VerkehrSchifffahrt

Der Leuchtturm bei Warnemünde

Zentralblatt der Bauverwaltung • 4.3.1899

Voraussichtliche Lesezeit rund 7 Minuten.

Im Oktober 1898 ist in Warnemünde der in den Jahren 1897/98 erbaute Leuchtturm fertiggestellt und in Betrieb gesetzt worden. Die Befeuerung von Warnemünde, dem Vorhafen der Stadt Rostock, bestand seit etwa 1835 in einer frei im eisernen Gerüst, etwa 8 m über Meeresspiegel hängende Laterne VI. Ordnung. Auf den beiden Molen brannten zur Bezeichnung der Einfahrt gleichfalls zwei Laternen, und die Einseglungslinie wurde durch zwei rote Feuer gekennzeichnet, die am Fluss entlang aufgerichtet waren. Die Befeuerung war also im Wesentlichen ohne Bedeutung für die Seeschifffahrt und diente nur den örtlichen Interessen des Hafens selbst. Das Bedürfnis eines größeren Feuers für Warnemünde, welches nicht allein als Hafen- und Anseglungsfeuer, sondern auch als Seefeuer für die Ostseefahrt an dieser Stelle dienen könnte, stellte sich im Laufe der Zeit immer dringender heraus. Unter Beihilfe der Landesregierung beschloss daher die Stadt Rostock im Jahr 1896, ein neues Feuer zu errichten, welches vom Verfasser, wie nachstehend beschrieben, entworfen und ausgeführt ist.

Nach Verhandlungen mit dem Reichsmarineamt einigte man sich dahin, für die Neuanlage den Grundsatz festzuhalten, welcher bisher bei der Befeuerung der Ostsee, mit verschwindenden Ausnahmen, stets durchgeführt ist, für die Einseglungsfeuer der Häfen feste Feuer zu wählen, während zu vermeidende Küstenpunkte, Kaps und Klippen, Blitz-, Blink- oder unterbrochene Feuer erhalten sollen. Als Einseglungszeichen musste daher Warnemünde ein festes Licht zeigen, während für die durchfahrenden Ostseeschiffe das Licht in dem festen weißen Feuer Blitze in regelmäßigen Zeitabschnitten zeigen durfte. Dementsprechend ist die optische Einrichtung des neuen Feuers so gewählt, dass um einen Fresnelschen Festfeuerapparat II. Ordnung, der das Licht im lotrechten Sinne sammelt und ihm nur die nützliche lotrechte Zerstreuung belässt, ein senkrechter Verdichter sich dreht, dessen Prismenstäbe das Licht abwechselnd auf eine geringe waagerechte Zerstreuung bringen, so dass also jeder Prismenstab bei dem Vorbeigehen vor dem Apparat einen Blitz erzeugt, dem eine Verdunklung des festen Feuers folgt und vorangeht. Dieser Verdichter besteht bei dem Warnemünder Feuer aus vier Linsengruppen zu drei Prismenstäben von je 13° Linsenwinkel, deren Licht auf 3° gesammelt ist, so dass 5° Verdunklung folgen und vorangehen.

Leuchtturm bei WarnemündeAbb. 1.

Der Verdichter macht in 6 Minuten, durch ein Gewicht mit Uhrwerk geregelt, eine Umdrehung, so dass 1° gleich einer Sekunde ist und sich für das Licht die nachfolgende Kennzeichnung ergibt:

  • 51° festes, weißes Feuer
  • 5° Verdunklung
  • 3° Blitz
  • 10° Verdunklung
  • 3° Blitz
  • 10° Verdunklung
  • 3° Blitz
  • 5° Verdunklung
  • 51° festes, weißes Feuer
  • usw.

Damit das Feuer bei der Annäherung an Schärfe der Kennzeichnung nicht verliert, erstreckt sich die Höhe der Vorlinsen über die ganze Höhe des Festfeuerapparats.

Der waagerechte Leuchtwinkel des Feuers beträgt, entsprechend der Lage von Warnemünde in einer Küsteneinsenkung, nur 180°. Damit die verloren gehende Hälfte der von der Lichtquelle ausgestrahlten Lichtmenge für die Leuchtwirkung nach See nutzbar gemacht werde, umspannt den als Lichtquelle dienenden Fünfdocht-Petroleumbrenner ein Hohlspiegel von 180°. Die ganze Anordnung der optischen Einrichtung ist aus den Abb. 1 ersichtlich.

