Handel & IndustrieDruck & Papier

Koenig & Bauers 1000. Schnellpresse

Illustrirte Zeitung • 1.4.1865

Voraussichtliche Lesezeit rund 7 Minuten.

Die Geschichte der Buchdruckerkunst ist wohl das lehrreichste Beispiel, wie die Erfindungen mit der Entwickelung der Kultur Schritt halten. Sie sind da, wenn der menschliche Geist, auf einer höheren Stufe angelangt, sie braucht, sie geraten in Verfall, vielleicht sogar, wie die Kunst der Glasmalerei, in Vergessenheit, wenn die Völker erschlaffend rückwärtsgehen und sie schwingen sich plötzlich wieder auf, wenn der menschliche Geist neue Spannkraft gewinnt. So hat auch die Buchdruckerkunst, kaum aus der Wiege hervorgegangen, in der Zeit des Völkererwachens, welche die Geschichte als die Periode der Wiedergeburt (Renaissance) bezeichnet, die ersprießlichsten Dienste geleistet, um dann mit den Völkern zusammen einen langen Schlaf zu halten, aus dem sie in der Mitte des philosophischen Jahrhunderts wohl erwacht ist, doch nicht zu dem vollen Leben, das ihr erst in unserm vielseitigeren, alle Stände zur Tätigkeit rufenden Zeitalter zu Teil werden konnte. Wenn die Presse jetzt zu einer Macht geworden ist, so verdankt sie dies einer neuen Erfindung, durch die jene Massenproduktion möglich wurde, ohne die wir uns namentlich das heutige Zeitungswesen nicht denken können. Gut zu drucken hatte man im aristokratischen Zeitalter Voltaires wieder gelernt, schnell zu drucken, hat man erst in unserm demokratischen Zeitalter vermocht. Dieser ungeheure, alle Macht der Buchdruckerkunst entwickelnde Fortschritt ist durch die Schnellpresse herbeigeführt worden.

Maschine von Koenig und BauerDie 1000. Maschine.

Der Erfinder der Schnellpresse, Friedrich Koenig, geboren am 17. April 1775 zu Eisleben, trat nach einer sorgfältigen Erziehung 1790 in die Leipziger Anstalt von Breitkopf und Härtel, um die Buchdruckerei zu erlernen. Sein Drang nach Kenntnissen wurde durch die Selbststudien, die er nach vollendeter Lehrzeit betrieb, nicht befriedigt und führte ihn der Leipziger Universität zu. Geschichte und Philosophie, die klassischen und die modernen Sprachen wie ihre Literatur beschäftigten ihn ein Jahr lang, worauf er 1800 in Greifswald eine Buchhandlung gründete. Die schlechten Zeiten, von denen der Geschäftsmann so häufig bloß spricht, waren damals in Wirklichkeit vorhanden und nach wenigen Jahren hatte Koenig mit dem größten Teile seines Vermögens zugleich die Möglichkeit der Ausführung seines Planes verloren, die Mängel der seit vier Jahrhunderten stabil gebliebenen Handpresse zu verbessern. Was er in dieser Beziehung noch zu tun vermochte, bestand in Anträgen an die Regierungen, die aber sämtlich nicht zum Ziele führten. Die deutsche Industrie erregte damals noch kein solches Interesse, dass man sich in jener Kriegszeit auf eine Unterstützung einer unfertigen Erfindung eingelassen hätte. Auch in Petersburg, von wo ihm bestimmte Versprechungen gemacht worden waren, sah sich Koenig schließlich bitter getäuscht. Mit wenigen Talern schiffte er sich nach England ein und half sich zuerst als Buchdruckergehilfe, dann als Geschäftsführer eines deutschen Buchhändlers so lange fort, bis er die Bekanntschaft von zwei Männern machte, die auf seine Ideen eingingen und ihm zur Verwirklichung derselben behilflich waren.

