U-Bahn in Berlin
Die Fortsetzung der Berliner Untergrundbahn
Von Heinz Krieger
Westermanns Monatshefte • Juli 1907
Je teurer uns die Zeit wird, desto feindseliger scheint uns der Raum gegenüberzustehen. Man muss ihn so schnell wie möglich überwinden können, um nicht an Zeitwert zu verlieren. Das erklärt die Bestrebungen auf Steigerung der Schnelligkeit im Verkehr, die in den Weltstädten zur Tat reifen und auch im Fernverkehr sich immer nachdrücklicher geltend machen. Blickt man nur um siebzig Jahre, knapp zwei Menschenalter zurück, so kommt man etwa zur Eröffnung der Berlin-Potsdamer Eisenbahn, der ersten, die in Berlin einmündete, der dritten, die überhaupt in Deutschland gebaut wurde. Sie wurde Ende des Jahres 1838 eröffnet, und ihrem Werden gingen schwere Kämpfe voraus. Friedrich Wilhelm III. hätte sie am liebsten ganz abgelehnt, denn er konnte »sich dabei keine große Glückseligkeit vorstellen, ob man einige Stunden früher in Potsdam ankommt oder nicht«. Seine Regierungsgeschäfte ließen ihm Zeit. Und der Generalpostmeister Nagler, ein Sachverständiger, tat den Plan mit den unwirschen Worten ab: »Dummes Zeug; ich lasse täglich diverse Sechssitzposten nach Potsdam gehen, und es sitzt niemand drinnen. Nun wollen sie heute gar eine Eisenbahn dahin bauen. Wenn sie ihr Geld absolut los sein wollen, so werfen sie es doch lieber gleich zum Fenster hinaus, ehe sie es zu solchem unsinnigen Unternehmen hergeben.«
Der Verkehr zwischen Berlin und Potsdam war zu jener Zeit keineswegs gering. Berlin hatte etwa dreihunderttausend Einwohner, Potsdam hochgerechnet den zehnten Teil davon. Trotzdem reisten etwa siebzehntausend Personen im Jahre von Berlin nach Potsdam. Das ergibt sich aus den Berechnungen Naglers über den nach Eröffnung der Bahn zu erwartenden Einnahmeausfall, den er in einem Gutachten vom 15. August 1835 auf 17 000 Taler ansetzt. Allerdings, eine Eisenbahn konnte man mit diesem Verkehr, selbst den primitivsten Bau und die primitivste Ausstattung vorausgesetzt, nicht speisen. Das hatte der brave Nagler ganz richtig vorausgesagt. Aber im Verkehrsbedürfnis hatte er sich ganz gewaltig verrechnet. Die Eisenbahn beförderte im ersten Betriebsjahr 667 828 Personen. Friedrich Wilhelm IV., weitsichtiger als sein Vater und dessen Verkehrsminister, benutzte als Kronprinz die Bahn und bemerkte nach der Fahrt: »Diesen Karren,« – es war in der Tat nichts Besseres – »der durch die Welt läuft, hält kein Menschenarm mehr auf.«
Werde epilog.plus-Mitglied und Du bekommst
- Zugriff auf exklusive Beiträge wie diesen
- PDF-Versionen und/oder eBooks von ausgewählten Artikeln
- weniger Werbung und dafür mehr historische Bilder und alte Reklame
und Du hilfst uns, noch mehr interessante Beiträge zur Kultur- und Technikgeschichte zu veröffentlichen.