Handel & Industrie – Fabrikation
Die Flaschenfabrikation
Der Stein der Weisen • 1892
Die Flaschenfabrikation bildet einen wichtigen Teil der Glasfabrikation und erfreut sich infolge des großen Verbrauches an Flaschen desselben Aufschwunges wie die Tafelglaserzeugung. Das Flaschenglas ist das ordinärste Glas, es werden zu dem Gemenge alle möglichen alkalihaltigen Gesteinsarten, meist vulkanischen Ursprunges, mit gewöhnlichem Flusssand und etwas Glaubersalz gemengt, verwendet. Statt des Kalkes verwendet man mit großer Vorliebe einen Zusatz von Feldspat, um die Resistenz- oder Widerstandsfähigkeit der Glasmasse gegen chemische Einwirkungen mancher scharfer Flüssigkeiten, die mit Flaschenglas in direkte Berührung kommen, zu erhöhen. Von den verschiedenen Gesteinsarten, wie Trachyt, Phonolith, ist besonders der Basalt ein geschätztes Material.
Die Flaschenglasmacher benötigen schon mehr Werkzeug. Außer der Pfeife, welche jedoch nicht so stark und groß wie jene des Tafelglasmachers ist, sind die in verschiedenen Größen vorkommenden Motzen, welche zur Bearbeitung der Glasmasse dienen, außerdem diverse Scheren zur Bildung des Flaschenhalses, verschiedenartige Flaschenformen von Holz und Eisen, und der gewöhnliche Glasmacherstuhl, der in Fig. 1 abgebildet erscheint.
Die älteste und einfachste Art von Flaschenerzeugung, die noch auf einigen Hütten bei manchen Gattungen existiert, wollen wir in knapper Art beschreiben. Der Gehilfe taucht die vorgewärmte Spitze der Pfeife in die flüssige Glasmasse, so dass sich dieselbe an die Pfeife heftet. Durch mehrmaliges Umdrehen der Pfeife und schnelles Ziehen bleibt ein gewisses Quantum Glas daran hängen, welches durch Rollen am Formstein und mäßiges Blasen zu einer kleinen dickwandigen Kugel gebildet wird; das ist der erste Posten oder ›Külbchen‹. Das Külbchen taucht der Gehilfe nochmals in die Glasmasse, nimmt darauf durch mehrmals wiederholtes Umdrehen der Pfeife die nötige Menge Glas auf, legt die Pfeife in das Fauleisen und bei gleichzeitigem Drehen bearbeitet er die Glasmasse mit der feuchten Motze, wodurch erstere etwas abgekühlt und gleichmäßig verteilte Stärke und runde Form erhält. Hierauf wird das Glas etwas angewärmt, indem es der Arbeiter in das Arbeitsloch bringt und die Pfeife, im Schirmeisen ruhend, langsam dreht. Der so erwärmte Glasposten wird aus dem Ofen herausgenommen, in das Fauleisen gebracht und demselben mit einem Flachholz, bei zeitweisem Aufblasen und Drehen der Pfeife, die Gestalt von Fig. 2 gegeben, wobei schon der Flaschenhals erkennbar erscheint. Hierauf wird die Glasmasse etwas aufgeblasen, durch Herabhängen der Pfeife und einige pendelartige Schwingungen in die Länge gezogen und in die Form gebracht, welche aus einem tönernen, gegen den Boden engeren Zylinder besteht (Fig. 3), dessen Höhe circa drei Viertel der Flaschenlänge misst. In die Form werden einige nasse Hobelspäne eingelegt, die das Anbacken des Glases an die Formwände verhindern, da sich dadurch beide mit einer Rußschicht bedecken. Durch Drehung der Pfeife und gleichzeitiges Einblasen wird der Glasposten zu einer Flasche ausgeblasen, wie Fig. 3 zeigt. Die halbfertige Flasche wird mit der Pfeife aus der Form in noch ziemlich weichem Zustand herausgenommen, die Pfeife in das Fauleisen gebracht und in den Boden der Flasche mittelst eines stumpfen Eisens eine Vertiefung eingedrückt, welche zum Befestigen des Hefteisens dient. Mittelst dieses Hefteisens wird ein wenig Glasmasse aufgenommen, dieselbe zu einem breiten Knopf geformt, welcher in der Vertiefung der Flasche befestigt wird. Durch einige Tropfen Wasser und einen kurzen Schlag an die Pfeife wird letztere von der Flasche abgesprengt, wie Fig. 4 zeigt, so dass diese nunmehr am Hefteisen befestigt erscheint. Der oben abgesprengte offene Hals muss jedoch verschmolzen werden, zu welchem Zweck man die Flasche zum Arbeitsloch bringt, mittelst des Fadeneisens etwas Glasmasse aufnimmt und an dem äußersten Ende des Flaschenhalses daraus ein Ringel bildet. Hierauf wird der Hals der Flasche im Arbeitsloch gehörig vorgewärmt und die Mündung gleichmäßig geformt, zu welchem Zweck verschiedenartige Halsscheren existieren. In neuester Zeit hat man jedoch das Herstellungsverfahren vielfach verbessert und vereinfacht, wodurch es dem Arbeiter ermöglicht wird, bessere Ware auf schnellerem Wege zu erzeugen. Zu diesen verschiedenen Behelfen zählen wir den Einstich, den Patentboden, eiserne Flaschenformen, die federnde Zange und die verschiedenartigsten Halsscheren.

