgegen. Das dem Vechtfluss unmittelbar entnommene Wasser gelangt in einem gusseisernen Rohrstrang von 1200 mm Durchmesser und 4,4 km Länge durch natürliches Gefälle in den Kellerraum des Maschinengebäudes (vgl. den Lageplan unten). Hier wird es durch Pumpen 9 m hoch gehoben und fließt dann in die beiden großen Klärbecken von je 40 000 m³ Inhalt ab, woselbst die gröbsten Stoffe zur Ablagerung gelangen sollen. Es ist dafür gesorgt, dass das Wasser an seiner Ausmündungsstelle inmitten der Klärbecken möglichst viel mit der Luft in Berührung kommt, weil man sich hierdurch schon das Eintreten einer gewissen Wasserreinigung durch Oxidation verspricht. Im Winter allerdings, wenn die Klärbecken mit Eis bedeckt sind, soll ein anderes Einströmungsrohr benutzt werden, dessen Ausmündungsstelle am Rande des Beckens unter der Wasseroberfläche liegt. Zum Fortspülen des am Boden des Klärbeckens abgelagerten Schlammes sind besondere Rohrleitungen vorhanden. Aus den Klärbecken gelangt das Wasser, über den Rand von gemauerten, senkrechten Schächten übertretend, an die Oberfläche der Filterbecken, in denen sich die Reinigung durch Sand auf die übliche Weise vollzieht. Das gereinigte Wasser sammelt sich am Boden der Filter in durchlöcherten tönernen Röhren und wird durch diese einem gemauerten Sammelkanal zugeführt. Die Sammelrohre sind an der Seite des Wassereintritts in die Filter 100 mm, in der Mitte der Filter 150 mm, an der Seite der Wasserableitung 200 mm weit. Die Stärke der Schichten von grobem Sand, feinem Kies und grobem Kies über diesen Sammelrohren nehmen entsprechend von 15, 7 und 10 cm bis auf 10, 5 und 7 cm ab. Der Filterboden weist eine eigentümliche Anordnung auf – angeblich eine englische Erfindung –; er erhält nicht allein in der Richtung der Sammelrohre ein Gesamtgefälle von 15 cm, sondern auch zwischen je zweien derselben ein sehr starkes Seitengefälle. Man glaubt auf diese Weise eine rasche Abführung des durchgesickerten Wassers, ebenfalls unter inniger Berührung mit Luft, zu erzielen. Jedes der vier Filter hat eine Sandoberfläche von 5400 m². Die Zuleitung des Wassers soll bestimmungsgemäß in der Weise stattfinden, dass jedes Quadratmeter höchstens 2,5 m³ gereinigtes Wasser in 24 Stunden liefert. Bei einer täglichen Wasserabgabe von 40 000 m³ werden demnach nur drei Filter gebraucht, ein Filter kann inzwischen gereinigt werden oder bleibt zur Aushilfe bereit. Aus den Filtern strömt das gereinigte Wasser in einen Behälter von 3200 m³ Inhalt und demnächst in einen Reinwasserbehälter im Keller des Maschinenhauses, aus welchem es durch Hochdruckpumpen entnommen und in ein Standrohr gepresst, im Notfall auch mit Umgehung des Standrohres unmittelbar der zur Stadt führenden Rohrleitung zugeführt wird. Diese Leitung ist eine doppelte; ebenso besteht das Standrohr aus zwei Rohrpaaren. Jedes dieser Rohrpaare ist in bestimmten Höhenabschnitten durch abschließbare Querrohre verbunden, so dass die Druckhöhe – bis zu einer größten Höhe von 70 m – je nach Bedarf entsprechend verändert werden kann. Die Umfassungswände des Turms, welche die vier Steige- und Fallrohre umgeben, sind doppelte; ihr Zwischenraum dient zur Aufnahme der Turmtreppe. Sonstige wesentliche Einzelheiten der baulichen Anlagen dürften aus den beistehenden Zeichnungen ersichtlich sein.
