VerkehrEisenbahn

Die Hotel-Waggons auf der Pazifik-Eisenbahn

Das Buch für Alle • 1870

Die Bequemlichkeit und Behaglichkeit der Einrichtung aller Dampfschiffe auf den großen Strömen und den Seen Nordamerikas ist schon sprichwörtlich geworden, und man nennt sie mit Recht wandernde Hotels. Bei dem unruhigen rührigen Charakter eines Volkes wie das amerikanische, und bei den großen Entfernungen, welche man bei Reisen in Nordamerika zu bewältigen hat, ist es sehr erklärlich, dass die Spekulation auf den Komfort und die Zeitersparnis der Reisenden sich immer rentiert. Daher wetteifern auch alle Dampf­boot-Gesell­schaften und ebenso alle Gasthofbesitzer untereinander, wie sie um möglichst geringes Geld möglichst viel Eleganz, Behaglichkeit und Zweckmäßigkeit in ihren Einrichtungen bieten und das Reisen angenehmer und leichter machen können.

Dieses Bestreben der Erleichterung oder Verschönerung des Reisens hat sich längst auch auf die Eisenbahnen erstreckt. Jeder Eisenbahnwaggon der neueren Linien ist mit einem Spiegel, mit einer Karaffe Eiswasser, im Winter mit einem Ofen versehen, und die sogenannten Salonwagen insbesondere erleichtern wesentlich die Bemühungen, dem Inneren des Fuhrwerks eine recht ansprechende und komfortable Einrichtung zu geben. Auf den größeren Eisenbahnlinien war es seither schon üblich, dass auf den Schnellzügen, im Sommer eisgekühlte Getränke, im Winter Tee, Kaffee, Grog, Punsch und andere erwärmende Getränke auf Verlangen und gegen billige Bezahlung verabreicht werden konnten.

Jetzt aber ist man um einen Schritt weiter gegangen und hat das System der wandernden Hotels auch auf die Eisenbahnen angewandt. Auf der großen Eisenbahnlinie nämlich, welche seit dem Frühling 1870 die Küsten des stillen Weltmeeres mit den Ländern und Staaten am Missouri und Mississippi verbindet, lässt man nunmehr außer den gewöhnlichen Salonwagen auch noch sogenannte Hotel-Waggons laufen, welche mit allen möglichen Bequemlichkeiten ausgerüstet sind, wie die Kajüten erster Klasse auf den großen Dampfbooten, und wo der Reisende nicht nur um einen unbedeutenden Zuschlag seines Fahrgeldes kleine Schlafkojen mit Bett und Federmatratze, Waschtisch usw. erhalten kann, sondern in welchen er einen Speisesalon findet, worin er Zeitungen lesen, nach der Karte speisen, sich mit Freunden unterhalten oder einige Flaschen leeren kann, während er mit einer Geschwindigkeit von mindestens 45 km/h über die unabsehbaren Ebenen des fernen Westens hinfliegt. Hotel-WaggonDas Innere eines Pullmanschen Hotel-Waggons auf der Pazifik-Eisenbahn. Wenn man erwägt, dass die Fahrzeit auf der Stillen-Weltmeer­bahn von San Francisco bis St. Louis fünf Tage und sieben Stunden, und bis New York volle sieben Tage beträgt, so kann man eine derartige Bequemlichkeit nur mit dem innigsten Danke anerkennen.

Unser Bild zeigt das Innere eines derartigen Salon-Waggons, bzw. wandernden Restaurants. Einzelne Kabinette sind zum Teil durch Verschläge voneinander getrennt, und können nach dem gemeinen Durchgang in der Mitte des Wagens hin durch Vorhänge abgeschlossen werden, wie die Verschläge in einem englischen Kaffee- oder Speisehaus; andere sind offen und erlauben ein gemütliches Plaudern und Betrachten der Nachbarn. Am hinteren Ende des Waggons sind die Küche und die Speisekammer des Restaurants mit den großen Eiskühlern für Fleisch, Wasser und Getränke, die man in ganz Amerika den Gästen nur in Eis gesetzt serviert. Der Speisezettel des Restaurants eines solchen Pullman­schen Hotel-Waggons ist sehr mannigfaltig, und die Preise sind verhältnismäßig nicht übertrieben, wenigstens nicht wesentlich höher als in den größeren Hotels, und wiegen daher reichlich das Unbehagen hastiger und oft sehr dürftiger, schlecht bereiteter und schlecht servierter Mahlzeiten in den Restaurants der Haltestationen auf. Die Einführung solcher wandernden Restaurants z. B. auf der Köln – Minden – Berlin – Stettiner Route u. A. m. würde sich auch bei uns empfehlen.

• Auf epilog.de am 11. Mai 2025 veröffentlicht

Reklame