Feuilleton – Küche & Haushalt
Die Küche der Zukunft
Illustrirte Welt • September 1895
Wenn wir heute den Leser in die ›Küche der Zukunft‹ einführen wollen, brauchen wir wohl kaum hinzuzufügen, dass diese Küche die elektrische sein soll. Wo es sich in unseren Tagen auf technischem Gebiete um eine Neuerung handelt, ist ja fast ausnahmslos diejenige Naturkraft im Spiel, die wir in ihren verschiedenartigen Wirkungen am spätesten kennengelernt haben, die aber diese Wirkungen jetzt fast mehr als jede andere betätigt, so dass die meisten der Betriebe, die vor einer Reihe von Jahrzehnten ihrer Neuheit wegen als Dampfbetriebe eingeführt wurden, sich nunmehr zu großen Teilen schon als elektrische ankündigen. Wenn wir aber von einer Küche der Zukunft sprechen, möchten wir den Zusatz ›Zukunft‹ nicht etwa in dem Sinne aufgefasst haben, in welchem man ihn einst in Verbindung mit einer bestimmten Art der Musik zu bringen liebte: die elektrische Küche ist als praktische Einrichtung tatsächlich schon vorhanden – wir verweisen nur auf unser Bild, das in allen seinen Einzelheiten auf der Aufnahme wirklicher Gegenstände beruht – und es kann von ihrer Zukunft nur insofern die Rede sein, als es sich um ihre allgemeine Einführung oder, wie wir lieber sagen wollen, ihre Nutzbarmachung für den bürgerlichen Haushalt handelt. In dieser Hinsicht ist aber die Grenzscheide zwischen Gegenwart und Zukunft lediglich von der sich einbürgernden Verwendung der elektrischen Kraft zu gewerblichen Zwecken bedingt, wie sie von Tag zu Tag mehr und mehr durch die Errichtung städtischer oder gemeindlicher Elektrizitätswerke gewährleistet wird.
Das Wesen der elektrischen Küche beruht darauf, dass sie als Feuerungsmaterial oder, genauer gesprochen, Wärmeerzeuger statt des Holzes, der Kohle oder, wie es neuerlich schon vielfach vorgekommen ist, des Gases, den elektrischen Strom benützt. Wie bekannt, erzeugt der elektrische Strom in dem von ihm durchflossenen Leiter Wärme, und zwar in um so größerer Menge, je mehr Widerstand er auf seinem Weg findet. Schaltet man zum Beispiel in den Stromkreis eines kräftigen Elements einen kurzen Eisendraht ein, so wird derselbe heiß, wenn er sehr dünn ist, sogar alsbald glühend, so dass er mit leichter Mühe zum Abschmelzen gebracht werden kann. Zur Herstellung eines elektrischen Wärmeerzeugers bedarf es daher eines Körpers von großer Widerstandsfähigkeit, der das Vermögen besitzt, sich einer zur Abgabe und Weiterverbreitung von Wärme besonders geeigneten Form anzupassen, also etwa der einer Platte (zum Kochen) oder eines Schirmes (zum Erwärmen). Körper von derartiger Beschaffenheit sind unter anderem Platin und Asbest, und man fertigte denn anfangs auch die Heizplatten und Erwärmungsschirme aus denselben an. In neuerer Zeit bedient man sich jedoch hierzu in weit vorteilhafterer Weise einer Emailmasse, die mit einem Gewebe von ganz feinen Platindrähten durchzogen ist.
