Handel & IndustrieLebensmittelproduktion

Die Käserei in der Schweiz

Polytechnisches Centralblatt • 15.5.1850

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.

Über diesen Gegenstand teilt der Bericht über die zweite allgemeine schweizerische Industrie- und Gewerbeausstellung in Bern im Jahr 1848 folgendes mit:

Dieser große Industriezweig unseres Landes, zu dem sich dasselbe durch seine schönen, an gewürz­haften Kräutern so reichen Alpen, wie durch seinen mastigen Gras- und Kleebau in den Tälern und Niederungen so vorzüglich eignet, wird, in Hinsicht des Fleißes und der Bemühung wohl stärker als irgend jemals betrieben, ist aber bei Weitem nicht mehr mit jenem Erfolg belohnt wie früher. Eine Menge Sennereien auf großen Gütern und Höfen in Frankreich und Deutschland, zu denen die Schweizer selbst auf alle Arten Hand geboten haben, sind teils an sich selbst, teils durch ihr Beispiel in ihrer Umgegend, Schuld, dass unserer Käsefabrikation, namentlich für den nähern Kreis des Absatzes, eine große und fühlbare Konkurrenz erwachsen ist. Es stand indessen Anfangs dieses Jahrhunderts, laut den von Gonzen­bach­schen Zolltabellen, der Aktivstand der sämtlichen schweizerischen Käseausfuhr, die nach Deutschland, dem Norden, nach Italien, den österreichischen Staaten, Sardinien und Frankreich geht, nach Abzug der Einfuhr von meist italienischen Tafelkäsen, noch immer auf 1 374 851 franz. Franken, den von allen anderen Ländern weitaus beträcht­lichsten Verbrauch, im Inland selbst, nicht gerechnet. Was nun insbesondere die Alpenkäserei betrifft, so ist derselben im Inland selbst ein Konkurrent aufgestanden, der ihr über das Haupt zu wachsen droht, nämlich in der Dorfkäserei. Seit mehreren Jahren ist in einigen Tälern die nützliche Einrichtung getroffen worden, die Milch von ganzen Dorfdistrikten in einer einzigen Käserei zu sammeln, dort nach ihrem Gewicht zu bezahlen und auf gemeinschaftliche Rechnung zu verarbeiten. Müßige Leute und Kinder, Boten und Dienstboten und besondere Träger versehen um geringen Lohn das Zutragen der Milch, und in der Käserei wird ein kundiger Käser und Salzer gehalten, der dem Geschäft vorsteht. Hierdurch sind die Dörfer im Stande, ihre Milch vorteilhaft zu verwerten, den Ertrag ihrer Wiesen für eigenes Vieh zu verwenden und den Alpen­kühern das Überwintern zu höheren Preisen anzusetzen. So sind letztere, nebst der Konkurrenz, noch durch Verteuerung ihrer Überwinterungen in Nachteil gebracht. Hierzu kommt noch, dass die Dorfkäse mehr gelten, als die Alpenkäse, weil sie fetter sind, indem die Sennen auf den Alpen von der besten Milch als Nahrung genießen müssen, was ihnen akkord- und landes­gebrauchs­gemäß verabreicht werden muss, weil ihnen auf den hohen, unwegsamen Gebirgen, wo sie während der Sommerweide, von fast jeder anderen kräftigen Nahrung abgeschlossen sind, nichts anderes übrigbleibt, wodurch aber ein beträchtliches Quantum der profitabelsten Milch für die Käserei verloren geht.

Dazu bedarf es auf den Alpen einer weit größeren Mannschaft zur Käserei als im Tal, wo die Stallfütterung als Nebengeschäft, das Milchtragen meist von Kindern und Untergeordneten, und sämtliche Käserei eines bedeutenden Bezirkes nur von einem oder zwei Männern besorgt wird, während auf den Alpen ein Senntum von hundert Kühen mindestens acht Mann, die Buben mit eingerechnet, erfordert, von denen jeder von 20 – 40 Kronen Lohn erhält. Und endlich hat die Alpenkäserei noch bereits den großen Nachteil erlitten, dass ihre großen, schweren Käse von den Händlern nicht mehr auf den Alpen, wie ehedem, ja nicht einmal mehr in den tieferen, den Straßen näher gebauten Käse­gaden gesucht werden, sondern nunmehr in die Dörfer, und zwar in die bereits gangbareren, an den Landstraßen gelegenen, herabgetragen werden müssen, was ungemein viel Mühe verursacht, und Zeit raubt. Bereits ist der Käsemarkt in Langnau stärker versehen und besucht als der sonst vorzüg­lichste in Thun für das Oberland. Bringt man nun noch in Anschlag, dass durch das Institut der Dorfkäsereien die Viehzucht im Tal vermehrt und durch die Stallfütterung vermittelst der Klee­sorten und anderer Futterkräuter, eine große Menge von Dünger für die Äcker- und Wiesen­kultur gewonnen wird, so lässt sich wohl nicht verkennen, in welchem Vorteil die Niederungen gegenüber den Alpen stehen und welches bedrohliche Schicksal der Alpenkäserei wartet; lebten die Alpenküher nicht so besonders mäßig und genügsam, ihr Stand wäre bereits zu Grunde gegangen. Es ist dies ein Zustand, der in hohem Maße der Aufmerksamkeit der Gemeinnützigen und Staatsökonomen wert ist, so erfreulich auch die Resultate der Dorfkäserei sind.

Einer auffallenden Erscheinung muss hier noch Erwähnung geschehen, die auf die Käserei ausschließlichen Bezug hat, nämlich der Einfuhr von Kälbermagen vom Ausland her, wofür jährlich kein unbedeutendes Sümmchen aus der Schweiz geht. Dieses Ingrediens wird zur Bereitung des Labs gebraucht, um die Scheidung der Milch beim Käsen zu bewirken, und kommt in getrocknetem Zustande jährlich zentnerweise in Schiffsladungen von Lindau her über den Bodensee in die Schweiz. Das früher bestandene Speditions­haus Egloff in Gott­lieben, am Rhein, bei Konstanz, hat allein jährlich über 200 Zentner ins Innere der Schweiz spediert. Warum die Käsereien der Schweiz noch die Viehzucht des Allgäus zu Hilfe nehmen müssen, um sich genug Kälbermagen zu verschaffen, ist bis jetzt noch unerörtert, mag aber wohl mehr auf Unachtsamkeit als auf wirklichem Mangel an diesem Material beruhen. In der Zusammenstellung über die Einfuhr in die Schweiz, bei der Zollexpertenkonferenz in Aarau, erscheint dieser Artikel mit 300 Zentnern.

• A. a. D.

• Auf epilog.de am 20. Januar 2025 veröffentlicht

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