Um den hohlen Boden bei allen Flaschen gleichmäßig tief bilden zu können, bedient man sich des in der Fig. 5 abgebildeten Einstiches aus Eisen, dessen Platte A verstellbar ist, so dass man den Hohlboden nach Belieben tief eindrücken kann. Eine weitere Verbesserung in dieser Hinsicht ist der eiserne Patentboden, in Fig. 6 dargestellt, welcher das umständliche Eindrücken des Bodens entbehrlich macht, indem der Patentboden in die Form eingelegt und der Hohlboden in der Form schon vorgeblasen wird. Um jedoch den mittelst des Patentbodens erzeugten Hohlboden durch den vom Hefteisen zurückgebliebenen Nabel nicht zu verunzieren, um ferner das umständliche Heften zu ersparen, bedient man sich der Zange, welche in Fig. 7 abgebildet erscheint. Hat der Glasmacher die Flasche in der Form ausgeblasen, so werden die beiden Teile B C der gehörig vorgewärmten Zange geöffnet, die Flasche damit gefasst und der Schlussring a angezogen, wodurch die Flasche festsitzt und von der Pfeife abgetrennt werden kann.
Einen großen Vorteil hakte man durch die Einführung derartiger Formen zu verzeichnen, bei denen die ganze Flasche mit dem Hals ausgeblasen werden kann, wie auf Fig. 8 ersichtlich erscheint. Derartige Formen werden aus Gusseisen erzeugt, inwendig glatt ausgedreht oder ausgefeilt und sind aus zwei Teilen, die auf Scharnieren zum Öffnen befestigt sind. Solche Formen, welche inwendig verschiedenartige eingravierte Verzierungen, Rippen, oft auch ganze Aufschriften haben, sind gewöhnlich drei- oder vierteilig. Das Glas wird in derartigen Formen nicht gedreht, sondern die Flasche wird bei ruhiger Haltung durch scharfes Einblasen und Anpressen der Glasmasse an die Wandungen der geschlossenen Form, wobei alle vertieften Stellen vom Glas ausgefüllt werden und erhaben erscheinen, hergestellt.
Als bemerkenswert wäre hierbei zu erwähnen, dass, je wärmer diese Metallformen während der Arbeit gehalten werden, die Glasoberfläche um so glatter und die Pressung um so schärfer ausgeprägt wird, weshalb es ratsam ist, dass in derartige gepresste Formen stets zwei oder drei Glasmacher arbeiten. Ist die Form jedoch zu viel erhitzt, so kann es leicht vorkommen, dass sich die Glasmasse mit der heißen Eisenform bindet, man daher die Flasche aus der Form nicht herausnehmen kann. Um solche Fälle zu vermeiden, werden die Formen nach jedem dritten, vierten Stück mit altem, gebrauchtem Schmier- oder Maschinenöl eingespritzt oder angeschmiert, wodurch sich die Metallfläche mit einer fetten Rußschicht überzieht, welche das Anbacken des Glases an das Eisen verhindert.
Alle diese Neuerungen sind zu dem Zwecke, um der Flasche eine gefälligere, gleichmäßige Form zu geben; in neuester Zeit ist man jedoch außerdem noch bestrebt, der Mündung der Flasche mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden, um dieselbe bei allen Flaschen gleich groß zu machen und den verschiedenartigen, heute existierenden Flaschenverschlüssen anpassend zu erzeugen. Man verwendet zu diesem Zweck die verschiedenartigsten Flaschenhalsscheren, von denen wir in Fig. 9 eine Art abgebildet sehen. Der Stift A dient dazu, um die Mündung bei allen Flaschen gleich groß zu machen, die Rollen c c sind an den federnden Teilen beweglich. Hat der Glasmacher das Ringel unterhalb der Mündung angelegt und diese Partie gehörig vorgewärmt, so führt er den Stift A in die Mündung, drückt die beiden Teile B B zusammen und versetzt die federnde Zange mit der Flasche in Rotation, wobei die beiden Rollen C C dem Ringel und dem Halsrand eine gefällige Form erteilen. Nach erfolgter Fertigstellung steckt der Lehrjunge ein langes spitziges Eisen, dessen Ende vorgewärmt ist, in die Flasche und trägt selbe in den Kühlofen, wo er sie übereinanderliegend einzeln aufschichtet.