Von der bisherigen unterscheidet sich die elektrische Küche vor allem durch ihre auf ihre gesamten Einrichtungen sich erstreckende Einfachheit. An Stelle des unförmlichen Kastenherdes tritt eine Vorrichtung, die fast so schlicht und einfach wie ein gewöhnlicher Anrichtetisch aussieht und dennoch für alle Verrichtungen genügt, welche die Küche zur Zubereitung der warmen Speisen kennt, für das Sieden, das Braten und das Backen. Ein Teil der Tischplatte, wie wir sagen wollen, da es sich um eine Herdplatte nicht mehr handelt, ist als eigentliche Heizplatte eingerichtet, auf welcher das Braten und Sieden vorgenommen wird, so weit es sich in Pfannen, Kasserolen und Töpfen oder Kesseln mit flachem Boden vollzieht. Zur Aufnahme tiefer Töpfe und Kessel (wie der Dampfkochtöpfe) sind hinter der Heizplatte Einsätze eingerichtet, in welche diese Gefäße hineingesetzt werden. Der Back- oder Bratofen ist nach Art der Gasöfen gebaut, welche die Heizvorrichtung in den Außenwandungen der Ummantelung haben. Für das Braten auf dem Rost und am Spieß sind besondere Vorrichtungen vorhanden; bei dem elektrischen Rost befindet sich eine Glühplatte unter den Roststäben, und beim Spießbrater ist die betreffende Vorrichtung innerhalb der Mantelumwandung angebracht. Zur Herstellung von warmem Wasser dient, abgesondert von dem Herdtisch, ein zylindrischer Metallbehälter, in dessen Inneren ein Einsatz mit Glühplatte eingestellt ist. Auch für die kleineren Verrichtungen der Küche, für die Zubereitung von Kaffee und Tee, für das Kaffeerösten, für die Heizung der Speisewärmer und – last not least – die der Bügeleisen wird die Kraft des elektrischen Stroms verwandt. Für das Heizen der Bügeleisen erweist jetzt bereits die Benutzung des elektrischen Stromes sich so vorteilhaft, dass in einer ganzen Reihe von Waschanstalten die alte Methode abgeschafft und durch den elektrischen Betrieb ersetzt worden ist. In allen diesen Fällen wird die Schnur mit den Leitungsdrähten in den betreffenden Apparat eingeschaltet, ganz so, wie es bei dem Anschluss der elektrischen Tischlampe an die Leitung geschieht. Für das Anlassen oder Abstellen der Feuerung, das heißt für das Schließen oder Unterbrechen des elektrischen Stromkreises genügt der bloße Druck auf einen Knopf; der gewünschte Wärmegrad – der erforderliche Stärkegrad des Stromes – wird durch einfache Hebeldrehung erzielt.
Der große Vorteil, den die elektrischen Koch- und Heizvorrichtungen darbieten, besteht darin, dass sie alle aufgewandte Kraft in Wärme umsetzen, ohne solche, wie es bei allen anderen Heiz- und Wärmeapparaten der Fall ist, nach außen auszustrahlen und dem eigentlichen Zweck zu entfremden. Die elektrische Küche verfügt daher auch über den Vorzug, dem die klassische Küche von ehedem – la grande cuisine – vor allem ihre Überlegenheit über alle anderen verdankte, über den, dass sie sich zum Braten und Rösten des Fleisches wieder der 'lebendigen Glut', das heißt, der direkt aus den Heizkörpern ausstrahlenden Wärme bedienen kann. Dieses Vorzugs ging die Küche verlustig, als nach und nach der offene Herd in Abnahme kam und – von Belgien ausgehend – an seine Stelle der, technisch wohl einen Fortschritt, für die ›Kunst‹ des Kochens aber entschieden einen Rückschritt bedeutende, geschlossene Eisenherd trat. Mit der elektrischen Küche eröffnen sich somit der Kochkunst neue Bahnen, indem durch ihre Einrichtungen Gelegenheit geboten wird, an die große Tradition der alten Zeit wieder anzuknüpfen und die Klagen zum Verstummen zu bringen, die so oft erhoben worden sind.
Abgesehen hiervon sind jedoch mit der elektrischen Küche Vorteile verbunden, die mindestens ebenso schwer wiegen, wie die die ästhetische Seite des Kochens betreffenden; wir meinen die absolute Sauberkeit und den Schutz, den sie mit und neben dieser, gegen die gesundheitsschädlichen Wirkungen der bisherigen Kücheneinrichtung gewährt. Ist das Anheizen des gegenwärtigen Küchenherdes schon ein zeitraubendes und umständliches Geschäft, so gilt das gleiche von der Art, wie das Feuer, häufig genug vom frühen Morgen bis zu später Abendstunde, unterhalten werden muss. Holz- und Kohlenvorräte müssen neben dem Herd aufgestapelt werden, und nicht selten sind sogar die Holzscheite noch vorzuwärmen und die Kohlenstücke an Ort und Stelle zu zerkleinern. Kohlendunst und Aschenstaub von früh bis spät, und dazu in der Regel, besonders um die Mittagszeit, eine Temperatur, die selbst im Winter ihrer Höhe wegen oft nicht zu ertragen ist und bei dem kaum zu vermeidenden jähen Wechsel unmittelbar gesundheitsschädigend wirkt. Wenn man den berufsmäßigen Köchen und Köchinnen nachsagt, sie litten zu großem Teil an einer eigenartigen nervösen Reizbarkeit, so ist ein derartiger Zustand leider allzu leicht erklärlich, da der beständige Aufenthalt vor dem glühenden und gleich einem feurigen Ungetüm seine Glut nach allen Richtungen hin ausstrahlenden Herd naturgemäß zu nervös-krankhafter Erregung führen muss. Von allen diesen Missständen ist die elektrische Küche frei; die Wärme, die in ihr bei der Zubereitung der Speisen entwickelt wird, gelangt kaum über die betreffenden Vorrichtungen hinaus, weil sie zu weitaus größtem Teil in diesen selbst verzehrt wird. Der Speisedunst wird, so weit er sich in den geschlossenen Apparaten entwickelt, durch eigene Abzüge abgeführt. In der kälteren Jahreszeit ist unter diesen Umständen für die elektrische Küche eine eigene Heizvorrichtung erforderlich, und diese wird in der Form von Heizschirmen erstellt, die ganz ähnlich eingerichtet sind, wie die von der Dampf- und Wasserheizung her schon allgemein bekannten, dem gleichen Zweck dienenden Apparate, die zweckmäßig Aufstellung vor dem Fenster finden.
