Handel & Industrie – Lebensmittelproduktion
Eine Konservenfabrik in Moorestown
Illustrirte Welt • August 1880
Das Einmachen von Gemüsen ist ein noch junger Geschäftszweig. England begann für Konserven zum Zweck langer Haltbarkeit zarte Früchte aller Art im Dampf zu kochen und luftdicht verschlossen herzustellen, so dass sie fast den Wert frischer hatten; Frankreich folgte und dehnte diese Industrie auf die feinsten Früchte und zartesten Gemüse aus, so dass die Hotels in Paris im Winter grüne Erbsen, Spargel, kleine grüne Bohnen, Kirschen, Pflaumen, Birnen, Aprikosen etc., beinahe wie eben vom Baume gekommen, hatten, und dann bemächtigte sich Amerika dieser Fabrikation und gab ihr einen riesigen Aufschwung.
Wir führen unsere Leser heute in eine der größten Fabriken dieser Art, in die Konservenfabrik Thurber & Co. in Moorestown, New Jersey, deren Geschäfte sich beinahe über den ganzen Erdkreis erstrecken. In dieser Fabrik werden Gemüse, wie die oben erwähnten, haltbar gemacht und, in Blechbüchsen verpackt, dann in die Welt hinaus gesendet. Man kann sich eine Vorstellung von der Großartigkeit des Betriebes machen, wenn man liest, dass die Fabrik 160 Hektar Goldäpfel für ihren Gebrauch kultiviert und davon jährlich zehn Millionen Liter. Ein besonderer Geschäftszweig dieses Etablissements ist die Geflügelkonserve; pro Jahr kommen etwa 270 000 kg in Blechbüchsen eingekochtes Hühnerfleisch zur Versendung. Das Einmachen (Konservieren) besteht in vorsichtigem Kochen der Früchte etc. im Dampf. Nachdem die Früchte gewaschen, gesäubert, die Tomaten etc. geschält, werden sie in die betreffenden Blechbüchsen getan, diese in eigenartig konstruierte, flache Gefäße gestellt, im Dampf bis zu einem gewissen Grad erhitzt, meist nur so weit, dass die atmosphärische Luft (so bei Gemüsen) ausgetrieben wird, und dann die Büchsen schnell luftdicht verlötet. Die Fabrik beschäftigt bis fünfhundert Angestellte – sie hat in New York ihre Hauptniederlage.
Wir wollen jetzt unsere Leser durch die Fabrik führen. Abb. 1 zeigt die Zufuhr der Materialien, Früchte, Blechgefäße, Kisten und dergleichen mehr, Abb. 2 den Vorbereitungssaal, Abb. 3 den Kochraum, Abb. 4 u. 5 die Zimmer zum Versiegeln und Etikettieren der Büchsen, Abb. 6 Waagenraum und Abb. 7 Versandhalle.
Die Fabrik besitzt große Farmen, auf denen sie sowohl das Geflügel wie auch einen bedeutenden Teil der Früchte, die sie einkocht, zieht; die sauberen Büchsen der weltbekannten Firma aber wandern sowohl in luxuriöse, menschenwimmelnde Städte wie in die Einöden der Goldgräberdistrikte, ja bis in das Innere Afrikas, nach Indien, nach Australien und in die Küchen der amerikanischen Schiffe, auch nach der alten Welt, so dass in den Hafenstädten nicht selten amerikanische grüne Erbsen im Januar gegessen werden können.
Es dürfte unsere Leser sicher interessieren, wenn wir im Anschluss an diese Zeilen in kürzeren Zügen über die Fortschritte berichten, welche die Konservierung leicht sich zersetzender wichtiger Nahrungsmittel in neuester Zeit gemacht. Bis jetzt beherrschen die Konservenfabriken, wie unser Bilder diese wiedergibt, noch den Markt, es wird jedoch wohl nicht sehr lange mehr anstehen und dieser Fabrikationszweig dürfte sein Verfahren vollständig ändern. Vor allem richtet sich die Aufmerksamkeit der Chemiker auf die Konservierung großer Massen von Fleisch, für welches die Methode der Konservenfabriken zu teuer und unpraktisch ist. In den transatlantischen Ländern herrscht Überfluss an Fleisch, es ist dort unglaublich billig, ja beinahe wertlos, und nun bestrebt man sich, den dortigen Überfluss zu uns überzuführen. In neuester Zeit machten sich die Eisschiffe – Schiffe mit durch Eis gekühlte Räumen – in denen das Fleisch aufgehängt wird, bemerkbar. Aus Australien brachten diese Fleisch nach London, das dort billig verkauft werden konnte. Diese Art des Transportes ist aber immer noch zu kostspielig, und aus dem Kühlraum genommen, verdirbt das Fleisch schnell; man ist deshalb gezwungen, große Mengen in Eile zu verkaufen, wobei die Unternehmer Schaden leiden. Seit einiger Zeit lenkt die chemische Fabrik von Hugo Jannasch sen. in Bernburg die Aufmerksamkeit der Volkswirte auf sich. Dort stellt man ein Konservesalz dar, von dem eine geringe Menge genügt, ein bedeutendes Quantum Fleisch, Gemüse, Früchte etc. auf eine höchst einfache Weise lange Zeit frisch zu erhalten.
Man bestreicht nämlich das frische Fleisch mit einer Lösung dieses Salzes in Wasser; für lange Aufbewahrung wird das Fleisch bestreut und dann in Gefäßen behalten, wo man es in der sich bildenden Lake ab und zu umwendet. So präpariertes Fleisch bleibt monatelang frisch und zeigt später beim Kochen fast keinen Unterschied im Aussehen und Geschmack von dem Fleisch eben geschlachteter Tiere. Mit diesem Salz können sogar Milch, Austern, Eiweiß, Seefische, Früchte, Marmeladen, Fruchtsäfte, was wichtig ist der Ersparnis des Zuckers wegen, Bohnen, Kohl, Rüben, Spargeln, Gurken etc. beliebig lange frisch erhalten werden. Dies Konservesalz hält auch die Pilzbildung von den Gartenbeeten ab, wodurch es für die Gärtnerei Bedeutung bekommt.
Diese Tatsachen sind von der weittragendsten Bedeutung, und es werden wohl die Armeeverwaltungen die ersten sein, welche die Erfindung im Großen, ganz besonders für die Verpflegung im Feld, zur Anwendung bringen; Hunderttausende von Zentnern Fleisch, in Amerika und Australien spottbillig, ebenso viele Früchte der Tropenländer, die dort unbenützt zu Grunde gehen, werden bald – konserviert – ihren Weg zu uns nehmen und für Industrie und Handel neue Tätigkeiten eröffnen.
Nachdem eine Probefleischsendung aus New York ohne andere Vorsichtsmaßregeln, als die Behandlung mit Konservesalz, nach mehr als zwei Monaten Transport- und Aufbewahrungszeit sich vollkommen frisch und als Fleischbrühe, gekocht und gebraten wohlschmeckend erwies, steht Ende März die Ankunft einiger weiterer so präparierter Fleischsendungen aus Chicago und Australien zu erwarten, und man darf auf das Resultat mit Recht gespannt sein, weil es die Verhältnisse des europäischen Nahrungsmittelmarktes von Grund aus umgestalten könnte, sicher zum allgemeinen Vorteil der bevölkerten alten Welt.