Handel & IndustrieMaschinenbau

Gasmotor-Dynamomaschine von 200 PS

Prometheus • 15.1.1896

Voraussichtliche Lesezeit rund 4 Minuten.

Einen Hauptanziehungspunkt auf der Deutsch-Nordischen Handels- und Industrie-Ausstellung in Lübeck bildete sowohl für Techniker, besonders Gasfach- und Elektrotechniker als auch für Laien die sehr interessante elektrische Beleuchtungsanlage, und zwar speziell die Erzeugungsstation der elektrischen Energie. Der gesamte für die Ausstellung nötige elektrische Strom, mit dem 166 Bogenlampen, 800 Glühlampen, 9 Scheinwerfer und eine Anzahl von Elektromotoren gespeist wurden, wurde in der Zentrale in der Maschinenhalle der Ausstellung durch Gasdynamomaschinen der Firma Gebrüder Körting zu Körtings­dorf bei Hannover erzeugt, welche sich seit Jahren im Bau von Gasmotoren besonders für elektrische Beleuchtung eines bedeutenden Rufs erfreut. Als Generator diente, abgesehen von einer Anzahl kleinerer ausgestellter Maschinen, welche zur Aushilfe und für kleinen Strombedarf in Betrieb gesetzt wurden, eine Körtingsche Doppel-Tandem-Gasdynamomaschine von 200 PS Leistung. Dieser Gasmotor ist der größte, welcher bisher in Deutschland in Tätigkeit gewesen ist und bietet in der Anordnung wie in der Detailkonstruktion sehr viel Interessantes. Er ist kombiniert aus zwei nebeneinanderliegenden Tandem­maschinen mit gemeinschaftlicher Kurbelwelle. Die Abbildung stellt einen solchen Körtingschen Tandem-Gasmotor nebst Dynamo dar; zwei Arbeitszylinder liegen hintereinander und sind, wie bei Tandem-Dampfmaschinen, durch eine Kolbenstange verbunden.

Gasmotor-DynamomaschineKörtings Gasmotor-Dynamomaschine von 200 PS.

Diese Tandem­bauart bietet manche Vorteile; während bei einzylin­drigen Gaskraftmaschinen auf vier Hübe, also zwei volle Umdrehungen, nur ein Krafthub kommt, ist die Steuerung bei den Tande­mmotoren so eingerichtet, dass während der eine Kolben seinen Krafthub macht, beim anderen die Ansaugung für die nächste Explosion geschieht, so dass auf jede Umdrehung ein Krafthub kommt, wie bei den Zwillingsmotoren; hierdurch wird die Gleichmäßigkeit des Ganges, welche für den Betrieb elektrischer Lichtmaschinen unbedingt notwendig ist, erhöht. Die beiden Zylinder liegen nahe nebeneinander, Lager, Stopfbüchsen etc. sind leicht zugänglich; die Maschine ist auch für große Leistungen übersichtlich und bequem zu warten. Aus zwei solcher Maschinen war der obige große Vierzylindermotor der Lübecker Ausstellung vereinigt; die zwei Paar Zylinder lagen nebeneinander an derselben Seite der Welle; die beiden vorderen Kolben arbeiteten direkt mit Pleuelstange auf die gemeinschaftliche Kurbelwelle. Um eine hohe Gleichmäßigkeit des Ganges zu erzielen, arbeitete die Regulierung nicht mit aussetzenden Zündungen, wie bei den gewöhnlichen Gasmotoren für Gewerbebetrieb, sondern mit variablen Füllungen. Es fiel dabei nie eine Explosion aus, der Regulator beeinflusste je nach dem Kraftbedarf in der Ansauge­periode die Gasluftmischung. Außer dieser Regulierung hatte man es in der Hand, beliebig 1, 2, 3 oder alle 4 Kraftzylinder arbeiten zu lassen, indem einfach beliebig die Gaszuleitung zu einem oder mehreren Zylindern abgesperrt werden konnte, worauf der betreffende Kolben leer lief; auf diese Weise konnte man die Maschine den verschiedensten Anforderungen von ein Viertel bis zur vollen Leistung anpassen bei gleichbleibendem Wirkungsgrad, indem jeder einzelne Zylinder in seiner Arbeitsleistung annähernd konstant blieb, also in ökonomisch vorteilhafter Weise arbeitete. Der Gleich­förmigkeits­grad der Maschine war bei allen diesen verschiedenen Variationen derartig, dass er für den elektrischen Betrieb vollkommen ausreichte und kein Schwanken des Voltmeters zu bemerken war.

Sehr einfach und schön war noch die Einrichtung zum Ingangsetzen der Maschine. Gasmotoren laufen bekanntlich, und nach ihrer Konstruktion naturgemäß, nicht von selbst an wie Dampfmaschinen, sie müssen vielmehr durch äußere Kraft in Gang gesetzt werden, bis nach einem Saug- und einem Kompressionshub die erste kraft­leistende Explosion erfolgt; bei größeren Maschinen bewirkt man das Ingangsetzen durch Hebelmechanismen oder auch durch einen besonderen kleinen Antriebsmotor, welcher letzterer leicht mit der Hand in Gang gesetzt werden kann. Bei dem besprochenen 200 PS Doppel-Tandem-Gasdynamo wurde dagegen die Ingangsetzung durch Druckluft bewirkt. Durch eine mittelst besonderen kleinen Motors betriebene Luftkompressionspumpe wurde in einem Behälter gepresste Luft erzeugt. Dieser Behälter stand durch eine Leitung mit dem Ein­strömungs­ventil eines der vier Kraftzylinder in Verbindung; durch eine sehr einfache mit einem Handgriff zu bewirkende Umstellung wurde die Pressluft in den Arbeitszylinder eingelassen, wo sie den Kolben vorwärtstrieb und so die Maschine in Bewegung setzte.

Auf beiden Enden der Kurbelwelle war je ein Gleichstrom-Dynamo aufgesetzt; dieselben waren parallel geschaltet, weil der Strom in der Ausstellung mit 110 V verteilt wurde; jeder Dynamo lieferte bei 110 V bis 600 A.

Durch Hintereinanderschaltung der beiden Dynamos hätte man mit derselben Maschine einen Strom von 220 V für ein Dreileitersystem erzeugen können.

Der Gasverbrauch der Maschine betrug für die Stunde und effektive PS-Leistung 500 l, und da man zwölf 16-kerzige Glühlampen mit 1 PS betreibt, so wurde bei voller Leistung für die Glühlampe und Stunde eine Gasmenge von 40 – 45 l verbraucht.

• E. Rosenboom

• Auf epilog.de am 24. April 2025 veröffentlicht

Reklame