Nach dem Angeführten bedarf unsere Abbildung kaum noch einer näheren Erläuterung. Links im Hintergrunde gewahren wir den elektrischen Herd mit seinen Kochvorrichtungen und dem unmittelbar ihm angeschlossenen Bratofen; etwas mehr nach dem Vordergrund zu stehen auf besonderem Tisch der elektrische Rost und der Spießbrater, der erforderlichenfalls nicht nur elektrisch geheizt, sondern auch durch einen elektrischen Motor (wovon wir jedoch in unserer Darstellung absehen) in Betrieb gesetzt werden kann. Rechts sehen wir im Hintergrund seitlich über der Wasserbank den Warmwasserbehälter, und zwar derart mit der Wasserleitung in Verbindung gebracht, dass aus den beiden Hähnen derselben jederzeit kaltes und warmes Wasser zur Verfügung steht; auf dem Tisch nach dem Vordergrund zu steht ein Speisewärmer (Rechaud) und eine an die elektrische Leitung angeschlossene Kaffeemaschine, auf dem Wandbrett darüber Kaffeeröster und Bügeleisen. Vor dem Fenster der Hinterwand hat der Heizschirm Aufstellung gefunden.
Wie unser Bild es zeigt, stellt die elektrische Küche mehr, als es je der Fall gewesen, die Verbindung zwischen Küche und Wohnraum her. Einzelne Küchenverrichtungen, wie die Herstellung der warmen Fleischgerichte zum Frühstück, können bei elektrischer Einrichtung sogar ebenso gut im Wohn- oder Speisezimmer wie in dem Küchenraum vorgenommen werden, da mit der übermäßigen, durch die Heizkörper erzeugten Wärme, auch der üble Geruch des Heizmaterials entfällt. Andererseits aber wird die elektrische Küche mit ihrer sauberen, ja fast zierlichen Einrichtung die Hausfrau in höherem Grad, als die alte Küche mit ihren vielfachen Missständen es vermochte, an das Küchen-Departement fesseln und so wohltätig auf die ganze Führung des Haushalts einwirken. Für den letzteren wird übrigens die elektrische Kraft sich auch über den Küchenbezirk hinaus verwenden lassen, wenn vorläufig auch noch in beschränktem Maße. Immerhin wird man sich ihrer aber, von anderem abgesehen, zur beliebigen Beschaffung von warmem Wasser, im Rauchzimmer zum Zigarrenanzünden und im Schlafzimmer zur Erwärmung der Bettflaschen bedienen können. Ganz besonders wichtig gestaltet sich die Verwendung der elektrischen Kraft im Haushalt zum Betriebe der Nähmaschine, und das um so mehr, als der hierfür erforderliche kleine Betriebsapparat sich jederzeit leicht an eine Maschine anschließen und, wenn er für dieselbe nicht mehr erforderlich ist, beliebig ebenso bequem zu jeder anderen ähnlichen Arbeitsleistung verwenden lässt.
Gegenwärtig sind allerdings die Betriebskosten für die elektrische Küche noch etwas hoch, allein in Ländern, die, wie die Schweiz, über bedeutende und sehr billige Wasserkräfte verfügen, hat sich heute schon die elektrische Heizung ein bedeutendes Feld erobert. Auch bei uns wird es wohl möglich sein, sei es durch allgemeinere Nutzbarmachung der Wasserkräfte, sei es durch weitere Vervollkommnung der Einrichtung der mit Dampfkraft arbeitenden Zentralstationen, den elektrischen Strom unter Verhältnissen zu liefern, die seine vorteilhafte Anwendung in den gesamten Teilen des Haushaltes gestatten. Dass die Technik in der Herstellung der erforderlichen Apparate weit genug fortgeschritten ist, beweist unsere Abbildung, deren Einzelheiten nach Originalstücken aus dem elektrischen Installationsgeschäfte von W. Reißer in Stuttgart aufgenommen sind, so wie sie von dem Inhaber dieses Geschäftes bereits mehrfach gelegentlich einiger Spezialausstellungen im Betrieb vorgeführt worden sind. Eine vollständig eingerichtete elektrische Küche wird voraussichtlich auf der für das Jahr 1896 in Aussicht genommenen Stuttgarter Ausstellung zu sehen sein und wohl zu den Hauptanziehungspunkten dieses jedenfalls interessanten Unternehmens gehören.
• Dr. H-·f.