Andreas Friedrich Bauer, der eine dieser beiden Männer, wurde am 18. August 1783 in Stuttgart geboren und bildete sich sowohl theoretisch als praktisch aus. Er hatte in Tübingen Mathematik und Philosophie studiert und sich in seiner Fakultät den Doktorhut erworben, ehe er bei einem Mechanikus seiner Vaterstadt in die Lehre trat. Er fand dort Gelegenheit, sich diejenige Vollkommenheit in mechanischen Arbeiten anzueignen, welche auf die spätere Entwickelung der Erfindung der Druckmaschine von so bedeutendem Einfluss war. Im Jahr 1805 begab er sich zur weitern Ausbildung nach London und lernte dort seinen Landsmann Koenig kennen. Der zweite, mit dem der letztere sich verband, war ein reicher Buchdrucker Bensley, der das Geld hergab. Als Bauer hinzutrat, hatte Koenig bereits in White Cross Street eine mechanische Werkstätte errichtet und die ersten Arbeiten zum Bau einer Druckmaschine begonnen. Der erste Gedanke der Schnellpresse rührte also unstreitig vom Koenig her, was aber das betrifft, was später als Bauers und was als Koenigs Erfindung auszusondern sein dürfte, so gilt dafür der Ausspruch, den Koenig selbst in einer Schrift getan hat: »Wenn zwei Menschen gemeinschaftlich und im höchsten Vertrauen einen Zweck dieser Art verfolgen, so dürfte es schwer sein, den Anteil zu bestimmen, den ein Freund gehabt hat, der bei allem zu Rate gezogen, mit dem jede Angelegenheit des Geschäfts überlegt worden ist und wir haben einander selbst nie Rechenschaft darüber abgelegt oder abgefordert.«

Der niedrige Stand aller damaligen mechanischen Hilfsmittel bereitete große Schwierigkeiten, über deren Besiegung Jahre vergingen. Endlich stand die erste Schnellpresse fertig da und lieferte am 29. November 1814 ihre erste Arbeit – eine Nummer der Times. Schon in dieser ursprünglichen Form bewährte die Erfindung ihre Überlegenheit. Mit der bisherigen Handpresse waren in der Stunde kaum 250 Abdrücke herzustellen gewesen; die Schnellpresse lieferte in derselben Zeit 1100. Die Nummer der Times, die das erste Produkt der Erfindung war, brachte die letztere auch zur allgemeinen Kenntnis. Man staunte, zu erfahren, dass die Maschine die meisten Verrichtungen des Druckers automatisch besorgte, die Farbe nahm und verteilte, die Lettern schwärzte, den Druck auf das Papier brachte, so dass der Menschenhand nichts zu tun übrigblieb, als die Papierbogen aufzulegen und nach dem Druck wieder fortzunehmen. Das Wesentliche der Erfindung bestand in Folgendem: Die auf einer eisernen Grundlage liegende Schriftform bewegte sich in gerader Linie hin und her und der Druck wurde nicht wie bei der Handpresse, durch einen flachen Tiegel, sondern durch einen Zylinder ausgeübt. Nachdem ein Knabe den Papierbogen, der den Druck aufnehmen sollte, auf eine mit Schnüren bespannte Fläche gelegt hatte, wurde der letztere durch eine Bänderleitung dem sich drehenden Druckzylinder zugeführt, wo er unten mit der eingeschwärzten Schriftform zusammentraf und der Druck durch Berührung mit dieser, die gleichmäßig bewegt wurde, sich vollzog. Die leer zurückgehende Form wurde dann von einem selbsttätigen Färbe­apparat aufs neue geschwärzt und derselbe Kreislauf von Bewegungen und Operationen wiederholte sich immerfort. Dies sind noch heute alle wesentlichen Prinzipien der Schnellpresse, und hat man die Erfindung im Laufe der Jahre durch Vereinfachung verbessert, so sind doch alle späteren Konstruktionen in Betreff der Hauptprozesse ganz mit der ersten von Koenig und Bauer erfundenen Maschinen übereinstimmend.

Wie so häufig geschieht, wurden die beiden Erfinder durch den Kapitalisten, der mit ihnen im Bunde war, benachteiligt. Bensley verschmähte selbst die unehrlichsten Mittel nicht, ihnen den materiellen Erfolg ihrer Arbeiten zu entziehen und sich allein zuzuwenden. Die Übermacht des Kapitals war für Bensley und nach manchen bitteren Erfahrungen sahen sich Koenig und Bauer gezwungen, nach Deutschland zurückkehren. Im Jahre 1817 gründeten sie eine neue Maschinenfabrik in dem ehemaligen Prämonstratenserkloster Oberzell, das am Ufer des Mains in einem lieblichen, von Weinbergen umgebenen Tal, eine halbe Stunde von Würzburg liegt. Das drei Stockwerke hohe Hauptgebäude, gegen Ende des vorigen Jahrhunderts erbaut, ist gegen den Fluss gerichtet und enthält die Schlosserei und Dreherei. Die Nebengebäude dienen als Magazine; Gießerei und Schmiede befinden sich in abgesonderten Gebäuden gegen den Berg hin. Im Hof steht die von Frau Koenig bei Vollendung der ersten Presse gepflanzte Edeltanne.