Die Vecht-Wasserleitung von Amsterdam.Die Maschinenkraft für das Pumpwerk wird durch vier Verbund-Hochdruckmaschinen mit Kondensation von je 200 PS geliefert, von denen jedoch auch während des stärksten Betriebes höchstens drei Maschinen gleichzeitig arbeiten. Die Maschinen sind Balanciermaschinen mit Hilfsrotation, und zwar dient immer ein Schwungrad von 5,7 m Durchmesser zwei Maschinen gemeinsam. An dem einen Ende jedes Balanciers liegen die beiden Dampfzylinder von 0,76 m und 1,14 m Durchmesser mit einer Hubhöhe von 1,47 m bzw. 2,28 m. Unter dem kleineren Dampfzylinder arbeitet an derselben Kolbenstange eine doppelt wirkende Pumpe, welche das Wasser aus dem Reinwasserbehälter im Keller des Maschinenhauses in das Standrohr bzw. in die Rohrleitung zur Stadt drückt. Die Pumpe ist eine Differentialpumpe und liefert bei 15 Hüben in der Minute stündlich 735 m³ Wasser. Der Pumpenzylinder hat einen Durchmesser von 0,85 m, der Plunger einen solchen von 0,60 m; der Hub ist wie bei dem kleineren Dampfzylinder 1,47 m. Die Ventile im Boden des Pumpenzylinders und im Kolben sind Gummi-Klappen-Ventile. Am anderen Ende des Balanciers wirkt die Flügelstange des Schwungrades, die Luftpumpe für die Kondensation und eine Pumpe, welche das ungereinigte Wasser aus dem Keller des Maschinen- und Kesselhauses in die Klärbecken befördert. Bei 15 Hüben in der Minute bringt diese Pumpe in jeder Stunde 835 m³ Wasser auf eine Höhe von 9 m. Die Pumpeneinrichtung ist die gleiche wie bei der eben beschriebenen Hochdruckpumpe; der Zylinderdurchmesser beträgt 0,73 m, der Plungerdurchmesser 0,515 m, die Hubhöhe wie bei dem größeren Dampfzylinder 2,28 m.
Beachtenswert ist die Einrichtung der zur Anwendung kommenden Balanciers. Dieselben bestehen aus je zwei aus einem Stück gefertigten Stahlplatten von 60 mm Stärke, zwischen denen die Lager für die einzelnen Gestänge angebracht sind.
Der Dampf für die Maschinen wird zehn Lancashire-Kesseln entnommen, von denen je fünf zu einer Abteilung vereinigt und mit einer besonderen Dampfrohrleitung versehen sind. Die Länge der Kessel beträgt 8,5 m, ihr Durchmesser 2,10 m. Jeder Kessel hat zwei Feuerrohre von 0,84 m lichter Weite; jedes Feuerrohr ist von vier Galloway-Röhren durchsetzt. Die Kessel können mit gefiltertem, ungefiltertem und mit Kondensationswasser gespeist werden.
Was die Bauausführung der Anlage betrifft, so hat dieselbe insofern mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen, als in den Böden der Filterbecken zahlreiche bedeutende Risse auftraten. Von den holländischen Ingenieuren wird dieser Misserfolg dem Umstand zugeschrieben, dass die englische Gesellschaft von der Anlage eines Pfahlrostes unter den Filterböden absehen zu können glaubte, obgleich die Gründung auf Pfahlrost in Amsterdam ganz allgemein üblich ist und bei den dortigen überaus ungünstigen Bodenverhältnissen auch stets geboten sein dürfte. Zurzeit, als Unterzeichneter die Baustelle besuchte, war man damit beschäftigt, nach Anlage einer vollständigen Drainage unter den Filterböden den Andrang des Grundwassers durch kräftiges Pumpen so weit zu bewältigen, dass man die Risse in den Böden dichten und sodann den ganzen Boden mit einer vierfachen Klinkerflachschicht in Trassmörtel abdecken konnte. Zugleich wurde, bis auf die gerade auszubessernden Stellen, der ganze übrige Boden so weit durch Sand bedeckt gehalten, dass der Druck auf den Untergrund der dauernden Belastung während des Betriebes entsprach. Es steht zu hoffen, dass durch diese Maßregeln eine endgültige, ordnungsmäßige Herstellung der Filterböden bewirkt werden kann.
Die in obigem enthaltenen Angaben über die Wasserwerke Amsterdams beruhen auf freundlichen Mitteilungen des Direktors der öffentlichen Arbeiten von Amsterdam, Schuurman, sowie der Ingenieure Lugt und Driessen.
• Genzmer, Kgl. Regierungs-Baumeister