Das Laternengehäuse besteht aus einem schmiedeeisernen Unterbau mit innerer Holzverkleidung von 3 m lichtem Durchmesser, der durch 12 Stück 20 mm im Durchmesser starke Anker in der Weise mit dem Turm verbunden ist, dass diese Anker in einen Ring aus Flacheisen greifen, welcher 1,5 m unter Oberkante Mauerwerk im Turm vermauert ist. Von der auf H-Trägern als Abdeckung auf dem Mauerwerk gelagerten Granit-Podestplatte führt eine Leiter auf die innere, 1,8 m über dem Podest liegende Galerie, von der aus der optische Apparat bedient werden kann. Eine weitere Galerie aus durchlochten Blechen umgibt in gleicher Höhe außen die Laterne um 180° und ist durch eine Leiter von der oberen Plattform des Turms, auf die man durch einen schmiedeeisernen Windfang aus dem Laternenunterbau gelangt, erreichbar, um die Laternengläser reinigen zu können. Auf dem Unterbau erhebt sich die 12-seitige Laterne mit doppeltem kupfernen Dach und kupferner Abzugshaube, die nach See zu mit Verglasung in bronzenen Stäben und Fassungsleisten versehen ist. Im Inneren ist auf der Podestplatte der gusseiserne Tisch von 1,77 m Höhe und 1,15 m oberem Plattendurchmesser mit sechs Bolzen befestigt, der den Fresnelschen Apparat von 1,4 m Durchmesser trägt und mit dessen nach unten ausgeschweifter, um 0,23 m gegen den oberen Rand vorspringenden Platte sich die Vorlinseneinrichtung von 1,73 m lichtem Durchmesser auf 24 waagerechten und ebenso vielen lotrechten Rollen dreht. Die ganze Verglasung sowie das Laufwerk sind in bester Phosphorbronze ausgeführt. Die Vorlinsengruppen werden durch ein Uhrwerk, das im Laternenunterbau angebracht ist, mittels eines Gewichtes getrieben, das in einem schmiedeeisernen, 19 m tiefen Gewichtsschacht durch den Turm bis auf den zweiten Treppenabsatz über dem Gelände geführt wird. Der Gewichtsschacht ist auf der Schnittzeichnung (Abb. 2) nicht ersichtlich gemacht, um die Deutlichkeit der Zeichnung nicht zu beeinträchtigen.

Leuchtturm bei WarnemündeAbb. 2.

Die Brenneinrichtung besteht aus einer fünfdochtigen Petroleumlampe mit gleichbleibendem Ölstand, welche in der Brennstunde 1,3 l Petroleum verbraucht und deren Zylinder durch die Tropfschale hindurch bis dicht unter die Abzugshaube geführt ist. Der Zug kann durch eine Klappeneinrichtung von dem inneren Laternenumgang aus geregelt werden, um ein möglichst ruhiges, gleichmäßiges Brennen der Lampe zu erzielen. Die optische Einrichtung mit Tisch, Vorlinsen, Uhrwerk und Treibgewicht wiegt 9000 kg; sie ist ebenso wie der Laternenaufbau von der Firma J. Pintsch in Berlin gebaut und geliefert, während die Verglasung. sowie sämtliche optischen Gläser von der Firma Gebr. Picht in Rathenow geliefert sind.

Der Turm liegt auf 54° 10′ 59″ nördlicher Breite und 12° 5′ 24″ östlicher Länge. Er ist, da das Licht bestimmungsgemäß 16 Seemeilen bei mittelsichtiger Luft gesehen werden sollte, bis zur Spitze 36,9 m über Mittelwasser der Ostsee (− 0,07 N. N.) hoch, so dass die Mitte des Fresnelschen Apparats auf der Höhe h = 34,25 m über dem Wasserspiegel liegt. Bei einer angenommenen Beobachtungshöhe h = 5 m über Ostseespiegel ergibt sich nach einer Erfahrungsformel die Lichtweite zu rund 17 Seemeilen bei mittelsichtiger Luft. Die gerade Entfernung zwischen Warnemünde und dem auf Gjedser Riff an der dänischen Küste liegendem Feuerschiff beträgt 15 Seemeilen, der Abstand des Kurses für die Ostseeschifffahrt etwa 10 – 13 Seemeilen.

