Verkehr – Nahverkehr
Moderne Verkehrseinrichtungen
in den Großstädten
Das Neue Universum • 1900
Wir beginnen unsere Übersicht der technischen Einrichtungen, welche der Verkehr der Neuzeit in den wachsenden Großstädten erforderlich gemacht hat, mit einigen Berliner Verkehrsanstalten, die zu den Meisterwerken der modernen Technik und zu den Sehenswürdigkeiten der Reichshauptstadt gehören. Zu Ende des Jahres 1899 ist endlich der seit 5 Jahren begonnene und unter außerordentlichen Schwierigkeiten vollendete Tunnel unter der Spree im Osten von Berlin dem Verkehr übergeben. Da eine feste Verbindung über den oberhalb Berlins stromartig verbreiterten Fluss von dem Verkehr gebieterisch erfordert wurde, und eine Brücke teils im Interesse der freien Schifffahrt, teils wegen der schwierigen Fundierung im schwimmenden Sand der Ufer und des Spreebettes nicht gut ausführbar war, so entschloss man sich, den etwa 300 m breiten Fluss durch einen Tunnel für die elektrische Straßenbahn nach englischen und amerikanischen Vorbildern zu unterminieren. Die Schwierigkeiten waren indessen wegen der ungünstigen Beschaffenheit des Grundes, der teilweise nur breiigen Schlamm vorstellt, größer als man erwartete, und ganz neue Einrichtungen des Bohrschildes mussten ersonnen werden, um ihnen zu begegnen.
Abb. 1. Der Tunnel unter der Spree im Osten Berlins. Der vollendete Tunnel stellt sich dar als eine enge kreisrunde Röhre, die am Boden zur Aufnahme des Gleises abgeplattet ist, sich mit starkem Gefälle etwa 10 m unter den Spiegel der Spree senkt und dann wieder mit rascher Steigung sich zum Tageslicht erhebt. Die Wandungen bestehen aus Flusseisenplatten, welche zusammengeschraubt und innen und außen mit einer starken Zementschicht bekleidet sind, um das Rosten zu verhüten. Eine lange Reihe von Glühlampen zieht sich wie eine Perlenschnur durch den Tunnel und beleuchtet den Weg des Wagens, der die Röhre einschließlich der beiden Rampen, welche oben offen und mit Verblendziegeln ausgemauert sind, in reichlich 2 Minuten durchmisst. Die Gesamtlänge mit den bereits unter den Flussufern liegenden Endstrecken beträgt 450 m. Da der Tunnel eingleisig ist, so muss eine Sicherheit vorhanden sein, damit nicht von beiden Seiten gleichzeitig Wagen einfahren. Es ist zu diesem Zweck die sogenannte Stabsicherung angewandt. An dem Tunneleingang der Stralauer Seite steht ein Streckenwärter, der an den Führer des einfahrenden Wagens einen Holzstab abgibt. Kein Wagen darf den Tunnel passieren, ohne im Besitz dieses Stabes zu sein. Da am anderen Tunnelende sich der vorläufige Endpunkt der Strecke befindet, so gibt hier der Führer des ausfahrenden Motorwagens den Stab unmittelbar an den des einfahrenden ab, so dass hier kein Streckenwärter erforderlich ist.
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