Bis die erste Schnellpresse in der neuen Fabrik fertig wurde, kam das Jahr 1822 heran. Es waren auch hier wieder große Schwierigkeiten zu besiegen gewesen, namentlich hatten aus der ländlichen Bevölkerung der Umgegend erst mühsam Maschinenarbeiter herangebildet werden müssen. Im Jahr 1822 wurden vier Druckmaschinen fertig, die ersten auf dem ganzen europäischen Festland, die nach Berlin gingen, zwei in die Deckersche Hofdruckerei, zwei in die Zeitungsdruckerei von Haude & Spener. Im Jahr 1824 erhielt die Cottasche Druckerei in Augsburg ebenfalls zwei Schnellpressen. Alle diese Pressen waren Schön- und Wider­druck­maschinen, welche vermöge zweier Druckzylinder bei einer Form und nur einmaligem Anlegen der Bogen auf beiden Seiten druck.

Die Fabrik von Oberzell ist zu einer Musterschule geworden, aus der zahlreiche Arbeiter hervorgegangen sind. Die Schnell­pressen­fabriken haben sich über Europa und Nordamerika verbreitet. Alle arbeiten, wie schon bemerkt, nach den Prinzipien, auf die Koenig und Bauers Erfindung sich stützte. Auch die bedeutendsten Verbesserungen, die Doppelmaschine, die Schön- und Wider­druck­maschine, die Schnellpresse mit Kreisbewegung haben die beiden ursprünglichen Erfinder angebracht. Beide ruhen im Grabe. Koenig starb zuerst (17. Januar 1833) und von da an leitete Bauer das Unternehmen, zuerst allein, später im Verein mit den Söhnen des vorangegangenen Freundes, bis auch er vom Tode abgerufen werde (27. Februar 1860). Die Anstalt von Oberzell hatte sich inzwischen weiter und weiter ausgedehnt. Bis zum Jahr 1829 lieferte sie 51 Schnellpressen, im Jahr 1838 wurde die hundertste und 1857 die fünfhundertste Maschine fertig. Von den folgenden Jahren nahm das Jahr 1864 mit 90 Schnellpressen den ersten Rang ein und eben jetzt hat die Vollendung der tausendsten Maschine den Besitzern des Etablissements Anlass geboten, ihren Angestellten ein Fest zu bereiten, welches am 23. März unter Beteiligung zahlreicher Gäste aus dem Beamten-, Handels-, Fabriks- und Gewerbestand in herzlicher und erhebender Weise gefeiert wurde. Die Besitzer des Etablissements, Friedrich und Wilhelm Koenig, haben bei dieser Gelegenheit zum besten ihrer Arbeiter eine Sparkasse gegründet und dieselbe mit einem ersten hochherzigen Beitrag von 10 000 Gulden bedacht. Im Auftrag des Koenigs wurde beiden Brüdern das Ritterkreuz I. Klasse vom heil. Michael verliehen.

Von den tausend Maschinen, welche Oberzell geliefert hat, erhielt Deutschland die meisten (721), Russland 121, die Schweiz 41, Spanien 28, Frankreich 27, Italien 18, Schweden 11, Dänemark 9, Holland 9, Belgien 6, England 5, Brasilien 3, die Türkei 1. Gegenwärtig sind etwa 230 Arbeiter in Oberzell beschäftigt und der Betrieb geschieht durch zwei Wasserräder und zwei Dampfmaschinen. Die großen Folgen der Erfindung spricht die Inschrift an Koenigs Grabdenkmal aus, die Professor Seuffert in Würzburg dem Freunde gewidmet hat:

Vorwärts dränget der Geist
Und die Presse hat zehnfaches Tagwerk;
Dass sie genüge dem Dienst,
Hast Du ihr Flügel verliehn.

• Auf epilog.de am 2. April 2025 veröffentlicht

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