Der Turm ist im Dünengebiet errichtet und, da sich in etwa 6 m unter null der Ostsee hier eine Dargschicht vorfand, auf Pfahlrost erbaut, dessen Oberfläche in Höhe des Mittelwassers liegt, während die Pfähle durchschnittlich auf − 11 m eingerammt sind und in der letzten Hitze nicht mehr als 1 – 2 cm zogen. Das angeschüttete Gelände liegt auf 6 m über Null oder Mittelwasser der Ostsee und bildet den Endpunkt der belebtesten Promenade des Seebads Warnemünde.

Wie aus der Darstellung in Abb. 2 ersichtlich, ist der Turm in Ziegelrohbau erbaut. Er ist mit weißen Verblendern abgesetzt, die im unteren Teil, bis zur ersten Galerie, durch Streifen aus grünglasierten Ziegeln unterbrochen werden. Die beiden Galerien werden von Kragsteinen aus rotem Weser-Sandstein getragen, die Fenster im unteren Teil des Turms, bis zu der auf + 20 m liegenden ersten Galerie sind, um Zugluft in diesem durch keine Scherwände unterbrochenen Turmteil zu vermeiden, aus Falconnier Glassteinen gemauert.

Der Bau hat von null bis + 6,15 m zwei Keller, von denen der untere, eingewölbt und nur durch einen Einsteigeschacht mittels eiserner Leiter zugänglich gemacht, als Petroleumkeller dient. Hier sind auf 50 cm hoher Betonschicht vier Petroleumbottiche von je 200 l Fassungsvermögen aufgestellt.

Um das Befördern des Petroleums über die Promenade und auf den Aufgängen und Treppen zum Turm zu vermeiden, was als eine Störung des Badelebens empfunden worden wäre, wird das Petroleum von der Straße und vom Wagen aus mittels Hebers und einer Rohrleitung unmittelbar in die Bottiche im Keller abgelassen. Diese sind durch Rohrleitung miteinander verbunden und mit Entlüftungsleitung versehen, können jedoch auch gegeneinander abgeschlossen werden, so dass jeder Bottich beliebig außer Betrieb gesetzt werden kann. Die Füllung eines jeden ist unmittelbar an einem Manometer ablesbar. Von den Bottichen führt eine Leitung nach der Laternenstube, und nach dort wird das Petroleum mittels einer kräftigen Pumpe in ein Gefäß von 90 l Fassung hinaufgepumpt. Die erfolgte Füllung dieses Gefäßes wird den im Keller des Turms an der Pumpe beschäftigten Wärtern durch elektrische Klingelleitung angezeigt, die nach der Füllung durch Umstellung eines Ventils den Druck aus dem Steigerohr ablassen. Die Einrichtung arbeitet gut und macht jede Verunreinigung der Treppen und Zugänge sowie der Laternenstube mit Petroleum unmöglich. Die Treppe ist als Wendeltreppe aus schlesischem Granit hergestellt. Der Turm hat elektrische Beleuchtung erhalten, die im oberen Teil an den Gewichtsschacht angebracht ist.

Die verschiedenen Gebrauchsräume, als Lotsenwachtstube, Materialienraum, Signalmann- und Wärterstube, welche im oberen Teil des Turms, von dem ersten Umgang an, eingerichtet sind, sind durch Monierwände voneinander abgeschlossen. Fenster und Türen in diesen Räumen sind aus Pechkiefernholz hergestellt. Auf den oberen Umgang ist ein Schornsteinaufsatz bis zum Dach der Laterne hochgeführt, und in diesem ist auch der eiserne Signalmast des Reichsmarineamts verankert, dessen Spitze 4 m über der Laternenspitze herüberragt und an dem die Sturmsignale der Seewarte gezeigt werden sollen.

Die Kosten des Baus haben 94 000 Mark [rd. 800 000 € in 2023] betragen. Davon entfallen auf den Bau der Laterne einschl. des Unterbaues und des optischen Apparates mit allem Zubehör, auf die optische Einrichtung selbst einschl. Drehmaschine, Gewicht und einschl. Aufstellung 40 500 Mark.

Das neue Feuer ist am 19. Oktober 1898 von der Landesbehörde sowie von der städtischen und Reichsmarinebehörde auf Kenntlichkeit und Sichtigkeit geprüft. Dabei ist festgestellt worden, dass das Licht bei mittelklarer Luft auf 16 Seemeilen sichtbar und die Kennzeichnung 14 Seemeilen weit noch deutlich unterschieden werden kann.

• Hafenbaudirektor Kerner

• Auf epilog.de am 31. Oktober 2024 veröffentlicht

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