Handel & Industrie – Bergbau
In den Kohlengruben
Das Neue Universum • 1881
Kohle und Eisen sind die wichtigsten Vorbedingungen der Kulturentwicklung der Menschheit; würde das eine oder andere davon fehlen oder eingehen, so müsste ein Stillstand im Fortschritt der zivilisierten Menschheit notwendig folgen. Wir wollen einen raschen Blick auf die Kohlengruben werfen und auf kurze Zeit in das Düster der unterirdischen Stollen hinabsteigen, aus denen das schwarze Mineral heraufbefördert wird, das wertvoller ist für die Gesamtheit als Diamant, Gold oder Silber.
Die Steinkohle ist bekanntlich pflanzlichen Ursprungs. Vor ungezählten Jahrtausenden, in einer Zeit, die der geschichtlichen Periode weit voraufging, bedeckten unermessliche, düstere Wälder diejenigen Gegenden, unter deren Boden man heute die Kohlen findet. Durch Katastrophen der verschiedensten Art wurden diese Pflanzen begraben und verwandelten sich im Laufe der sehr langen Zeit nach und nach in Kohle. Das Menschengeschlecht hatte schon eine hohe Kulturstufe erklommen, als es von der Benutzung der Steinkohlen noch durchaus keine Ahnung hatte. Noch um die Mitte des 15. Jahrhunderts hatte man in Italien und Deutschland so wenig allgemeine Kenntnis von unserer heutigen Steinkohle, dass der berühmte Aeneas Sylvius, der spätere Papst Pius II., bei einem Besuch Schottlands höchst erstaunt war, zu sehen, dass man dort den Dürftigen als Almosen schwarze Steine verabreichte, die mit großem Vergnügen angenommen wurden. Auf seine Nachfrage sagte man ihm, dass diese Steine die Eigenschaft hätten, wie Holz zu brennen. In England reicht der Bau auf Steinkohlen bis in uralte Zeiten zurück, in Belgien kam er vereinzelt gegen Ende des 12. Jahrhunderts auf, noch später in Sachsen. Als im Jahr 1762 in Paris das Holz sehr teuer war, gerieten einige dortige Kaufleute auf die Idee, aus England Steinkohlen kommen zu lassen. Dieselben wurden meist von der ärmeren Klasse, stellenweise aber auch in einigen bessern Häusern benutzt. Bald aber erhob sich ein allgemeines Geschrei dagegen; es hieß, der Steinkohlendampf verunreinige die Luft und verursache Brustkrankheiten. Die Akademie sprach sich zwar zu Gunsten des schwarzen Minerals aus, allein die Stimme der überwiegenden Mehrheit der Nation entschied in entgegengesetztem Sinne. Fünfzig Jahre früher, unter Heinrich II., war die Steinkohle, welche bereits hier und da eingeführt worden, sogar gesetzlich aus Frankreich verwiesen und jedermann bei Gefängnis- und Geldstrafe verboten worden, mit Steinkohlen zu heizen. Wie haben sich die Zeiten seitdem geändert! Ihre Hauptbedeutung erlangte die Steinkohle natürlich erst mit Entwicklung der Eisentechnik. Gegenwärtig mögen auf der ganzen Erde jährlich etwa 300 000 000 t Steinkohlen gefördert werden, wovon ¾ auf Europa kommen. Hier findet die weitaus größte Produktion in England statt, nämlich fast 150 000 000 t jährlich, dann kommt Deutschland mit vielleicht 50 000 000 t, hierauf Frankreich und Belgien.
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